Die mit Abstand wichtigste Sparte von Airbus, der Zivilflugzeugbau, bekommt einen neuen Chef. Wie der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern am Mittwochabend bekanntgab, wird Christian Scherer nach mehr als 40 Jahren im Unternehmen ausscheiden und das Zepter an Lars Wagner übergeben. Dieser ist seit Anfang 2023 Chef des Münchner Triebwerksherstellers MTU.
Die Nummer Zwei im Airbus-Vorstand bleibt damit ein Deutscher. Die „Schritte für einen Führungswechsel“ seien eingeleitet, erklärte der Konzern in einer Pressemitteilung. Erfolgen soll der Wechsel nach Ablauf von Wagners Amtszeit bei MTU Ende 2025. „Ich glaube, dass Lars, den ich schon lange kenne, die natürliche Wahl für Airbus als mein Nachfolger ist“, wurde Scherer in der Mitteilung zitiert. Er freue sich darauf, mit ihm in der kommenden Übergangsphase zusammenzuarbeiten.
Für den gebürtigen Cuxhavener Wagner, Jahrgang 1975, ist Airbus kein Neuland. In Bremen absolvierte er bei dem Konzern zunächst eine Ausbildung zum Fluggerätebauer. Nach dem anschließenden Studium im Maschinenbau und der Luft- und Raumfahrttechnik in Aachen, London und am MIT in den USA sowie einem Master of Business Administration in Paris kehrte er zurück zu Airbus, wo er dann in leitenden Funktionen arbeitete.
Defizitärer Satellitenbau
Bevor Wagner vor neun Jahren zu MTU wechselte, war er am Airbus-Standort Hamburg-Finkenwerder mitverantwortlich für den Rumpf des Großraumflugzeugs A350. Auch bei MTU hatte er weiterhin mit seinem alten Arbeitgeber zu tun, produziert das Münchner Unternehmen doch im Konsortium den Antrieb für den erfolgreichen Kurz- und Mittelstreckenjet von Airbus, die A320, und darüber hinaus Triebwerke für Militärflugzeuge wie den Eurofighter.
Scherer, Jahrgang 1962, ist ein Airbus-Urgestein. Der gebürtige Duisburger, der in Südfrankreich aufwuchs, versteht sich als Deutsch-Franzose und ist erst im Januar nach sehr erfolgreichen Jahren als Verkaufschef zum Chef für den Zivilflugzeugbau aufgestiegen. Zuvor lag diese Verantwortung in Personalunion bei Vorstandschef Guillaume Faury.
Der Franzose konzentriert sich seither verstärkt auf strategische Fragen, wozu nicht zuletzt die Neuaufstellung der Rüstungs- und Raumfahrtsparte gehört. Mitte Oktober erklärte Airbus, in diesem Geschäftsbereich bis zu 2500 Stellen abbauen zu wollen. Insbesondere der Satellitenbau war zuletzt in hohem Maße defizitär.
Normalisierung erst 2027/2028
Aber auch der Zivilflugzeugbau ist alles andere als frei von Herausforderungen. So wie der US-Erzrivale Boeing kämpft auch Airbus mehr als viereinhalb Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie weiter mit Liefer- und Produktionsengpässen. Das ärgert viele Airlines, die neue Flugzeuge wegen der Probleme deutlich später ausgeliefert bekommen als erwartet.
Auf Wagner wartet damit alles andere als eine einfache Aufgabe. Er muss zugleich Airlines besänftigen, den Produktionshochlauf organisieren, neue Aufträge an Land ziehen und Zukunftsprojekte mitverantworten wie die Nachfolge der A320-Baureihe, deren Markteinführung anvisiert wird für die zweite Hälfte der 2030er-Jahre.
Einer von vier Deutschen
Immerhin: Für das dritte Quartal vermeldete Airbus am Mittwochabend bessere Zahlen als von Analysten erwartet. Zugleich erklärte die Geschäftsführung, am Ziel von 770 Auslieferungen in diesem Jahr festzuhalten. Doch unabhängig von diesem Tagesgeschäft erwarten Wagner die üblichen Spannungen zwischen Deutschen und Franzosen im Airbus-Konzern, auch wenn diese zuletzt deutlich weniger ausgeprägt waren als in den ersten Jahren nach der Gründung.
Wagners Vorteil ist, Airbus schon von früher zu kennen und auch als MTU-Chef intensive Kontakte ins Nachbarland zu pflegen. Gemeinsam mit dem französischen Triebwerkhersteller Safran ist das Münchner Unternehmen beteiligt am multinationalen Luftkampfsystem der Zukunft FCAS, und vor einigen Monaten präsentierte er in Paris als Gastredner im Deutsch-Französischen Wirtschaftsclub CEFA seine Vorstellung von innovativen Luftfahrtantrieben der Zukunft.
Als Deutscher wird Wagner Stand jetzt einer von vier Deutschen im Airbus-Vorstand sein neben dem Finanzchef Thomas Toepfer, dem Rüstungschef Michael Schöllhorn und der Technikchefin Sabine Klauke.
Mit Faury, der aus Sicht von Kritikern Entscheidungen stärker am Konzernsitz in Toulouse zentralisiert hat als seine Vorgänger, wird er gut zusammenarbeiten müssen: Wie Airbus am Mittwochabend weiter mitteilte, wolle der Verwaltungsrat, geleitet vom früheren Telekom-Chef René Obermann, den Aktionären auf der nächsten Hauptversammlung die Verlängerung von Faurys Mandat vorschlagen. Der Franzose, Jahrgang 1968, steht dem Airbus-Vorstand seit April 2019 vor.