Millionen gebunkert: Insolvenzverwalter greift nachdem Benkos Stiftungen

In der Aufarbeitung des Zusammenbruchs der Immobiliengruppe Signa erweisen sich Privatstiftungen mit beträchtlichen Vermögenswerten als Angelpunkt für den Insolvenzverwalter. René Benko, der in Untersuchungshaft sitzende Gründer des vor zwei Jahren kollabierten Konglomerats, profitiert bis heute als mittelbarer Nutznießer von diesen Vehikeln. Vor allem die Laura-Privatstiftung in Österreich und die INGBE-Stiftung in Liechtenstein erregen die Gemüter der Gläubiger. In beiden hat Benko jeweils Vermögenswerte von mehreren Hundert Millionen Euro geparkt. Bisher ist es niemandem gelungen, diese Tresore zu knacken.

Nun prescht der Insolvenzverwalter von Benko als Unternehmer, Andreas Grabenweger, vor. Er verklagt die INGBE-Stiftung in Liechtenstein. „Wir haben eine Leistungsklage auf 50 Millionen Euro und zusätzlich eine Feststellungsklage eingebracht“, sagte Grabenweger der F.A.Z. Nach österreichischem Verständnis sei dies eine Art Schadenersatz, für welchen der Rechtsträger bei erkennbarem Missbrauch einer Stiftung zu haften habe. In diesem Fall sei Geld dem Zugriff der Gläubiger entzogen worden. „Es gibt etliche Hinweise dafür“, sagte Grabenweger.

Im Rahmen einer einstweiligen Verfügung versucht der Insolvenzverwalter, der Stiftung zu untersagen, Transaktionen durchzuführen und auf diese Weise Vermögen abzuziehen. Das Gesamtvermögen der Stiftung wird auf rund 300 Millionen Euro geschätzt. Der Insolvenzverwalter schreibt der INGBE-Stiftung eine andere Funktion zu als der Laura-Privatstiftung: „Die INGBE ist eine Art Privatbank des Herrn Benko.“

Grabenweger beruft sich auf den „umgekehrten Haftungsdurchgriff“, der in Liechtenstein einen eigenständigen Rechtsgrund bildet. Der Fürstliche Oberste Gerichtshof in Liechtenstein hat dieses Instrument entwickelt, um missbräuchliche Gründungen und Mittelverwendungen von Privatstiftungen zu vermeiden.

Ein Schutz vor Gläubigern

Die Gründung einer Privatstiftung in Liechtenstein bildet in der Regel einen wirksamen Schutz vor Gläubigern. Die Melange aus Vermögensschutz, Steuervorteilen und Intransparenz macht den Reiz dieser Stiftungen für wohlhabende Ausländer aus. „Das Hauptmotiv ist in den meisten Fällen, das Vermögen vor dem Zugriff von Gläubigern oder des Staates zu schützen“, sagt der Steuerfachanwalt Helge Schubert von der Hamburger Kanzlei Rose & Partner. Dazu müsse der Stifter aber die Kontrolle über die von ihm gegründete Stiftung an einen Treuhänder und einen Stiftungsrat abgeben. Wie die Vermögenswerte verwendet werden und wer die Begünstigten sind, sei in der Satzung festgehalten, die jedoch gemäß den gesetzlichen Vorgaben nicht veröffentlicht werden müsse.

Im Fall der 2014 gegründeten INGBE-Stiftung ist nur bekannt, dass sie der „Unterstützung der jeweiligen Begünstigten durch Geld und/oder Sachzuwendungen aus den Erträgnissen des Vermögens der Stiftung“ dienen soll. Als Stiftungszweck könnte nach Einschätzung Schuberts unter anderem aufgeführt sein, die angemessene Versorgung und einen gehobenen Lebensstil der Benko-Familienmitglieder sicherzustellen. Auch die Übernahme von Strafverteidigungskosten könnte zum Stiftungszweck gehören. Während deutsche Familienstiftungen der Körperschaftsteuer unterlägen, würden Kapitalerträge aus dem Vermögen einer Stiftung in Liechtenstein gar nicht oder nur sehr gering besteuert.

