„Music Can Hear Us“ von DJ Koze: Echte Zusammenarbeit sagt mehr denn 1.000 Samples

Nach sieben Jahren legt Stefan Kozalla aka DJ Koze ein neues Album vor. Weggefährten von Damon Albarn bis Soap&Skin steuerten Vocals und Ideen bei. Vor allem aber löst „Music Can Hear Us“ eines der größten Versprechen des Dancefloors ein


Dj Koze

Foto: Gepa Hinrichsen


Tracks von DJ Koze sind wie tönende Postkarten, die unerwartet und unverhofft plötzlich im Briefkasten liegen. Oft schwer zu entziffern, weil die Karten vielleicht in einem leider feucht gewordenen Transportsack um die Welt gereist und die Handschrift etwas verschmiert ist, oder der Poststempel so ausladend aufgebracht wurde, dass wichtige Worte überdruckt sind. Aber: Die Karten bringen immer gute Nachrichten, Lebenszeichen und Überraschungen, die gar nicht vollständig entschlüsselt werden müssen, um wertgeschätzt und vor allem geliebt zu werden.

Dem globalen Party-Zirkus hält DJ Koze den Spiegel vor

Der Hamburger Produzent ist als DJ weltweit gefragt, bespielt Tanzflächen auf allen Kontinenten. Seine eigene Musik wirkt dabei oft fast schon wie therapeutische Intervention, um sich selbst und dem globalen Party-Zirkus den Spiegel vorzuhalten. Was ist Musik? Und wie könnte, sollte, müsste sie eigentlich klingen, um das Versprechen einzulösen, der Dancefloor sei offen für alle und alles? Mit Musik Can Hear Us präsentiert Kozalla einen neuen – weiteren – Erklärungsansatz, verpackt in 15 Stücke, die die Arme so weit öffnen, dass die zerrissene Welt darin gleich mehrfach Platz findet.

Damit dieser Weg nicht zu steinig wird, beschreitet DJ Koze ihn gemeinsam mit zahlreichen Gleichgesinnten. Wieder, muss man sagen, denn Koze-Alben sind von jeher vielstimmig. Sophia Kennedy, Kozallas langjährige Weggefährtin, DJ und Produzentin Ada, Soap&Skin, die Düsseldorf Düsterboys, Markus Acher von The Notwist steuern ebenso Vocals, Ideen und Inspiration bei wie Damon Albarn von Blur, um nur einige zu nennen. Doch die lange Liste beschreibt keine „Feature-Hölle“, wie sie im HipHop gang und gäbe ist, sondern unterstreicht vielmehr Kozallas musikalisches Selbstverständnis. Eine echte Zusammenarbeit sagt mehr als 1.000 Samples und macht das Ergebnis bunter und dringlicher, lässt vermeintliche Genre-Grenzen zerbröseln und verstärkt die Wirkmacht der Diskokugel um das eine oder andere Gigawatt.

Großartig und einnehmend: „Vamos a La Playa“ mit Soap&Skin

Music Can Hear Us spendet Trost. Denn DJ Koze versteht es meisterlich, aktuellen Input und bestehendes Erbe seiner Mitwirkenden so auszuleuchten, dass klar wird: Musik ist nie zu Ende erzählt und kann und muss immer wieder neu interpretiert werden. What About Us mit Markus Acher von The Notwist ist nicht nur ein wunderbarer neuer Song, sondern referenziert auch Consequence, eines der ikonischsten Stücke der Band. Und wenn Kozalla gemeinsam mit Soap&Skin Vamos a La Playa, diesen 1983er-Mega-Hit von Righeira, neu interpretiert, der so durch die Party-Decke ging, dass niemand wirklich auf den Text achtete, der die Stimmung des Songs radikal kontrastiert, ist das so unerwartet wie einnehmend und großartig.

Das Stück „Wie schön du bist“ markiert deutsch-deutsche Geschichte: Es geht zurück auf den DDR-Liedermacher Harald Biege, dessen Vocals von 1978 von Koze gesampelt wurden, und dann mit den Düsseldorf Düsterboys und Arnim Teutoburg-Weiß, dem Sänger der Beatsteaks, weiter entwickelt und umgekrempelt wurde – voller Respekt. Es sind Momente für die Ewigkeit, musikalische Taschentücher, in die so lange geschnäuzt werden wird, bis sich Musik irgendwann nicht mehr abspielen lässt.

Music Can Hear Us ist aber auch unverblümte Euphorie. Die kommt immer dann ans (Dancefloor-)Licht, wenn Kozalla mit sich allein im Studio ist. Er ist eben auch DJ, Gralshüter des guten Gewissens und besseren Geschmacks. Wenn die Bassdrum elegant vierviertelt oder der Breakbeat tanzt, eingetaucht in Kozes Klanguniversum, wird klar, worum es auf der Tanzfläche eigentlich geht. Klingt lapidar, ist aber ein wichtiger Kontrapunkt zum Tagesgeschäft. DJ Kozes Tagesgeschäft.

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