Momox-Chef Heiner Kroke: Der Gebrauchtbuchhändler

Ein bisschen vergilbt ist in Ordnung, aber bitte ohne Flecken“, sagt Heiner Kroke über den Mindestqualitätszustand, den gebrauchte Bücher haben sollten, wenn man sie über die Onlineplattform Momox verkaufen will. Das Berliner Unternehmen ist in Deutschland der Marktführer unter den Online-Gebrauchtbuchhändlern, und Kroke führt seit dem Jahr 2013 die Geschäfte: „Wir verkaufen rund 150.000 Bücher am Tag“, sagt der 55 Jahre alte studierte Wirtschaftsingenieur. Seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 2004 haben so schon über 300 Millionen Bücher den Besitzer gewechselt.

Das Prinzip ist einfach: Wer zu Hause ausmistet und alte Bücher verkaufen will, kann über die Internetseite Momox als Ankaufsplattform den Barcode der Bücher einscannen oder die ISBN-Nummer eintippen und bekommt dann für jedes einzelne Buch einen Festpreis genannt, zu dem es aufgekauft wird. Sobald der Mindestankaufswert von 10 Euro erreicht ist, kann man die Bücher einpacken und portofrei an Momox schicken und bekommt nach wenigen Tagen das Geld gutgeschrieben, vorausgesetzt, die Bücher sind noch in einem ordentlichen Zustand.

Geprüft wird das in einem Logistikzentrum im polnischen Stettin. Das Hauptlager von Momox befindet sich in Leipzig. Dort lagern im ehemaligen Versandlager von Quelle auf 160.000 Qua­dratmetern rund 15 Millionen gebrauchte Bücher.

„Der Algorithmus ist unser Geschäftsgeheimnis“

Rund 7500 Buchpakete kommen täglich bei Momox an, erzählt Kroke, im Schnitt enthielten sie rund 20 Bücher mit einem Gesamtwarenwert von etwa 40 Euro. Die Verkaufsplattform, auf der die Bücher später wiederverkauft werden, heißt dann nicht mehr Momox, sondern Medimops, dahinter steckt aber dasselbe Unternehmen. Wer vergleichen will, inwiefern sich der Verkaufspreis vom Ankaufspreis unterscheidet, kann das für jedes einzelne Buch tun, indem er die beiden Internetseiten besucht. Im ganz groben Schnitt liege der Ankaufspreis der gebrauchten Bücher bei 2 Euro, der Verkaufspreis bei 8 Euro, sagt Kroke.

Lager von Momox/Medimops in Leipzig.Momox

Die Preise können sich im Laufe der Zeit freilich auch verändern. Entschieden wird darüber von einem Algorithmus, über den Kroke aber nicht viel verraten will: „Der Algorithmus ist unser Geschäftsgeheimnis“, sagt Kroke, „mit seiner Hilfe werden alle 30 Minuten die Preise datenbasiert neu berechnet“. Nur so viel: Die Basis dafür liefern die Erfahrungen aus allen bisherigen An- und Verkäufen. Der Algorithmus erfasst, wie sich die Bücher bislang verkauft haben, wie viele Exemplare Momox schon davon im Lager hat, wie lange sie dort schon auf einen Käufer warten und welche Preise Konkurrenten für das gleiche Buch verlangen.

Auch das Gewicht spiele eine Rolle, weil für das Versenden der Bücher ja Porto zweimal bezahlt werden müsse: einmal beim Ankauf und später beim Verkauf. Der Algorithmus tastet sich möglichst an solche Ankaufspreise heran, zu denen sich der Buchverkäufer noch die Mühe macht, die Bücher einzutüten und abzuschicken. Und an solche Verkaufspreise, die dafür sorgen, dass die Bücher anschließend nicht allzu lange gelagert werden müssen, um Lagerkosten zu sparen. Der Preisfindungs­algorithmus ist so konzipiert, dass 50 Prozent der Bücher nach vier Wochen schon wieder verkauft sind. Manche Bücher liegen freilich auch deutlich länger. „Wenn ein Buch fünf Jahre bei uns im Lager liegt, ist uns ein Fehler beim Ankauf unterlaufen“, sagt Kroke. Aber nur wenn der Algorithmus überhaupt keine Chancen mehr auf einen Verkauf pro­gnostiziert, wird das Buch am Ende entsorgt. „Das passiert äußerst selten“, sagt Kroke: Nur etwa ein bis zwei Prozent der Bücher landen am Ende doch in der Altpapiertonne.