Kritiker monieren, dass die einflussreichen Liechtensteiner Treuhänder, die die zum Teil sehr komplexen Stiftungsstrukturen entwerfen und hernach gut bezahlt in diese eingebunden sind, zuweilen ein Auge zudrücken, wenn es um die Identifizierung der „wirtschaftlich Berechtigten“ geht, also jener Personen, die im Hintergrund die Fäden ziehen und von etwaigen Ausschüttungen (indirekt) profitieren könnten. Verwaltungs- und Stiftungsräte können zwar schon heute für Pflichtverletzungen haftbar gemacht werden. Doch viele Verfahren verlaufen im Sande. Liechtensteiner Gerichte gewähren teilweise erheblichen Heimatschutz, ohne fragwürdiges Verhalten der heimischen Marktteilnehmer ausreichend zu sanktionieren, sagt ein Fachmann für Stiftungsrecht in Liechtenstein.

Das wirft ein dunkles Schlaglicht auf den Finanzplatz, der zu einem guten Teil vom Diskretionsversprechen seiner Stiftungsvehikel lebt, der sich aber vielleicht nicht so regulieren lässt, um Missbrauch effektiv zu verhindern. Die Staatsanwaltschaft Liechtenstein ermittelt im Umfeld des Falls Benko wegen des Verdachts des betrügerischen Konkurses und der Geldwäsche. Das bestätigte der leitende Staatsanwalt Frank Haun der F.A.Z. Er sprach von „Vorerhebungen“ gegen eine natürliche und eine juristische Person sowie gegen unbekannt. Darüber hinaus wollte Haun sich nicht äußern.

Eine Stiftung als Selbstbedienungsladen

Schon vor ein paar Jahren ist es in Liechtenstein zu spektakulären Betrugsfällen gekommen. Im Juli 2019 verurteilte das Kriminalgericht in Vaduz den Treuhänder Mario Staggl zu sechseinhalb Jahren Haft. Der Liechtensteiner hatte Gelder seiner Kunden zum eigenen Vorteil veruntreut. Der Gesamtschaden summierte sich auf fast 30 Millionen Franken. Ein knappes Jahr zuvor hatte das Kriminalgericht den liechtensteinischen Rechtsanwalt und Treuhänder Harry Gstöhl wegen Betrugs, Veruntreuung, Geldwäsche und eines Verstoßes gegen das Waffengesetz zu zwei Jahren Haft verurteilt. Damit summierte sich Gstöhls Haftstrafe auf acht Jahre. In einem ersten Verfahren war der einst hoch angesehene Treuhänder, der im Nebenberuf einige Jahre als Präsident des Liechtensteiner Verwaltungsgerichts und des Verfassungsgerichts amtiert hatte, schon zu sechs Jahren Haft verdonnert worden. Auch Gstöhl hatte in die Kassen seiner Kunden gegriffen und so einen Schaden von mehr als 40 Millionen Franken verursacht. Diese besonders krassen Fälle zeigen, dass Liechtensteiner Treuhänder Stiftungen bisweilen als eine Art Selbstbedienungsladen verstehen.

Für die liechtensteinische Stiftung im Fall Benko schätzt der Insolvenzverwalter die Chancen als gut ein, an Gelder zu kommen. „Die Entscheidung darüber liegt jedoch immer beim zuständigen Gericht“, sagte Grabenweger.

Während sich im Fürstentum mögliche Chancen eröffnen, den Gläubigern Benkos mehr Geld zu verschaffen, verhält es sich in Österreich anders. Dort gibt es keinen umgekehrten Haftungsdurchgriff. Nicht die Stiftung, sondern Stiftungsorgane können beklagt werden. Mit dem Fall Signa ist nun eine Diskussion über mögliche Reformen des Stiftungsrechts aufgeflammt. Es geht darum, wer letztlich wirtschaftlich die Kontrolle hat und wer wofür haftet. Manche Juristen klagen auch darüber, dass die Kontrollmechanismen lax seien. Nicht alle Beobachter sind jedoch davon überzeugt, dass das Stiftungsrecht die Schwachstelle im Fall Benko gewesen sei.

