Die Witwe des von einem Rechtsextremisten erschossenen Kasseler CDU-Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat CDU-Chef Friedrich Merz für seine Aussagen zum Tod ihres
Mannes kritisiert. Diese habe ihre Familie und sie sehr befremdet und sie wolle sie nicht so stehen lassen, schrieb
Irmgard Braun-Lübcke der Hessisch/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA).
Beim Wahlkampfabschluss der
Union in München hatte Merz mit Blick auf Demonstrationen gegen die Veranstaltung gesagt: „Ich frage mal die Ganzen, die da draußen rumlaufen,
Antifa und gegen Rechts: Wo waren die denn, als Walter Lübcke in Kassel ermordet worden ist von einem Rechtsradikalen?“ Damit suggerierte er, linke und liberale Gruppen hätten sich nicht für den Tod Lübckes interessiert. Dies ist jedoch falsch, wie auch Lübckes Familie nun bestätigte.
Braun-Lübcke
zufolge habe es entgegen Merz‘ Darstellung nach dem Tod ihres Mannes „ein starkes gesellschaftlich
breites Bekenntnis zu unserer Demokratie und ihren Werten“ gegeben. Tausende linke, liberale und konservative
Demokraten seien deutschlandweit auf die Straße gegangen. „Gemeinsam
haben sie sich klar gegen Gewalt, Hass und Hetze sowie eindeutig für
Demokratie, Freiheit und Menschlichkeit positioniert“, schrieb sie.
Dies habe der Familie viel Kraft gegeben.
Appell an Eintreten für Werte
Sie appellierte an die Politik, so zu handeln, wie ihr Mann es vorgelebt habe, schreibt die HNA. Gerade in dieser schwierigen Zeit, in der
Selbstverständliches ins Wanken gerate, seien alle, aber vor allem die
Politik, mehr denn je gefordert, die Menschen zusammenzuführen und wie
ihr Mann gemeinsam für Werte einzutreten.
Schon am Wochenende hatte es bundesweit Empörung über Merz‘ Aussagen gegeben. Grünen-Politiker Robert Habeck warf ihm vor, zu lügen. Man müsse sich fragen, „ob die Union damals die richtigen Konsequenzen gegen rechts gezogen“ habe. Lübcke war wegen seiner offenen Haltung gegenüber Migration und seinen Appellen an eine menschliche Asylpolitik auch in der eigenen Partei umstritten gewesen. Unionspolitiker hatten ihn vor seinem Tod auch öffentlich für den Kurs kritisiert.
Linke an Aufklärung beteiligt
Lübcke wurde in
der Nacht zum 2. Juni 2019 an seinem Wohnhaus im nordhessischen
Wolfhagen-Istha aus nächster Nähe erschossen. Im Januar 2021 verurteilte
das Oberlandesgericht Frankfurt am Main den
Rechtsextremisten Stephan E. wegen Mordes. Dem Urteil zufolge
erschoss er Lübcke aus rechtsextremer Gesinnung. Den Mitangeklagten Markus H. verurteilte das
Gericht wegen eines Waffendelikts, sprach ihn aber vom Vorwurf der
psychischen Beihilfe frei.
Der Mord an Lübcke sorgte bundesweit für Entsetzen. Tatsächlich war es eine linke Plattform gewesen, die als erste reagiert und noch am gleichen Tag Informationen zum Täter bereitgestellt hatte – auch im
Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags wurde daraus später zitiert. An der Aufklärung über den Fall beteiligt waren auch zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Amadeu-Antonio-Stiftung, die die Union nun wegen des Engagements gegen Rechts überprüfen will.