Gefährliche Challenges, Hetze, Cybermobbing, Diäten-Wahn, Datenschutz – die Inhalte der Social-Media-App TikTok des chinesischen Anbieters ByteDance stehen immer wieder in der Kritik. Fakt ist aber auch: Mit etwa 76 Minuten täglicher Nutzungsdauer im Durchschnitt ist TikTok laut Statista das beliebteste soziale Medium der 18- bis 24-Jährigen in Deutschland – weit vor Instagram und Snapchat.
Immer wieder findet man auf der Plattform auch Wissensangebote. Doch eignen sich die Kurzvideos zum Lernen? Das und wie sich die Inhalte auf das Denken auswirken, hat die Technische Universität Braunschweig in zwei Studien untersucht, die in der Fachzeitschrift „Computers & Education“ veröffentlicht wurden.
Was genau dabei herausgefunden wurde, schauen wir uns gleich einmal genauer an – doch vorher bist du gefragt:
Wissensvermittlung über TikTok: Schnelle Clips, schlechtes Lernen?
Die unterhaltsamen Kurzvideos liefern einen barrierearmen Einstieg in verschiedene Themen und können Interesse wecken – für vertieftes Lernen sind sie aber weniger geeignet, wie die Forscher der TU Braunschweig in ihrer Studie darlegen. Die kurzen Clips fördern demnach ein oberflächliches Verarbeiten von Informationen und eignen sich für die Wissensvermittlung weniger gut als textbasiertes Lernmaterial.
Zu diesem zentralen Ergebnis kam der Pädagoge und Psychologe Thorsten Otto, der in einer ersten Studie 170 Erwachsene im Alter von 18 bis 52 Jahren zu ihrem Kurzvideokonsum, ihrer Fähigkeit zum rationalen Denken und ihrem Lernansatz befragte und testete. Etwa die Hälfte der Teilnehmer waren Studierende. Dabei zeigte sich: Wer viele Kurzvideos konsumiert, schnitt bei einem Test für rationales Denken signifikant schlechter ab.
In einer zweiten Studie untersuchten die Forscher 120 junge Erwachsene im Alter von 18 bis 30 Jahren. Zwei Gruppen sahen zunächst drei Minuten typische Unterhaltungskurzvideos, die beiden anderen nicht. Anschließend erhielten alle denselben Lernstoff, entweder in Textform oder als Kurzvideo. Im anschließenden Quiz schnitt die Textgruppe besser ab als die Kurzvideogruppe. Außerdem zeigte sich: Schon drei Minuten Unterhaltungskurzvideos führten dazu, dass die Teilnehmenden eher einen oberflächlichen Lernansatz verfolgten: Inhalte wurden auswendig gelernt, ohne sie wirklich zu durchdringen oder zu verstehen.
Reiz-Überflutung durch audiovisuelle Effekte
Frühere Studien zeigen, so schreibt der Forscher in seiner Studie, dass wer auf diese Art lerne, oft schlechtere Leistungen erziele.
Zwar solle man die kurzen Clips nicht verteufeln, wie der Pädagoge resümiert – sie können durchaus einen interessanten Einstieg in ein Thema bieten. Allerdings kann es durch die schnellen Schnitte, den Einsatz von Musik und anderen audiovisuellen Effekten schnell zu einer Reiz-Überflutung kommen. Dies könne tiefgehendes Lernen ebenfalls erschweren. „Lehrkräfte, die Kurzvideos in ihren Unterricht integrieren möchten, sollten bei der Auswahl oder Gestaltung auf Elemente verzichten, die eine zusätzliche kognitive Belastung verursachen, wie etwa Untertitel oder ein zu hohes Tempo“, erklärt der Pädagoge und Psychologe in einer Pressemitteilung.
Wer lernt, sollte allerdings auf das Schauen von unterhaltungsorientierten Kurzvideos besser verzichten. Otto gibt einen Tipp, wie das Lernen ohne TikTok funktionieren kann. „Um das zwanghafte Konsumieren von Kurzvideos zu reduzieren, kann es helfen, Push-Nachrichten auszuschalten oder den Schwarz-Weiß-Modus einzustellen, damit die Videos ihren Reiz verlieren“, sagt er. Also in Zukunft wieder: mehr Fokus!
Source: welt.de