„Wir haben einen Nachschärfungsbedarf in der österreichischen Privatstiftung“, sagte Susanne Kalss, Vorstand des Instituts für Unternehmensrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien, der F.A.Z. Die Rechtswissenschaftlerin betont, dass die österreichische Privatstiftung eine Erfolgsgeschichte sei. Mehr als zwei Drittel großer österreichischer Familienunternehmen sind in Form einer Privatstiftung organisiert. Es gibt mehr als 3000 Privatstiftungen und nur 1100 Aktiengesellschaften. Als Rechtsform wurde die österreichische Privatstiftung von einer Koalition aus Sozialdemokraten und Konservativen 1993 etabliert, um Unternehmen langfristig beisammenhalten zu können. Doch hält Kalss eine Verbesserung der Kontrolle des Stiftungsvorstands für nötig. Zudem müsse das Änderungsrecht durch den Stifter verbessert werden, um die Stiftung flexibel zu halten.

„Man kann Dinge letztlich geheim halten“

Stiftungen sind auch Instrumente, um Geld vor Gläubigern in Sicherheit zu bringen. Sie sind weniger transparent als Unternehmen. Der Innsbrucker Wirtschaftswissenschaftler Andreas Exenberger sagt, die steuerlichen Vorteile von Stiftungen seien durchaus legitim und nachvollziehbar, doch Stiftungen taugten auch zu missbräuchlicher Verwendung. Österreichische Privatstiftungen könnten einen vollständig eigennützigen Zweck verfolgen, was im internationalen Vergleich eher ungewöhnlich sei. Das spiele auch im Fall Benko eine Rolle, sagt Exenberger, einerseits, um die Aktivitäten stärker als bei rein unternehmerischer Tätigkeit zu verschleiern. „Man kann Dinge letztlich geheim halten, die man bei einem Unternehmen nicht unbedingt geheim halten könnte.“

Andererseits könne man Geld vor Gläubigern auch in Sicherheit bringen, sofern man dies rechtzeitig tue. Der Signa-Kollaps markiere einen Tiefpunkt, und der Gesetzgeber sei gefordert, das Stiftungsrecht nachzuschärfen, sagt Exenberger. Tatsächlich lassen sich in einer Stiftung Geheimnisse wahren, weil die Publizitätspflicht – im Gegensatz zu Unternehmen – entfällt.

In Österreich geht es um die Benko-nahe Laura-Privatstiftung, in der ebenfalls beträchtliche Vermögenswerte gebündelt wurden. Dort ist die Mutter von Benko die Begünstigte. Sie kann als pensionierte Kindergärtnerin aber selbst unmöglich das Stiftungsvermögen erwirtschaftet haben. Zugleich hat sie aus der Stiftung beträchtliche Mittel entnommen, um den teuren Lebenswandel des Sohnes – des eigentlichen Stifters – zu finanzieren. Das hält Insolvenzverwalter Grabenweger für fragwürdig: „Das heißt, der Stifter holt sich das Geld über die Stiftungskonstruktion und über die Mutter wieder zurück, ohne dass seine Gläubiger darauf zugreifen können. Dafür sollte eine Stiftung nicht errichtet werden.“

Aus Sicht der WU-Professorin Kalss ist die Laura-Stiftung im Fall Benko aber kein Problem des Stiftungsrechts. Für sie ist das ein allgemeines zivilrechtliches Thema. „Im Grunde hat der Herr Benko ein Problem damit und nicht die Stiftung“, sagt Kalss. Benko war ursprünglich Stifter und auch Mitglied des Beirats und hat in der Zwischenzeit seine Stifter- und Beiratsrechte aufgegeben. Problematisch sei, dass er trotz des Rückzugs offenbar für die Stiftung gehandelt habe. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass Herr Benko für die Stiftung auch aufgetreten ist, wenngleich die Unterschrift Vorstandsmitglieder geleistet haben. Das ist ein Faktum, aber gerichtlich festgestellt ist das bisher auch noch nicht.“

Stiftungsvermögen ist vor dem Insolvenzverwalter nicht sicher

Auch Johannes Zollner, Professor für Unternehmensrecht an der Universität Graz, sieht im Fall Benko weniger das Stiftungsrecht in Bedrängnis. „Vermögensverschiebungen, die ein späterer Schuldner vor seiner Insolvenz gemacht hat, können rückgängig gemacht werden, egal, ob der Empfänger jetzt eine Stiftung, eine natürliche Person oder irgendeine andere juristische Person ist“, sagt Zollner.

