Naher Osten: Deutschland ist hier nicht dieser Oberförster

Die Lage in Nahost sei „brandgefährlich“, kommentierte Außenministerin Annalena Baerbock: Nach der Tötung des Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah drohe die Destabilisierung des gesamten Libanon, und das sei „in keinster Weise im Interesse der Sicherheit Israels“. 

Nun obliegt es nicht der deutschen politischen Klasse zu bestimmen, was im Interesse Israels ist und was nicht. Es sei denn, man leite aus dem Spruch Angela Merkels, die Sicherheit Israels sei deutsche Staatsräson, den Umkehrschluss ab, Deutschlands Staatsräson bestimme, was der Sicherheit des jüdischen Staates zu dienen habe.

Fragen wir also nach dem Beginn der israelischen Bodenoffensive gegen Hisbollah-Stellungen, was im Interesse Deutschlands liegt. Bei einer Pressekonferenz am Tag vor Beginn der „Operation Nordpfeil“ sagte Sebastian Fischer als Sprecher des Auswärtigen Amts: „Klar ist auch, dass niemand eine umfassende Eskalation wünscht, weil diese niemandem dauerhafte Sicherheit bringen würde. (…) Wir arbeiten aktiv mit ganzer Kraft daran, dass die Situation nicht zu einem furchtbaren regionalen Flächenbrand wird.“

Flächenbrand: Kaum eine Vokabel ist bezeichnender für die deutsche Nahost-Nichtpolitik, und kaum eine Vokabel verschleiert so sehr die Verhältnisse. Ein Flächenbrand ist ein Naturereignis, oft ausgelöst von Menschen, die unvorsichtig mit Feuer hantieren. Der Nahe Osten ist aber kein ausgetrockneter Wald, Deutschland nicht der Oberförster.

Der große Unruhestifter in der Region ist der Iran

Auch die Vokabel „Eskalation“ und die Behauptung, sie würde niemandem Sicherheit bringen, ist reine Verschleierung. Die Eskalation des Abwehrkampfs der Ukraine gegen Wladimir Putin wird von Deutschland unterstützt. Sei es durch die Steigerung der deutschen Waffenhilfe von zunächst ein paar Stahlhelmen hin zu Leopard-Panzern. Weil Deutschland zu Recht davon ausgeht, dass Putin erst verhandeln wird, wenn er militärisch geschlagen ist.

Warum soll das nicht für die Hisbollah gelten, nicht für die Hamas, nicht für die Huthis, nicht für ihre Herren in Teheran? Herren, die eng mit Putin zusammenarbeiten, sei es bei der Niederschlagung der Opposition in Syrien, sei es bei der Lieferung von Drohnen für Angriffe auf die zivile Infrastruktur der Ukraine. 

Es bleibt also beim Umgang mit Israel das Gefühl einer maternalistischen, neokolonialen Haltung, die in Europa Gut gegen Böse am Werk sieht, wenn aber vermeintlich weit weg die Völker aufeinanderschlagen, einfach nur Ruhe haben will.

Sicher wäre Ruhe im deutschen Interesse. Nicht, weil das zarte deutsche Gewissen den Anblick leidender Zivilisten schwer erträgt, die erträgt man anderswo, etwa im Sudan, in Äthiopien oder im Kongo, mit Gleichmut; sondern weil man Handel treiben und den Export von Flüchtlingen stoppen will, beides legitime Ziele. Dann muss man aber fragen, wer der große Unruhestifter in der Region ist. Und das ist der Iran.

Die Mullahs befeuern Bürgerkriege

Je unsicherer sich das Mullah-Regime im eigenen Land fühlte, desto mehr setzte es auf die Schaffung einer imperialen Einflusssphäre, die bis Aleppo, Beirut und Gaza am Mittelmeer und Jemen am Roten Meer reicht, in der jedoch der Iran nicht Ordnungs- sondern Unordnungsmacht ist. 

In Syrien, Libanon, Palästina und Jemen befeuern die Mullahs innerarabische Bürgerkriege, die unzählige Tote verursacht, die betreffenden Länder wirtschaftlich in den Ruin getrieben und eine Flüchtlingswelle generiert haben, die Europa destabilisiert und jenen Parteien hilft, die mit Putin, dem wichtigsten Verbündeten der Teheraner Theokraten, sympathisieren.

Will man partout von Flächenbrand reden, so haben die Mullahs das Holz und den Funken gleich dazu geliefert. Will man von Eskalation reden, so haben ihn die Mullahs am 7. und 8. Oktober vor einem Jahr begonnen; denn es glaubt wohl keiner, dass Hamas und Hisbollah angegriffen hätten, wenn ihre Finanziers und Strategen in Teheran nicht dafür ihr Okay gegeben hätten.

