Milliardenmarkt: Das Geschäft mit Schönheit boomt

Stand: 16.11.2025 08:34 Uhr

Ob Botox gegen Falten oder Hyaluron für volle Lippen – ästhetische Behandlungen sind gefragter denn je. Immer mehr Menschen investieren nicht nur Zeit, sondern auch viel Geld in ihr Äußeres. Was treibt den Trend an?

Im Schönheitszentrum Frankfurt herrscht an Wochentagen reger Betrieb. Kunden und Kundinnen unterschiedlichen Alters warten auf ihren Behandlungstermin. Rund 50 verschiedene Behandlungen werden angeboten, darunter Nasenkorrekturen, Gesichtsmodellierung und minimalinvasive Eingriffe zur Faltenreduktion wie „Barbie Botox“, „Erdbeerkinn-Behandlung“, oder „Vampir-Lifting“. Die Kosten dafür liegen zwischen 150 Euro und 3.600 Euro, je nach Umfang und Behandlungsart.

Zahlungsbereitschaft ist groß

Zu teuer sei dies für seine Kunden nicht, erklärt Omid Akrami, Inhaber des Frankfurter Schönheitszentrums. „Viele unserer Patientinnen und Patienten sehen ästhetische Behandlungen als Investition in ihr Wohlbefinden und Selbstbewusstsein.“

Dass die Zahlungsbereitschaft für ästhetische Behandlungen groß ist, bestätigt auch Helge Jens, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC): „In vielen Praxen bewegen sich die jährlichen Ausgaben pro Patient im Bereich von etwa 800 bis 1.000 Euro.“

Schönheitssalons erleben Nachfrage-Boom

Schönheitssalons erleben zurzeit einen regelrechten Nachfrage-Boom. Seit 2020 steigt die Anzahl von Schönheitsoperationen stetig an. Deutschland gehörte mit rund 626.200 Schönheitsoperationen im Jahr 2024 zu den zehn Ländern mit den meisten ästhetisch-plastischen Eingriffen weltweit. Auch Akrami beobachtet diesen Trend in seiner eigenen Praxis und spricht von einer deutlich gestiegenen Nachfrage nach ästhetischen Behandlungen.

Meistens handele es sich um minimal-invasive Eingriffe – also Behandlungen, die ohne Operation durchgeführt werden, sagt er. Über die Hälfte der Behandlungen konzentrierten sich auf den Gesichtsbereich. Helge Jens wundert das nicht: „Der Großteil der Patienten ist zwischen 31 und 50 Jahren und die Alterung ist zunächst im Gesicht am deutlichsten sichtbar, deshalb wird hier auch am häufigsten behandelt.“

Auch fernab der Salons kümmern sich die Menschen zunehmend um ihr Erscheinungsbild. Beauty-Rituale finden häufig in den eigenen vier Wänden statt. Produkte wie LED-Gesichtsmasken, Massage-Steine fürs Gesicht, Gesichts-Gurte und Beauty-Drinks sollen im Alltag zu einer straffen und makellosen Haut verhelfen, so das Versprechen der Hersteller.

Oft gehe es auch darum, sich selbst etwas Gutes zu tun, erklärt Akrami. „Viele Patientinnen und Patienten betrachten ästhetische Behandlungen heute als Teil der persönlichen Gesundheits- und Selbstfürsorge.“

Schönheitsbedürfnis in Krisenzeiten

Dominik Groß, Vorsitzender des Klinischen Ethik-Komitees des Universitätsklinikums Aachen, führt das gesteigerte Schönheitsbedürfnis in erster Linie auf die weltweiten Krisen zurück: „Ich denke tatsächlich, dass krisenhafte Situationen in der Welt und der Eindruck, dass die Welt auseinanderfällt und man hilflos zuschauen muss, die Tendenz verstärken, sich auf sich selbst zu beziehen.“

Auch Helge Jens hält diesen Zusammenhang für denkbar und verweist auf ein vielfach untersuchtes wirtschaftliches Phänomen: „Wenn dann die Welt um uns herum unsicherer wird, steigt oft der Fokus auf das eigene Aussehen“, so der Chirurg. „Ich kenne das unter ‚Lipstick Effect‘ – ein Phänomen, bei dem Menschen in wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Krisen stärker in Beauty, Pflege oder kleine ästhetische Aufwertungen investieren.“

Schönheit wirke dann wie Kontrolle. „Das haben wir schon während der Corona-Krise feststellen können.“

Social Media befeuert die Industrie

Rund um das Bedürfnis nach Schönheit ist in den vergangenen Jahren eine milliardenschwere Industrie entstanden. Die Schönheits-Branche ist Schätzungen von McKinsey zufolge rund 580 Milliarden Dollar wert, bis 2027 wird ein Wachstum von etwa sechs Prozent erwartet. Damit würde die Schönheitsindustrie stärker wachsen als manch andere Wirtschaftszweige, wie etwa die Automobilindustrie.

Ein Teil des Erfolges ist auch auf die zahlreichen Influencer zurückzuführen, die auf Social-Media-Plattformen wie TikTok, Instagram oder Youtube neueste Beauty-Produkte präsentieren und bewerben. Die Zahlen der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie der vergangenen fünf Jahre bestätigen, dass die Sozialen Medien einen stetig steigenden Einfluss auf das Selbstbild junger Menschen haben.

Für das Jahr 2025 wurde der bisher höchste Wert gemessen. Fast jeder vierte Patient führte seine Behandlung auf eine gewisse Beeinflussung durch Social Media zurück.

Schwerwiegende Folgen – und fehlerhafte Eingriffe

Professor Groß beobachtet diese Entwicklung kritisch und warnt vor schwerwiegenden Folgen: „Es führt zu einem übersteigerten Wettbewerbs-Klima, bei dem vor allem junge Menschen das Gefühl haben, nicht mehr zu genügen und nicht außergewöhnlich und speziell genug zu sein. Und genau das erhöht die Bereitschaft, sich körperlich modifizieren zu lassen.“

Mit der steigenden Nachfrage wächst auch die Zahl unqualifizierter Anbieter. Viele führen ästhetische Eingriffe ohne entsprechende Facharztausbildung durch – ein Risiko, das die DGÄPC deutlich kritisiert. „Wir sehen immer häufiger Patientinnen und Patienten mit Komplikationen nach fehlerhaften Eingriffen, häufig durch nicht spezialisierte Behandler. Das ist aus Patientensicht und vor allem für die Patientensicherheit nicht hinnehmbar“, so Helge Jens.

Die Gesellschaft fordert für ästhetische Behandlungen und Operationen deshalb im Sinne des Patientenschutzes eine Facharztpflicht, wie es andere Länder bereits umsetzen.

Source: tagesschau.de