Mohn-Enkel Thomas Coesfeld rückt in Bertelsmann-Vorstand hinaus

Seit gut einem Jahr führt Thomas Coesfeld nun die Bertelsmann-Musiksparte BMG. Und – so viel lässt sich zweifellos sagen – er war alles andere als untätig. In diese Zeit fällt die Ankündigung, den Digitalvertrieb selbst in die Hand zu nehmen, vor allem aber eine neue Struktur und Strategie für das viertgrößte Musikunternehmen der Welt mit Zentrale in Berlin. Dazu gehört die Konzentration auf die Kernbereiche Verlags- und Label-Geschäft, womit der Ausstieg aus dem Live-Bereich einherging. Dazu kommen ein stärkerer Fokus auf die USA, den weltgrößten Musikmarkt und auch für BMG wichtigsten Markt, und insgesamt effizientere Abläufe. Coesfeld verwies Anfang Dezember in einer Mitteilung auf „einen weiteren tektonischen Wandel“, den die Musikindustrie durchlaufe. Daher sei es „von entscheidender Bedeutung, dass wir unser Geschäft jetzt umgestalten, um das Beste aus dieser Chance zu machen“, begründete er den Schritt, der letztlich auch rund 100 Stellen kostete – womit BMG freilich in der Branche nicht alleine war.

Jetzt folgt für ihn selbst der nächste große Schritt. Mit sofortiger Wirkung zieht der 34 Jahre alte Coesfeld in den Vorstand von Bertelsmann ein, wie der Medienkonzern am Donnerstag nach einer Aufsichtsratsitzung mitteilte. Coesfeld erhält kein gesondertes Ressort, sondern wird in dem Gremium in seiner Rolle als BMG-Chef vertreten sein. Mit seiner Berufung wächst der Vorstand auf fünf Mitglieder an.

Zwei Enkel von Reinhard Mohn im Vorstand

Der bis dato jüngste Neuzugang ist noch gar nicht lange her: Mit Beginn des Jahres rückte Thomas Coesfelds drei Jahre älterer Bruder Carsten, Chef von Bertelsmann Investments, in den Vorstand auf. Beide sind Enkel von Reinhard Mohn. Der hatte Bertelsmann zu dem breit aufgestellten Medienkonzern mit rund 20 Milliarden Euro Jahresumsatz gemacht. Die Coesfeld-Brüder gehören zur Familie von Mohns erster Frau, sind also nicht direkt mit seiner späteren Ehefrau Liz Mohn verwandt, wurden von dieser aber systematisch gefördert. Liz Mohns Sohn Christoph fungiert als Aufsichtsratschef und ist seit Mitte 2021 Sprecher der Familie und Vorsitzender des Lenkungsausschusses der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft, die 100 Prozent der Stimmrechte am Konzern kontrolliert.

Auf der Bertelsmann-Party im Juni dieses Jahres: Thomas Rabe (links), Carsten Coesfeld, Liz Mohn, Marie-Josefien Coesfeld, Managerin und Ehefrau von Thomas Coesfeld, und Thomas Coesfelddpa

Wie sein Bruder hat Thomas Coesfeld schon verschiedene Bereiche des Konzerns kennengelernt. Auf sein Studium an der Managerschmiede WHU im beschaulichen Vallendar und an einer Business School in Atlanta folgte ein Jahr als Unternehmensberater bei McKinsey. Seit 2016 ist er für Bertelsmann tätig. Anfangs bei Mohn Media am Konzernsitz Gütersloh, dann als „Chief Strategy Officer“ der Bertelsmann Printing Group. Im Oktober 2020 folgte der Wechsel zu BMG, erst als Stellvertreter des Finanzchefs, im April 2021 nahm er die Rolle dann selbst ein. Der Wechsel an die Spitze von BMG war ursprünglich für den Jahreswechsel avisiert. Doch Mitte Mai des vergangenen Jahres hieß es dann, Coesfeld übernehme schon zum Juli von Hartwig Masuch, einem Branchenveteran, der BMG von 2008 an federführend neu aufgebaut hatte.

Marktführer Universal Music und die globale Nummer zwei, Sony Music, werden nach wie vor von Urgesteinen der Industrie geführt: Lucian Grainge und Rob Stringer, zwei Briten, die nie außerhalb der Musikbranche gearbeitet haben. Der andere Ansatz – den Familienfaktor im Bertelsmann-Fall einmal außen vorgelassen – ist aber keineswegs BMG-exklusiv. So steht an der Spitze des dritten sogenannten Majors, Warner Music, mit Robert Kyncl seit Anfang 2023 ein langjähriger Youtube-Manager. Bei BMG war auch Dominique Casimir, zuletzt CCO des Unternehmens und seit 2009 bei BMG, als potentielle Masuch-Nachfolgerin gehandelt worden. Sie verließ BMG vor einigen Wochen.

