Parteien wurden kurz vor dem Votum verboten und moldawische Gastarbeiter in Russland weitgehend ferngehalten. Für einen EU-Aspiranten war das kein Ruhmesblatt
Aufgrund von Nullwachstum und drückender Teuerung hat Maia Sandu im Land selbst keine Mehrheit
Foto: NurPhoto/Imago Images
Ein bitterarmes Ländchen, in dem die rumänische und die russische Sprache eine wein- und wodkaselige Mischkultur hervorgebracht haben, setzt seinen Kurs Richtung EU-Beitritt fort. Wie schon bei der Wiederwahl von Präsidentin Maia Sandu im Vorjahr wurde ihre Partei PAS von moldawischen Gastarbeitern gerettet.
Aufgrund von Nullwachstum und drückender Teuerung hat sie im Land selbst keine Mehrheit, sondern nur 44 Prozent. Die für 18 Prozent der abgegebenen Stimmen stehende Diaspora macht das mit 79 Prozent für die PAS wett. Als nützlich erwies sich, dass die vielen in Russland malochenden Moldawier von der Wahl ferngehalten wurden – zwei Wahllokale gab es dort, 75 in Italien.
Schön für die von den EU-Spitzen unterstützte PAS ist, dass kaum jemanden in Europa die autoritären Anwandlungen des „Sanduismus“ stören. Dabei blieb das mehrheitlich prorussische Viererbündnis Patriotischer Block weit hinter den Erwartungen zurück (26 Mandate). Mit dem zentristischen Viererbündnis Alternativa (acht Mandate) steht nun auch eine Pro-EU-Kraft aus dem russophilen Lager bereit, der populistische Clown Renato Usatîi ist geopolitisch flexibel. Und die aus dem demoskopischen Nichts zu sechs Mandaten gekommene Splittergruppe Demokratie zu Hause – der rumänische Nationalistenführer George Simion und Tiktok lassen grüßen – wird sich als Großrumänien-Projekt kaum dem EU-Beitritt verweigern. Schließlich ist Rumänien in der EU.
Die PAS hat die Methoden, mit denen 2014 eine knappe prorussische Mehrheit in eine proeuropäische Mandatsmehrheit verzaubert wurde, verfeinert. Wenn nicht Oppositionspolitiker mit Einreiseverboten in EU-Länder belegt werden, ist der Wahlausschluss ein bevorzugtes Mittel. Der traf nicht nur Ilan Schor, den flüchtigen Organisator des Diebstahls einer Dollar-Milliarde aus drei moldawischen Banken, der 2024 aus dem Moskauer Exil laut Gerichtsurteil Stimmen von 25.000 verarmten moldawischen Senioren gekauft haben soll.
74 Personen verhaftet
Die PAS ging deutlich weiter. Dank der Gefügigkeit von Wahlkommission und Justiz wurde in der Woche vor der Wahl ein tägliches Feuerwerk abgefackelt. Mit der Auslieferung des flüchtigen Oligarchen Vlad Plahotniuc präsentierte Maia Sandu ihren eindrücklichsten Skalp. Drei Tage vor der Wahl wurde zudem mit Herz Moldawiens die drittstärkste Partei aus dem Patriotischen Block suspendiert, zwei Tage vor dem Votum die kaum chancenreiche Partei Großmoldawien. Der Charme dieses Vorgehens besteht darin, dass die Vorwürfe verdeckter Finanzierung durch den Kreml oder Schor zutreffen können, in der Kürze der Zeit aber nicht zu überprüfen sind.
Der härteste Schlag gegen angebliche russische Provokationen wurde fünf Tage vor der Abstimmung geführt, indem 74 Personen unter dem Vorwurf verhaftet wurden, sie hätten gewalttätige Ausschreitungen vorbereitet. Dass die serbische Polizei zeitgleich zwei Personen festnahm, die vom 16. Juli bis zum 12. September beim westserbischen Städtchen Loznica „150 bis 170 Bürger Moldawiens und Rumäniens“ in Kampftechniken ausgebildet haben sollen, verleiht den Anschuldigungen einen Anschein gewisser Glaubwürdigkeit.
Moskau habe sich die moldawische Parlamentswahl „Hunderte Millionen“ kosten lassen, behauptet die PAS. Die EU wiederum erhöhte im Oktober 2024 ihre Finanzhilfe auf 1,8 Milliarden Euro. Das ist nicht mit Schors Stimmenkauf zu vergleichen und kann gut investiertes Geld sein, wäre da nicht der unerträgliche Gleichklang, mit dem Politik und Medien der EU selbst die polarisierendsten Narrative des Sanduismus wiederkäuen. Es schmerzt zu sehen, dass der öffentlich-rechtliche TV-Sender Moldova 1, aber ebenso die Deutsche Welle Maia Sandu so unkritisch propagieren wie das russische Fernsehen Wladimir Putin. Das multiethnische Völkchen Moldawiens hätte bessere Freunde verdient.