Das Ziel war klar: die Annäherung der arabischen Staaten und Israels zu torpedieren; die weitere Isolierung der proiranischen Kräfte zu verhindern; Israel militärisch schwach aussehen zu lassen und international zu isolieren.
Alle diese Ziele hat Iran zunächst auch erreicht.

Dass Israels Sicherheitsdienste die Angriffe des 7. Oktober nicht kommen sahen; dass die Israeli Defense Forces (IDF) nicht in der Lage waren, israelische Männer, Frauen und Kinder im eigenen Land zu schützen; dass Zehntausende aus dem Norden Israels fliehen mussten: Das war, ist und bleibt ein Trauma für Juden in aller Welt; das hat Islamisten und ihre Helfershelfer in aller Welt ermutigt. Israels Aktion gegen die Hamas in Gaza machte es für die arabischen Staaten, bei aller klammheimlichen Freude darüber, so gut wie unmöglich, den Entspannungskurs weiterzuverfolgen. 

Im Westen erreichte die antisemitische Welle, die allenfalls rhetorisch, nie praktisch zwischen Juden und Zionisten unterscheidet, neue Höhepunkte, während die Vereinten Nationen wie ein Tribunal gegen den jüdischen Staat agierten.

Als der Iran am 14. April einen direkten Raketenangriff auf Israel startete, gab es die gleiche floskelhafte Reaktion aus der deutschen und europäischen Politik wie jetzt: Mit dem Angriff „riskiert Iran einen regionalen Flächenbrand“, erklärte ein deutscher Regierungssprecher. EU-Außenbeauftragter Josep Borrell beklagte die „beispiellose Eskalation“.

Außer diesen Phrasen aber kam nichts. Es waren die US-amerikanischen und arabischen Verbündeten, die Israel halfen, Irans Attacke abzuwehren. Es war den Mullahs also nicht gelungen, Israel und die arabischen Staaten gänzlich zu entfremden. Derweil wurde die Hamas Schritt für Schritt als militärische Kraft ausgeschaltet, planten Israels Dienste bereits die Aktionen – explodierende Pager und Funkgeräte – gegen die Hisbollah, die auch diesen verlängerten Arm Teherans demütigten und verunsicherten.

Deutschland hat versagt

Denn anscheinend hat Israel – das zeigten auch die Präzisionsschläge gegen Hisbollah-Führer Nasrallah und andere ranghohe Terroristen – längst die Führung der „Partei Gottes“ unterwandert.

Nun folgt die Zerstörung jener militärischen Anlagen im Libanon, die die Hisbollah in Missachtung von Resolution 1701 (PDF) des UN-Sicherheitsrats in Gebieten errichtet hat, die seit 2006 von der UN-Truppe Unifil und der libanesischen Armee kontrolliert werden sollten. Deutschland, das mit einer Marinemission das Einschmuggeln von Waffen für die Hisbollah unterbinden sollte und dabei eklatant versagt hat, sollte also, statt von Eskalation und Flächenbrand zu schwafeln, die israelische Aktion begrüßen.

Wie überhaupt unser Interesse nicht darin besteht, die Balance des Schreckens in der Region aufrechtzuerhalten und alles zu tun, um bewaffnete Auseinandersetzungen zu verhindern.

Israel verteidigt auch Deutschlands Sicherheitsinteressen

Unser Interesse besteht darin, das Regime in Teheran militärisch derart zu schwächen, dass es die Unterstützung Russlands in der Ukraine unterlässt, einer Friedensregelung in Syrien und der Rückkehr der Flüchtlinge nicht mehr im Weg steht, die Verständigung Israels mit den Arabern nicht sabotiert, die Schifffahrt im Roten Meer nicht mehr bedroht und schließlich in glaubhafte Verhandlungen über sein Atomprogramm eintritt. Das geschieht am besten durch die militärische Schwächung von Hamas und Hisbollah sowie der Huthis

Unsere Sicherheitsinteressen sind also jenseits der Staatsräson weitgehend identisch mit jenen Israels. Das sollte die Regierung, das sollte Annalena Baerbock auch sagen und entsprechend handeln.

Die Lage in Nahost sei „brandgefährlich“, kommentierte Außenministerin Annalena Baerbock: Nach der Tötung des Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah drohe die Destabilisierung des gesamten Libanon, und das sei „in keinster Weise im Interesse der Sicherheit Israels“. 

Nun obliegt es nicht der deutschen politischen Klasse zu bestimmen, was im Interesse Israels ist und was nicht. Es sei denn, man leite aus dem Spruch Angela Merkels, die Sicherheit Israels sei deutsche Staatsräson, den Umkehrschluss ab, Deutschlands Staatsräson bestimme, was der Sicherheit des jüdischen Staates zu dienen habe.

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