„Wir sehen das fundamental attraktive Wachstum im Musikgeschäft

BMG ist hinter der RTL-Gruppe, Arvato, dem Buchverlag Penguin Random House und Bertelsmann Marketing Services am Umsatz bemessen die fünftgrößte Sparte des Medienkonzerns. BMG setzte im vergangenen Jahr 905 Millionen Euro um – ein Plus von knapp 5 Prozent. Die Ebitda-Marge betrug 21,4 Prozent – etwas weniger als im Vorjahr. Das war nicht zuletzt eine Folge der Umstrukturierung, wie es im Bertelsmann-Geschäftsbericht heißt. 2024 soll sich das wieder ändern.

„BMG ist organisch im laufenden Jahr bislang deutlich gewachsen, damit liegen wir ein paar Punkte über dem Marktwachstum, und konnten auch mit Blick aufs Ebitda zulegen“, sagt Thomas Coesfeld im Gespräch mit der F.A.Z. Die Strategie trage Früchte. Ein großer Faktor sei die nunmehr direkte Arbeit mit Spotify und Apple Music, den Vertrieb hatte zuvor lange Warner Music für BMG erledigt. Die Streamingeinnahmen – der wesentliche Umsatztreiber der Musikindustrie – fließen nun schneller. Und den Vertrieb selbst in der Hand zu haben, bedeute den direkten Zugriff auf diverse Marketing-Tools, was sich in den Zuwächsen bemerkbar mache.

Käufe von Rechtekatalogen sind schon länger ein Kernaspekt der Strategie – und als Finanzchef war Coesfeld hier stets bestens im Bilde. In den vergangenen Jahren erwarb BMG Rechteanteile am Schaffen von Tina Turner, den Bands Mötley Crüe und Simple Minds oder von Paul Simon. Gemeinsam mit Finanzinvestor KKR übernahm BMG zudem Rechtepakete von ZZ Top oder John Legend. Im Rahmen der losen Partnerschaft sei nun schon seit mehr als einem Jahr kein Zukauf mehr getätigt worden, so Coesfeld. BMG selbst aber sei „mit unverändert großer Überzeugung im Markt aktiv und hat auch dieses Jahr schon einige Katalogdeals abgeschlossen.“ In den vergangenen Jahren hatte BMG insgesamt rund 800 Millionen Euro im Rahmen von Bertelsmanns Investitionsprogramm „Boost“ ausgegeben, für Vorschüsse im Rahmen von Label- und Verlagsdeals, aber eben gerade auch für Kataloge.

Wer folgt auf Thomas Rabe an der Bertelsmann-Spitze?

Möglicherweise steht perspektivisch auch ein anders gearteter großer Deal ins Haus, und BMG geht mit einem Wettbewerber zusammen. Die Option eines „Breakout Investment“, erwähnte Bertelsmann-Chef Thomas Rabe Ende März im Gespräch mit der „Financial Times“ – ohne potentielle Kandidaten zu nennen. Mit Blick auf den Markt grundsätzlich denkbare Namen, wie etwa das französische Musikunternehmen Believe, kommentiert Coesfeld ebenfalls nicht. Nur so viel: „Wir sehen das fundamental attraktive Wachstum im Musikgeschäft und wollen auch selbst weiter wachsen“, sagt er. „Das M&A-Umfeld ist derzeit sehr dynamisch und wenn sich reizvolle Optionen ergeben, wollen wir dabei sein.“

Mit der Berufung in den Vorstand werden in jedem Fall die Spekulationen über die künftige Führung des Bertelsmann-Konzerns weiter Fahrt aufnehmen. Sein Bruder und er werden öffentlich immer wieder als mögliche Nachfolger von Rabe genannt. Dessen Vertrag läuft Ende 2026 aus. Coesfeld selbst hält sich zu dem Thema bedeckt: „Erst einmal will ich jetzt in der neuen Rolle als Teil des Vorstandsteams ankommen, das ist mein Fokus“, sagt er. „Ich freue mich sehr über die Berufung, und ich danke dem Aufsichtsrat für sein Vertrauen und Thomas Rabe für seine Unterstützung.“

Dass letzterer potentielle Kandidaten im Blick hat, steht außer Frage. „Bei meiner Nachfolge sehe ich mich in der Pflicht, dem Aufsichtsrat mehrere Optionen anzubieten, und – wenn die Entscheidung dann getroffen ist – sicherzustellen, dass es den bestmöglichen Übergang gibt“, hatte Rabe Anfang März im Gespräch mit der F.A.S. erklärt und auch betont: „Bei Bertelsmann werden die Topführungspositionen zu 80 Prozent intern besetzt.“

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