Meinung | Karlsruhe erlaubt Wiederholungswahl in Berlin erstmal: Abstimmung auf Probe

Wundern Sie sich als Berliner:in manchmal auch, dass sich bei der Baustelle nebenan nichts rührt? Ärgern Sie sich, monatelang auf Ihren neuen Personalausweis warten zu müssen, weil die Verwaltung immer noch nicht aufs digitale Laufband gesetzt wurde? Über die Schwerfälligkeit der Berliner Verwaltung ist viel gelästert worden, aber die Pannen bei der Wahl im September 2021 erreichten eine neue Qualität und waren so desaströs, dass der Berliner Verfassungsgerichtshof sie für ungültig erklärte. Am 12. Februar steht die Wiederholungswahl an.

Dagegen hatten 40 Berliner Bürger:innen, darunter betroffene Abgeordnete, beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geklagt und einen Eilantrag gestellt, die Wiederholungswahl auszusetzen. Sie begründeten dies damit, die Berliner Richter hätten sich eigenmächtig über die Karlsruher Grundsätze der Wahlprüfung hinweggesetzt. Ob Karlsruhe dem im Grundsatz folgt, ist noch nicht ausgemacht, das Hauptverfahren steht aus. Die nun mit Spannung erwartete Entscheidung betraf lediglich den Eilantrag. Hätten ihm die Richter:innen stattgegeben, müsste die angelaufene Briefwahl abgeblasen werden und 35 Millionen Euro verschwänden im Orkus. Das BVerfG nahm den Antrag nicht an. Uff, Erleichterung beim Landeswahlleiter: Alles geht seinen Gang.

Derweil jongliert die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) schon mal mit den neuen Koalitionsmöglichkeiten, grenzt sich ab von ihren Bündnispartnern, Grünen und Linken, und zwinkert mit der Ampel. Das ist nicht neu, nur wurde sie im September von ihrer Parteibasis zurückgepfiffen. Dieses Mal könnte sie sich durchsetzen – vorausgesetzt, dass sie darüber zu entscheiden hat. Dazu müsste sie die gleichauf liegende Grüne Bettina Jarasch überholen und der in Umfragen als Spitzenreiter geltende Kai Wegner (CDU) totgesiegt und ohne Koalitionsoption im Regen stehen. Ob das dann gewählte Abgeordnetenhaus allerdings von Dauer sein wird, steht in den Sternen. Folgt das BVerfG in der Sache den Kläger:innen, wäre es wieder Makulatur. Aber so etwas sind wir duldsamen und Chaos-geübten Berliner:innen gewohnt.

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