In der erhitzten Debatte über die Migrationspolitik hat sich Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen dafür ausgesprochen, das Asylrecht in seiner bestehenden Form abzuschaffen. Dem Handelsblatt sagte der CDU-Politiker: „Das individuelle Recht auf Asyl ist im Grundgesetz nicht mehr nötig, weil wir nach den Regeln der Genfer Flüchtlingskonvention ohnehin Menschen, die verfolgt werden, Schutz gewähren.“ Deshalb befürworte er, „im Grundgesetz die Genfer Flüchtlingskonvention als Institutsgarantie zu verankern“.
Stübgen, der auch amtierender Vorsitzender der Innenministerkonferenz ist, macht den Vorschlag wenige Tage vor der Landtagswahl in seinem Bundesland, bei der Umfragen einen Sieg der AfD möglich erscheinen lassen.
Ohne das Asylrecht wäre es möglich, Flüchtlingskontingente einzuführen, erklärte Stübgen. „Wir entscheiden dann, wer in unser Land kommt. Und wir können festlegen, in welchem Ausmaß wir Migranten aufnehmen und integrieren können.“ Aus der Union waren bereits ähnliche Vorschläge laut geworden. Die Chancen auf eine Grundgesetzänderung schätzt Stübgen aber anscheinend nicht als hoch ein: „Deshalb konzentrieren wir uns jetzt auf das Machbare.“
Angriff auf die Außenministerin
Der Minister forderte außerdem, eine nationale Notlage auszurufen, damit Schutzsuchende an den Grenzen zurückgewiesen werden könnten. Er sei überzeugt, dass dies rechtlich möglich ist, auch wenn die Zahlen der Neuankömmlinge derzeit rückläufig seien, sagte er der Zeitung. „Die Belastungen sind nicht mehr zu stemmen.“ Damit die Zurückweisungen erfolgreich sind, müssten Verhandlungen mit den Nachbarländern geführt werden.
Stübgen griff auch Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen an. Er würde empfehlen, dass Baerbock „etwas weniger nach Israel fliegt und etwas mehr mit unseren Nachbarländern darüber redet, wie damit umgegangen wird, wenn wir eine Notlage erklären“. Aus Polen und Österreich war bereits deutliche Kritik an möglichen Zurückweisungen von Asylbewerbern an deren Grenzen zu Deutschland geübt worden, die die Union seit Längerem fordert.
Bisherige Praxis ist, dass bei Asylbewerbern an den Grenzen festgestellt wird, ob sie bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben oder hätten stellen können. Nach dem sogenannten Dublin-Verfahren innerhalb der EU könnten sie dann mit Einverständnis dieses Landes dorthin zurückgeführt werden. Allerdings wird diese Zustimmung häufig nicht erteilt, und die Schutzsuchenden bleiben in Deutschland.
Grünenchef kritisiert Grenzkontrollen
Die Grünen-Spitze kritisierte unterdessen die Grenzkontrollen, die seit Anfang der Woche an allen deutschen Grenzen stattfinden. Der Parteivorsitzende Omid Nouripour sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, die Kontrollen der deutschen Grenzen sollten „keinen Tag länger als nötig dauern“. An der 4.000 Kilometer langen Grenze „stauen sich nicht Menschen, sondern Lastwagen“. Das gefährde die Lieferketten und überfordere die unterbesetzte Bundespolizei.
Auch die Auswirkungen in den Grenzregionen seien massiv, wo viele Menschen mal kurz zum Einkaufen oder für einen Sonntagsausflug an die polnische Ostsee nach Swinemünde oder nach Straßburg fahren.
Die Bundesregierung, an der die Grünen beteiligt sind, hatte die bereits laufenden Grenzkontrollen im Osten und Süden des Landes am Montag auf alle Landgrenzen ausgeweitet. Die Kontrollen sollen unerwünschte Migration und Kriminalität eindämmen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte versprochen, dass Pendler nicht mit größeren Verkehrsstörungen rechnen müssen. Stationäre Grenzkontrollen sind im Schengenraum nicht vorgesehen.