Nachhaltigkeit: Narzissten tendieren wohl tendenziell zum Greenwashing

Narzissten genießen keinen besonders guten Ruf. Mit dem Begriff verbindet man häufig selbstbezogene Führungskräfte, die sich mit fremden Leistungen schmücken, rücksichtslosen Ehrgeiz zeigen oder das Wohl der Organisation ih­ren eigenen Interessen unterordnen. Die Forschung differenziert jedoch zwischen verschiedenen Subtypen dieser Persönlichkeitseigenschaft. Auch äußert sich nicht jeder Narzissmus in offener Arroganz oder im Streben nach Dominanz. Manche Ausprägungen erscheinen auf den ersten Blick altruistisch, hilfsbereit und gemeinwohlorientiert, sind jedoch ebenso stark von Eigeninteressen geprägt.

Besonders prägnant zeigt sich dies beim Typ des sogenannten gemeinwohlorientierten Narzissten, in der Fachli­teratur auch Communal Narcissist genannt. Sein Selbstbild beruht nicht auf Statussymbolen oder materieller Über­legenheit, sondern auf der demonstrativen Betonung von Fürsorglichkeit und Engagement. Solche Personen präsentieren sich gern als besonders tatkräftige Unterstützer des Gemeinwohls, als Förderer von Fortschritt oder als engagierte Bewahrer der Umwelt. Unsere Forschungsergebnisse weisen jedoch darauf hin, dass dieses Verhalten weniger Ausdruck echten Gemeinsinns ist als vielmehr dem Bedürfnis nach öffentlicher Anerkennung entspringt. Entscheidend ist für solche Manager wohl, als jemand wahrgenommen zu werden, der sich in besonderer Weise für Umwelt und Gesellschaft einsetzt.

Welche Formen von Narzissmus gibt es?

Diese Form der Selbstinszenierung hat eine Schattenseite. Denn Projekte werden nicht primär mit Blick auf ihren gesellschaftlichen Nutzen verfolgt, sondern vor allem mit dem Ziel, das eigene Ansehen zu stärken. Kritik wird weniger als konstruktiver Beitrag denn als Bedrohung des eigenen positiven Selbstbilds wahrgenommen. Der gemeinwohlorientierte Narzissmus ist stark abhängig von externer Bestätigung. Auch ist die Bereitschaft, hierfür auf regelkonformes Verhalten zu verzichten, nicht gering.

Diese Dynamik kann insbesondere die Klimaberichterstattung von Unternehmen beeinflussen. Das verdeutlicht un­sere Anfang November veröffentlichte Studie „Saving the Planet, Saving the Team, and Shouting Down the Messenger“. In Experimenten mit Führungskräften aus den USA und Großbritannien haben wir untersucht, wie Manager mit unterschiedlichen Ausprägungen von Narzissmus auf die Aufforderung reagieren, Emissionskennzahlen zu beschönigen. Insgesamt nahmen mehr als 500 er­fah­rene Fach- und Führungskräfte an den Onlineexperimenten teil.

Sie wurden gebeten, sich in die Rolle eines Nachhaltigkeitsmanagers zu versetzen, der auf Druck seines Vorgesetzten die zu berichtenden Emissionen eines Unternehmens anpassen soll. Diese Versuchsanordnung spiegelt reale Dilemmata im Nachhaltigkeitsmanagement wider. Das Ergebnis ist eindeutig: Alle untersuchten Nar­zissmusformen erhöhen die Bereitschaft, Emissionsdaten zu beschönigen, auch wenn die jeweiligen Motive vari­ieren.

Peter von Tresckow

Gerade bei gemeinwohlorientierten Narzissten tritt dieses Muster deutlich hervor. Sie sind eher geneigt, Emissionskennzahlen zu beschönigen, wenn dies mit öffentlicher Anerkennung verbunden ist, etwa durch Auszeichnungen für nachhaltiges Wirtschaften, positive Rück­mel­dungen von Vorgesetzten oder erhöhte Sichtbarkeit in sozialen Medien. In diesen Fällen wird Narzissmus in eine scheinbar moralische Richtung gelenkt, die jedoch letztlich dem eigenen Renommee dient.

