Meinung | Wahl-Ergebnis in Berlin: Rot-Grün-Rot trotz komfortabler Mehrheit abgewählt?

Bevor die Wahllokale schlossen, war zu lesen, Infratest dimap habe extrem niedrige Zustimmungswerte für die Berliner Landesregierung gemessen. Die wurden im Schlechten nur zwei Mal, seit es diese Umfragen gibt, übertroffen. In anderen Bundesländern. Das war keine gute Ausgangslage, aber in gewisser Weise eine konsequente Fortschreibung des Berliner Versuchs, in möglichst vielerlei Hinsicht Einzige, Erste oder eben Letzte zu sein. Mit der Wahl am 12. Februar gelang dieser Hattrick. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik musste eine Wahl wiederholt werden, es gab wirklich niedrige Zustimmung für die, die weiterregieren wollen, und mit 63,5 Prozent eine bedauerlich, aber erwartbar geringe Wahlbeteiligung.

Gerade mal 24 Prozent der Wahlberechtigten zeigten sich eine Woche zuvor mit ihrem Senat zufrieden. Die Wahlsiegerin CDU hat daraus mit 28,2 Prozent (10 Prozent mehr als 2021) einen Sieg gewebt, der sich laut Umfragen trotzdem auf gerade mal gut 30 Prozent stützt, die der Meinung sind, sie könne es besser. 52 Prozent sagen: Nö, kann sie nicht. Aber Erfolge sind schon aus weitaus schlechteren Ausgangslagen gestrickt worden. Und wer die Farbkarte der Wahlkreise nach Erststimmen anschaut, sieht: Rot-Grün-Rot ist eine Innenstadtregierung, umgeben von einem großen, blauen CDU-Meer jenseits des Rings. Irgendwas ist also wirklich verdammt schiefgelaufen.

Erststimmenmehrheit in den Wahlkreisen, Vorläufiges Ergebnis, 13.02.2023

Der Landeswahlleiter Berlin/Amt für Statistik Berlin-Brandenburg

In der coolen Stadt Berlin, auch das gehört zur Wahrheit, sollen rund 23 Prozent der Wahlberechtigten ihre Entscheidung davon abhängig gemacht haben, wer am besten für Ordnung und Sicherheit sorgen kann. Franziska Giffey hatte also 2021 auf das richtige Pferd gesetzt, als sie ihr Steckenpferd Innere Sicherheit ritt. „Unsere Regierende“ (O-Ton Wahlplakat) sah denn auch geradezu ikonografisch wie eine Frau aus, bei der ein Kamm nie neben der Butter liegt.

Große Verliererin SPD

Eine Nachricht des Abends ist: Rot-Grün-Rot oder Grün-Rot-Rot verfügen über eine komfortable Mehrheit, die größer ist, als die einer schwarz-grünen oder schwarz-roten Koalition. Aber das ist überhaupt kein Garant für eine Fortsetzung der bisherigen Koalition. Der CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner wird den Grünen und der SPD ein Angebot unterbreiten, und das ist sein gutes Recht als Wahlsieger. Schwarz-Grün wird die Republik, hier ist sie es schon. Auf dem Nachttisch die Bibel und der Manufaktum-Katalog“, sang Rainald Grebe 2011. Gut möglich, dass Bibel und Katalog nun zusammenkommen. Auch wenn Franziska Giffey am Wahlabend schwarz-rot trug. Aber sie ist die ganz große Verliererin und CDU-Kai Wegnner mag das vielleicht nicht.

Wie es auch immer kommen wird: Berlin ist eine ziemlich dysfunktionale Stadt, in der man vermodert, bevor die Sterbeurkunde ausgestellt ist, und die zugleich so etwas Großartiges wie einen erfolgreichen Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ – den die regierende SPD gern wegzaubern würde – zuwege bringt, nachdem die Mieten innerhalb von 20 Jahren um 159 Prozent gestiegen waren.

Das Wahlergebnis vom 12. Februar wirkt wie die müde Anerkenntnis, dass gerade niemand für einen wirklich guten Wurf steht.

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