Musterklage: Wirecard-Geschädigte scheitern mit Anträgen gegen EY

Es ist ein Rückschlag für Kurt Ebert, den Privatanleger und Musterkläger im Kapitalanleger-Musterverfahren (KapMuG) gegen Wirecard, gegen mehrere ehemalige Vorstände des Konzerns sowie die Wirtschaftsprüfer von EY (vormals Ernst & Young) Deutschland: Wie das Bayerische Oberste Landesgericht, das für den milliardenschweren Musterprozess zuständig ist, am Mittwoch mitteilte, hat der erste Zivilsenat mehrere Anträge von Eberts Anwälten und weiteren Beigeladenen in dem Verfahren zurückgewiesen, die den bisherigen Plan der Justiz auf den Kopf gestellt hätten. Die Klägeranwälte wollten unter anderem erreichen, dass das Verfahren gegen einzelne Musterbeklagte, insbesondere gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, abgetrennt werden sollte.

Dieses Vorhaben, das neben EY auch den früheren Konzernchef von Wirecard, Markus Braun, sowie dessen Beteiligungsgesellschaft betraf, lehnte der Zivilsenat als unzulässig ab. Die Richter begründeten ihren Beschluss damit, dass es im Fall einer Abtrennung zu zwei parallelen Musterverfahren mit zum Teil identischen Feststellungszielen käme, was der gesetzlichen Konzeption einer Bündelung aller Feststellungsziele in einem Verfahren zuwiderlaufe.

Höchst umstrittene Umwandlung

Die Abtrennung des Teils gegen die MB Beteiligungsgesellschaft scheide „von vornherein“ aus, weil der Vorlagebeschluss des Landgerichts München I vom März 2022 keine eigenständige Feststellungsziele für die Vermögensverwaltung Brauns enthalte. Da dort nunmehr ein vorläufiger Insolvenzverwalter das Sagen hat, unterbrach der Zivilsenat in diesem Fall das Musterverfahren.

Ebert scheiterte außerdem mit dem Versuch, die gesellschaftsrechtliche Umwandlung der ursprünglichen Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in eine Kommanditgesellschaft mit Haftungsbeschränkung (GmbH & Co. KG) zu torpedieren. Durch die Umwandlung hat das Prüfungs- und Beratungsunternehmen aus seinen Beratungssparten formal eigenständige Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) gemacht und diese rechtlich von der Wirtschaftsprüfung getrennt.

Anlegeranwälte befürchten, dass dadurch Haftungsmasse für die Wirecard-Geschädigten verloren gehen könnte. Die lukrativen Geschäftsbereiche wie Steuerberatung, Unternehmensberatung und Transaktionsberatung haften nun nur noch fünf Jahre lang für Ansprüche gegen die neuerdings als GmbH & Co. KG firmierende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft von EY, gegen die sich die Klagen richten. Die Schadenersatzprozesse und das Musterverfahren gegen EY könnten aber viel länger dauern.

„Nacht und Nebel“ statt Transparenz

Anfang März hatten Rechtsanwälte der Kanzlei Mattil & Kollegen in einem Schreiben an das Bayerische Oberste Landesgericht Alarm geschlagen. Darin äußerten sie die Befürchtung, dass EY durch die Umwandlung „entreichert“, also vermögensmäßig ausgehöhlt wird.

Marc Liebscher, Anwalt des Musterklägers sagte: „Wir sind sehr unglücklich über die Beschlüsse, weil EY dadurch möglicherweise die Kapitalflucht aus dem Verfahren gelingt. Es wäre gut gewesen, in einem öffentlichen Prozess über die Umwandlung und Abspaltung zu sprechen und nicht über eine ,Nacht-und-Nebel’-Aktion, wie es sich für die Klägerseite darstellt.“ Er müsse nun mit den anderen Klägeranwälten beraten, wie es weitergehen solle.

Trotzdem hat das Gericht den Antrag abgelehnt, die Musterklage auf die alte Rechtsform von EY zu richten. Damit wird die Umwandlung sozusagen akzeptiert. Nur eine Formalität? „Nein, das ist ein Erdbeben“, sagt der Rechtsanwalt Elmar Vitt, Geschäftsführer des Prozessfinanzierers Jurfin.

Vitt vertritt neben Liebscher den Musterkläger und befürchtet, dass der Prozess deutlich länger dauern könnte als die nur fünf Jahre laufende Nachhaftungsfrist nach der Umwandlung von EY. Das Prüfungs- und Beratungsunternehmen wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

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