Neben dieser Variante unterscheiden wir zwei weitere Subtypen. Antagonis­tische Narzissten definieren sich stark über Rivalität und reagieren besonders empfindlich auf Kritik, etwa wenn Wettbewerber die Klimabilanz eines Unternehmens infrage stellen. Ihr Motiv zur Manipulation liegt weniger in der Suche nach Anerkennung als in der Sicherung von Überlegenheit. Kollektive Narzissten wiederum knüpfen ihr Selbstbild an die Zugehörigkeit zur eigenen Organisation. Kritik von außen interpretieren sie als Angriff auf „ihre“ Gruppe. Die Verteidigung der kollektiven Reputation kann sie dazu bewegen, Emissionsdaten zu verzerren.

Die Ergebnisse machen deutlich, dass Narzissmus ein facettenreiches Phänomen ist, das weit über das gängige Klischee des selbstverliebten Managers hinausgeht. Insbesondere die gemeinwohlorientierte Ausprägung wirkt auf den ersten Blick positiv, da sie mit prosozialem Engagement einherzugehen scheint. Hier droht allerdings soziale Anerkennung wichtiger zu werden als präzise Berichterstattung.

Für Unternehmen ergibt sich daraus eine wichtige Schlussfolgerung. Fach­liche Qualifikation allein genügt nicht, wenn es um die Besetzung von Positionen im Nachhaltigkeitsmanagement geht. Persönlichkeitsmerkmale spielen eine ebenso zen­trale Rolle. Narzissten, ob antago­nistisch, kollektivistisch oder gemeinwohlorientiert, neigen dazu, regelab­wei­chendes Verhalten zu rechtfertigen, wenn es ihrem Selbstbild dient.

Auffällig ist, dass gerade der gemeinwohlorientierte Narzissmus gut in aktuelle Nachhaltigkeitsdiskurse eingebettet werden kann. Personen, die sich stark als Vorkämpfer für Umwelt und Gemeinwohl darstellen, finden häufig Zu­stimmung. Gleichzeitig zeigt unsere Studie, dass in solchen Konstellationen die Gefahr steigt, dass Erfolge überzeichnet werden, was potenziell negative Folgen sowohl für das Klima als auch für die Glaubwürdigkeit der Orga­nisation hat.

Dies bedeutet nicht, dass narzisstische Persönlichkeiten in Unternehmen pauschal ausgeschlossen werden sollten. Narzissten verfügen oft über Charisma, Durchsetzungsvermögen und Ehrgeiz, also Eigenschaften, die in Führungsrollen wertvoll sein können. Sie erfordern jedoch passende Anreize.

Anerkennung, Auszeichnungen oder öffentliche Sichtbarkeit können durchaus sinnvoll sein, bergen jedoch Risiken, wenn sie auf Persönlichkeiten treffen, deren Handeln primär durch das Bedürfnis nach Selbstaufwertung geprägt ist. Un­sere Ergebnisse machen deutlich: Narzissmus ist nicht nur ein individuelles Charaktermerkmal, sondern kann auch zu einem organisationalen Risiko werden.

Wer die Glaubwürdigkeit von Nachhaltigkeitsberichterstattung sichern will, muss daher nicht nur Emissionen kon­trollieren, sondern auch Persönlichkeits­struk­turen der handelnden Manager im Blick behalten. Zugleich zeigt unsere Studie, wie gewinnbringend die Verbindung von Psychologie und Betriebswirtschaft sein kann. Erkenntnisse über narziss­tische Persönlichkeitsmuster tragen dazu bei, Entschei­dungen von Managern im Nach­haltig­keitskontext besser zu verstehen und Fehlanreize früh zu er­kennen.

Eric N. Johnson ist Professor Emeritus für Accounting an der University of Wyoming.

Matthias Sohn ist Professor für ABWL und Management Accounting an der Universität Rostock.

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