Wer einen Neuwagen kaufen will, macht sich in der Regel vor dem Gang ins Autohaus über den Preis des Fahrzeugs kundig. Der Listenpreis für das Auto dient als eine Art Orientierungsgröße. Denn ohne ein bestimmtes Limit kann man schnell mehr ausgeben, als man wollte. Der Autohersteller Mercedes-Benz kündigte nun vor Kurzem an, keine Listenpreise mehr offensiv und gut sichtbar für die Fahrzeuge mit dem Stern zu veröffentlichen.
Neuerdings wird im Internet und bei den Händlern nur noch der aktuelle Kaufpreis ausgewiesen, wie ein Unternehmenssprecher mitteilt. „Grundlage ist ein zum jeweiligen Zeitpunkt in ganz Deutschland geltender Preis je Fahrzeugmodell, Kundengruppe, Ausstattung und Zahlungsart mittels zentraler Preisgestaltung.“ Damit hätten die Kunden eine hervorragende Angebotstransparenz und erhielten jederzeit, über alle digitalen und physischen Kontaktpunkte hinweg, einen „attraktiven“ Preis. „Aufwendige Preisvergleiche entfallen.“
Rabatte mit dem einzelnen Händler aushandeln, um den Kaufpreis des Neuwagens zu senken, ist bei Mercedes-Benz schon länger nicht mehr möglich. Die Schwaben hatten schon im vergangenen Jahr auf das Agenturmodell beim Vertrieb umgestellt. Somit agiert der Händler als Vermittler und bekommt beim erfolgreichen Verkauf eine Provision.
Die Transparenz leidet laut ADAC
Was Mercedes-Benz als mehr Transparenz für den Kunden bewertet, wird beim ADAC durchaus kritisch bewertet. Ein ADAC-Sprecher sagt: „Ohne Preislisten und feste Listenpreise ist es für Verbraucher kaum ersichtlich, ob und wie viel Nachlass sie beim Autokauf erhalten. Der Vergleich mit anderen Modellen wird erschwert, die Recherche nach einem Neuwagen unübersichtlicher, zumal viele Onlinekonfiguratoren nicht sehr bedienerfreundlich sind.“ Wirklich kaufentscheidend dürften fehlende Preislisten allerdings nur selten sein, da sich die meisten Kunden ohnehin im Internet informierten und sie dort stets aktuelle Preise vorfänden.
Nach Angaben des Automobilklubs verzichten mehrere Hersteller schon seit einiger Zeit darauf, Preislisten und Broschüren in gedruckter Form bereitzustellen. Bei vielen könnten die entsprechenden Unterlagen im Internet heruntergeladen werden. BMW habe dies vor Kurzem wieder eingeführt.
Privatkäufer von Neuwagen bezahlten im Durchschnitt im vergangenen Jahr in Deutschland 44.630 Euro für ein Fahrzeug, wie aus dem aktuellen DAT-Report hervorgeht. Ein rein batterieelektrischer Neuwagen kostete mit durchschnittlich 50.060 Euro rund 15.000 Euro mehr als ein neuer Benziner.
Listenpreis entscheidend für die Steuer
Der Listenpreis ist vor allem für gewerbliche Autokäufer eine wichtige Angabe, weil er bei Nutzern von Dienstwagen zum Beispiel im Zuge der Versteuerung des geldwerten Vorteils eine Rolle spielt. Bei Mercedes-Benz ist er nicht ganz so einfach zu finden. Er werde weiterhin in einer Fußnote einsehbar bleiben, teilt der Sprecher des Konzerns mit.
Er wird aber auch für Abschreibungen und Flottenkosten-Berechnungen benötigt. Für das Finanzamt ist der Listenpreis bei der Zulassung ausschlaggebend. Der Verkäufer lebt aber nicht nur von seiner Provision, sondern auch von den anderen Leistungen, die er anbietet: Garantieerweiterungen, Versicherungen und die Finanzierung.
Das Agenturmodell im Vertrieb von Autoherstellern scheint auch skeptisch bewertet zu werden. Der Vizepräsident vom Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes, Thomas Peckruhn, erklärt allgemein: „Wir sind nach wie vor nicht grundsätzlich gegen ein Agentursystem, solange es für Auskömmlichkeit sorgt.“ Wenn der Hersteller ein neues Geschäftsmodell einführe, dürfe es nicht auf Kosten und zulasten des Handels gehen. Als Geschäftspartner müsse dieser weiterhin sein Auskommen haben, und es müsse genau geklärt sein, welche Aufgaben er habe und was vergütet werde.
Der Verband habe immer wieder betont, dass ein echtes Agentursystem dafür geeigneter sei als ein unechtes Agentursystem. „Bei Letzterem sind die finanziellen Risiken für den Handel nicht absehbar. Unsere bisherigen Erfahrungen bestätigen dies.“ Bevor Mercedes-Benz den neuartigen Vertrieb in Deutschland einführte, wurde schon zuvor in anderen Märkten umgestellt.