Nach dieser Reform: Warum dieser Streit um die Grundsteuer weitergeht

Mit der Reform der Grundsteuer sollte die verfassungswidrige Bewertung von Millionen von Grundstücken beendet werden. Seit dem 1. Januar 2025 gelten die neuen Regeln für die Besteuerung von Grundbesitz. Rund 35 Millionen Grundstücke und Immobilien wurden zum Stichtag des 1. Januar 2022 neu bewertet – Ein- und Mehrfamilienhäuser, landwirtschaftliche Betriebe, Waldflächen und Kleingärten sowie für gewerblich genutzte Flächen und Immobilien. Damit sollte eine gerechte, praxistaugliche und verfassungsfeste Besteuerung erreicht werden. Doch der jahrzehntelange Streit über die Grundsteuer geht weiter.

Bundesweit haben Millionen von Wohnunungs- und Grunstückseigentümern Einspruch bei den Finanzämtern eingelegt, weil sie der Ansicht sind, dass die Reform zu unsachgemäßen Bewertungen führe. Diesen Mittwoch wird nun der Bundesfinanzhof (BFH) über die Grundsteuer verhandeln.

Streit über pauschalierte Mieten

Der Zweite Senat hat Verfahren aus Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Berlin für die Verhandlung ausgewählt. In allen drei Fällen ging es um die Bewertung von Eigentumswohnungen nach dem sogenannten Bundesmodell. Für die Berechnung werden verschiedene Parameter herangezogen; besonders umstritten sind stark pauschalierte Kaltmieten und die Heranziehung von Bodenrichtwerten.

Der BFH wird sich unter anderem mit der Frage befassen, ob es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes vereinbar ist, dass möglicherweise nicht in allen Fällen eine steuerliche Belastung ensprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erreicht wird, weil das Bundesmodell ein grob typisiertes Bewertungsverfahren vorsieht. Unter anderem wird zu klären sein, ob pauschalierte Nettomieten und durch Gutachterausschüsse ermittelte Bodenrichtwerte der Bewertung individueller Grundstücke gerecht werden oder gegen das Gebot realitätsgerechter Wertfestsetzung verstoßen.

Das „Scholz-Modell“

Entwickelt wurde das Bundesmodell im Bundesfinanzministerium unter dem damaligen Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Elf der 16 Bundesländer haben sich für dieses Berechnungsverfahren entschieden. Die anderen haben eigene Bewertungsregeln, die mehr oder minder stark vom Bundesmodell abweichen. Zum „Scholz-Modell“ sind insgesamt acht Verfahren beim BFH anhängig. In weiteren sieben Verfahren vor dem höchsten deutschen Finanzgericht wird über die Grundsteuergesetze von Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg und Hessen gestritten. Zu den Länderregelungen soll demnächst eine gesonderte mündliche Verhandlung stattfinden.

Keiner der Kläger in den Verfahren zum Bundesmodel, mit denen sich der BFH am Mittwoch befasst, war mit seiner Klage vor dem jeweiligen Finanzgericht erfolgreich. Bundesweit sind die Finanzgerichte ganz überwiegend der Auffassung, die neuen Regeln zur Berechung der Grundsteuer seien verfassungskonform.

Karlsruhe rügte veraltete Bewertungen

Die Grundsteuer musste reformiert werden, weil das Bundesverfassungsgericht 2018 geurteilt hatte, die Vorschriften für die Bewertung der Grundsteuer seien verfassungswidrig. Die Berechnung basierte damals auf Jahrzehnte alten Grundstückswerten, im Westen aus dem Jahr 1964, in den ostdeutschen Ländern zum Teil auf Grundstückswerten aus dem Jahr 1935. Diese Werte hatten sich im Laufe der Zeit von den tatsächlichen Werten der Immobilien entkoppelt. Die Folge war, dass für vergleichbare Immobilien in benachbarter Lage zum Teil Grundsteuer in sehr unterschiedlicher Höhe zu zahlen war.

