Während die Regierungskoalition noch mit großem Getöse um die Mehrheit für das Rentenpaket am Freitag ringt, steht ein anderes Großvorhaben kurz vor dem Abschluss – oder vor dem Scheitern: In der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag wollen Bund und Länder eine „föderale Modernisierungsagenda“ beschließen, die in den vergangenen Wochen ebenfalls für viel Auseinandersetzung gesorgt hat. Zwei Tage vor dem Abschluss wird im Hintergrund aber noch um etliche Maßnahmen gerungen.
Der zuständige Parlamentarische Staatssekretär Philipp Amthor (CDU) gibt sich im Interview mit dem F.A.Z. Podcast für Deutschland zwar optimistisch und lobt das hohe Ambitionsniveau der Länder. In elf Arbeitsgruppen hätten die Vertreter von Bund und Ländern rund 300 Maßnahmen diskutiert. Aus den Ländern kommt hingegen noch kein Signal der Entwarnung. Über zentrale Punkte werde hinter den Kulissen noch gerungen, heißt es übereinstimmend – womöglich noch bis kurz vor dem Treffen der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Donnerstag.
Dritte Etappe beim Bürokratieabbau
Das Vorhaben sei ein „Mammutprozess“, so beschreibt es Amthor, der als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung den Prozess auf Arbeitsebene sowohl im Bund als auch mit den Ländern geleitet hat. Die föderale Modernisierungsagenda soll am Donnerstag an den ersten Schwung von Entbürokratisierungsmaßnahmen anschließen, die in der Kabinettssitzung in der Villa Borsig und beim Entlastungskabinett im November beschlossen wurden. Rund 80 Maßnahmen hatten die Bundesministerien damals vereinbart, darunter ein zentrales digitales Kraftfahrzeugportal, eine rein digitale Fachkräftezuwanderungsagentur und die Möglichkeit zur Gründung neuer Unternehmen innerhalb von 24 Stunden.
Auf föderaler Ebene sind die Probleme etwas anders gelagert. Da sorgen unterschiedliche Standards in den Bundesländern etwa beim Umwelt- und Baurecht für Schwierigkeiten. Auch der Datenschutz ist schon seit Langem in der Kritik und gilt in Deutschland als besonders schwierig: Hierzulande legen insgesamt 17 Landesbehörden und eine Bundesbehörde die europäischen Regeln unterschiedlich aus – und sorgen deshalb für Probleme. Gerade in diesem Bereich steht die Lösung noch aus: Die Koalition aus CDU/CSU und SPD hat sich im Koalitionsvertrag zwar darauf verständigt, die Kompetenzen in zentralen Fragen bei der Bundesdatenschutzbeauftragten Louisa Specht-Riemenschneider zu bündeln, aber dem Vernehmen nach drohen auch diesem Vorhaben Verzögerungen.
Im Notfall wird fingiert
In der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern soll es nun unter anderem darum gehen, Planungen zu beschleunigen. Dazu sollen sich Unternehmen künftig zum Beispiel auf eine Genehmigungsfiktion stützen können, wenn Verwaltungen ihr Plazet nicht während einer bestimmten Frist erteilen können. Nach Ablauf dieser Frist gilt die Genehmigung in diesen Fällen dann als erteilt. Die Verwaltungen sollen zudem künftig auf einer einheitlichen IT-Struktur arbeiten. Auch die unterschiedlichen technischen Voraussetzungen haben die Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinweg bisher schwierig gemacht.
Ebenfalls in Vorbereitung ist eine Reform des Sozialstaates. Die soll bis zum Jahresende in einer gesonderten Kommission erarbeitet werden. Ziel ist es, Sozialleistungen zu bündeln und zu entbürokratisieren. Auch das könnte dem Staat künftig viel Geld sparen. Allein fünf Milliarden Euro im Jahr kostet die Verwaltung des Bürgergelds. Amthor betonte, die Reform bedeute nicht, dass es zu Entlassungen in der Sozialverwaltung komme. „Wir stehen in Zeiten von Fachkräftemangel und demographischem Wandel vor Riesenproblemen in der öffentlichen Verwaltung.“ Deshalb müsse das Land mit weniger Personal bessere Arbeit machen.
Bürokratie-Rückbau, so formuliert es Amthor, sei „leider wirklich was für Profis“. Dazu bräuchte man einerseits die Leidenschaft, sich auch mit „Kleinkram“ zu beschäftigen. Millimeter für Millimeter müssten die Dinge abgetragen werden, weil alles andere nur zu kurzfristigen Erleichterungen führe und danach eine große Unsicherheit entstehe. Der Unterschied zu Entbürokratisierungsgesetzen früherer Bundesregierungen läge in dem methodischen Ansatz. Bisher sei immer die „Klingelbeutel-Methode“ angewandt worden, berichtet Amthor. Man sei mit dem Klingelbeutel von Ressort zu Ressort gegangen und habe Vorschläge zusammengesammelt.
Jetzt sei es nicht nur ein Thema der einzelnen Ressorts, sondern es gelte der „Whole-of-a-Government-Ansatz“, es sei also ein Gesamtanliegen der Bundesregierung. Ein besonderes Augenmerk werde dabei auch auf das Europarecht gelegt, das in Deutschland häufig noch strenger umgesetzt werde als in den restlichen europäischen Staaten. Künftig werde sich der Gesetzgeber darauf beschränken, die europäischen Vorgaben nur noch so weit umzusetzen wie nötig.