Dass Schuldner versuchten, Vermögenswerte vor dem Zugriff ihrer Gläubiger beiseitezuschaffen, passiere häufig durch eine unentgeltliche Übertragung an nahestehende Personen, aber mitunter auch an andere Rechtsträger im In- und Ausland, sagt Zollner. Dieses Phänomen sei dem Gesetzgeber bekannt, dagegen könne man unter anderem über das Anfechtungsrecht vorgehen. Das gelte auch für in Stiftungen eingebrachte Vermögenswerte. Damit sei die Signa-Insolvenz kein speziell stiftungsrechtliches Thema. Vielmehr sei es bloß eine Facette in der Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen. Erachte man die bestehenden Regelungen als zu lax, dann müsse man diese Instrumente allgemein nachschärfen. „Einer Korrektur des Stiftungsrechts bedarf es aber dafür nach meiner Meinung nicht“, sagt Zollner.

Stiftungsvermögen ist demnach vor dem Insolvenzverwalter nicht sicher. „Gläubiger haben Vorrang gegenüber Begünstigten“, stellt Kalss klar. Neben Stiftungsrecht und Insolvenzrecht bleibe das Zivilrecht, damit Gläubiger an das Vermögen der Stiftung kommen. Aber es geht um Beweise in der Frage, wer tatsächlich die Kontrolle ausgeübt hat. Wenn der Nachweis gelinge, dass der faktische Geschäftsführer für die Stiftung eine Garantie oder eine Bürgschaft abgegeben hat, dann könnten aus der Erfüllung oder Verletzung dieser Vertragsbeziehung durchaus Ansprüche geltend gemacht werden. Das könnten auch Geldgeber, die direkt in einer Vertragsbeziehung stünden, beispielsweise mit Krediten, sagt die Professorin. Schließlich gab es im Signa-Reich rund tausend Gesellschaften – und es gab ein reges Geldkarussell – auch unter Einbezug von Stiftungen.

Kalss betont, dass dies kein stiftungsrechtliches Thema, sondern ein allgemeines zivilrechtliches Problem sei. „Herr Benko hat sich ja auch nicht ans GmbH-Recht gehalten, hat sich nicht an das Unternehmensgesetzbuch gehalten, hat sich systematisch an viele andere Regelungen nicht gehalten.“ Sie bezieht sich auf Einzelgesellschaften, in denen durch Bewertungen von Immobilien eine unwahrscheinliche Wertvermehrung in der Bilanz stattgefunden hat. „Es gab keine Konsolidierung, und dadurch war das viel schwerer sichtbar. Das ist das viel gravierendere Problem“, sagt Kalss.

Sie kritisiert, dass für Stiftungen eine gesetzliche Kontrolle nur marginal angelegt sei und dass der oberste Gerichtshof eine starke Kontrolle durch einen Beirat erschwere. Im Fall Benko aber hätten auch solche Korrekturen nichts geholfen. Auch unter geltendem Recht hätten „kein Vorstandsmitglied, kein Beiratsmitglied oder Aufsichtsratsmitglied in den Signa-Gesellschaften sich gefallen lassen dürfen, dass Herr Benko immer alles angeordnet hat“, sagt Kalss.

Insgesamt verzögert die komplizierte Stiftungskonstruktion das Verfahren und mindert die Aussicht der Gläubiger auf zeitnahe und angemessene Befriedigung. Der mit Milliardenforderungen konfrontierte Insolvenzverwalter Grabenweger sieht für das österreichische Stiftungsrecht durchaus Reformbedarf, „um das Prinzip des Vermögensschutzes in Missbrauchsfällen zu lockern“. Für das liechtensteinische Recht will er sich nicht äußern. Doch er schätzt die Aussichten als gut ein, an das dort gebündelte Vermögen heranzukommen.

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