„Unser Kerngeschäft sind die Bestseller von gestern“

Kroke hat jahrelange Erfahrung im Handel mit Gebrauchtwaren. Bevor er zu Momox kam, arbeitete der Manager aus Siegen fünf Jahre in leitender Position für Ebay und war danach noch fünf Jahre Chef des Schweizer Internetauktionshauses Ricardo. Zuvor war er Unternehmensberater für die Boston Consulting Group in Frankfurt. Das Buchgeschäft hat er als Manager des Bertelsmann-Buchclubs kennengelernt. An Momox ist Kroke mittlerweile auch selbst beteiligt, allerdings nur mit einem Anteil im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Haupteigentümer von Momox ist seit dem Ausstieg des Gründers Christian Wegner im Jahr 2019 der norwegische Finanzinvestor Verdane mit einem Anteil von 85 Prozent. Im Jahr 2021 wurde Momox in eine europäische Aktiengesellschaft SE umgewandelt.

Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen mit seinen rund 2000 Mitarbeitern einen Umsatz von knapp 350 Millionen Euro erwirtschaftet, etwa 60 Prozent davon entfallen auf den Handel mit gebrauchten Büchern, 20 Prozent auf Medienartikel wie CDs, DVDs und Videospiele und die restlichen knapp 20 Prozent auf gebrauchte Kleidung. In das Modegeschäft war Momox im Jahr 2013 eingestiegen, damals noch unter der Marke „ubup“ („used but precious“), inzwischen firmiert das Segment unter „Momox Fashion“. Das Geschäft mit gebrauchter Mode ist allerdings hart umkämpft, neben Zalando, About You und der H&M-Tochtergesellschaft Sellpy mischen auch viele Start-ups im textilen Secondhand-Markt mit.

Gebrauchte Kleidung in einem Lager bei BerlinUbup

Laut Kroke hat Momox in den 20 Jahren seiner Existenz in 18 Jahren Gewinne erwirtschaftet, nur in den Jahren 2013 und 2014 nicht. Damals hat Momox auch mit gebrauchter Unterhaltungselektronik gehandelt, aber schnell gemerkt, dass sich damit kein Geld verdienen lässt. Daher hat sich Momox aus dem Handel mit gebrauchter Unterhaltungselektronik schnell wieder zurückgezogen. „Wir hatten auch fünf Läden in Berlin“, erzählt Kroke, aber auch die wurden schnell wieder geschlossen, weil Momox damit Geld verlor. 2014 waren die Läden wieder zu.

Um die Zukunft ist Kroke aber nicht bange: Die Konsumenten wünschten sich mehr Nachhaltigkeit und weniger Wegwerfkultur, um Ressourcen und Klima zu schonen. Zudem wachse der Onlinehandel stetig weiter. Die Trends, die das Geschäft von Momox antrieben, seien also ungebrochen.

Für Nachschub an gebrauchten Büchern sorgen regelmäßig Buchliebhaber, die in ihren Regalen Platz für neue Bücher schaffen müssen. „Unser Kerngeschäft sind die Bestseller von gestern“, sagt Kroke. Wer richtig wertvolle alte Bücher hat, ist bei Momox allerdings nicht an der richtigen Adresse: „Wir handeln mit gebrauchten Büchern, aber nicht mit seltenen Büchern“, sagt der Manager: „Wir sind kein Antiquariat.“ Auch manche älteren Kunden muss er enttäuschen, die sich von ihren einst sehr teuer erstandenen bildungsbürgerlichen Statussymbolen trennen möchten: „Ein alter Brockhaus mit Goldrand ist wertlos“, sagt Kroke: „Den kauft niemand mehr.“

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