Das Bundesrfassungsgericht kam zu dem Ergebnis, damit werde gegen das im Grundgesetz verankerte Gebot der Gleichbehandlung verstoßen. Die bisherige Bewertung erlaubte Karlsruhe nur noch übergangsweise bis Ende Dezember 2024. Für die Neuregelung hat das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber aufgegeben, eine gleichmäßige und realitätsgerechte Bewertung der Grundstücke sicherzustellen. Die Kläger monieren, das Bundesmodell genüge diesen Anforderungen nicht.

„Willkürlich und nicht nachvollziehbar“

Die Immobilieneigentümer aus Köln kritisieren, für ihre Altbauwohnung sei ein Bodenrichtwert von 2.280 Euro je Quadratmeter angesetzt worden sei. Damit ergebe sich eine Wertsteigerung von 130 Prozent. Für eine andere, nicht weit enfernt liegende Eigentumswohnung, die ihnen ebenfalls gehöre, betrage der Bodenrichtwert nur 530 Euro je Quadratmeter, obwohl Lage und Ausstattung der Wohung des Baujahrs 2013 viel besser seien.

Im Berliner Fall wird über die Bewertung einer vermieteten Eigentumswohnung nahe einer Bahntrasse gestritten. Zum Stichtag 1. Januar 2022 betrug die Kaltmiete 5,07 Euro je Quadratmeter. In dem Grundsteuerbescheid wurde eine Nettokaltmiete von 9,32 Euro angesetzt – 80 Prozent höher als die erzielte Miete. Die Kläger trugen vor, es sei ausgeschlossen, einen solchen Mietzins zu erzielen. Denn nach den gesetzlichen Mietregeln könne der Vermieter nur verlangen, dass der Mieter einer Erhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete zustimme. Der Berliner Mietspiegel gebe nur 6,47 Euro je Quadratmeter her. Wegen der hohen Lärmbelastung könnten maximal 6,27 Euro verlangt werden.

Lege der Gesetzgeber für die Ermittlung der Grundsteuer eine Nettokaltmiete zugrunde, die der Eigentümer wegen einer entgegenstehenden gesetzlichen Regelung nicht verlangen dürfe, erscheine die Wertfestsetzung „willkürlich und nicht nachvollziehbar“.

Risiken durch Hochwasser

Im dritten Fall aus Sachsen befasst sich der BFH mit der Bewertung einer selbst genutzten Wohnung mit Tiefgaragenplatz in einem Wohnpark aus dem Jahre 1995. Die Kläger rügten,bei der Festlegung des Bodenrichtwertes von 75 Euro je Quadratmeter seien die individuellen Gegebenheiten nicht ausreichend berücksichtigt worden. Als wertmindernd listen die Kläger unter anderem auf: eine 110 Jahre alte Trinkwasserleitung aus, bei der jederzeit mit einer Havarie zu rechnen sei, Bäume, der die Intallation von Solarpanelen verhindere, Risiken durch Hochwasserschäden und die Lage in einem ehemaligen Bergbaugebiet.

Außerdem sei der Tiefgaragenplatz zu Unrecht extra bewertet worden mit der Folge einer zusätzichen Steuerbelastung. Das sei ungerecht, denn in Hessen blieben Stellplätze, die kleiner seien als 50 Quadratmeter, bei der Bemessung der Grundsteuerwerte unberücksichtigt.

Die Gerichte der Vorinstanzen waren in allen drei Verfahren der Ansicht, die Bewertungen verstießen nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Zusammengefasst argumentierten sie, die Anwendung von durchschnittlichen Nettokaltmieten und durch Gutachterausschüsse ermittelte Bodenrichtwerte sei hinnehmbar, wenn man bedenke, dass Regelungen für den Massenvollzug nötig seien. Die Finanzgerichte Köln und Sachsen verwiesen außerdem darauf, dass die Steuerpflichtigen die Möglichkeit hätten, einen niedigeren Grundsteuerwert nachzuweisen.

AllenBaden-WürttembergBäumeBayernBerlinBetriebeBetrugBundesländerDreiEigentumswohnungenEndeEuroGerichteGrundgesetzGrundsteuerHamburgHessenImmobilienKarlsruheKölnMANMieterNordrhein-WestfalenOlafOlaf ScholzRügenSachsenScholzSelbstSenatSPDStarkStreitVerfassungsgerichtVermieterWeilWohnungZeit