Das Herzstück der Anlagen zur Erzeugung von grünem Wasserstoff wird von sofort an in Hamburg produziert. Das Unternehmen Quest One eröffnete am Montag im Stadtteil Rahlstedt ein Werk, in dem es Stacks für Elektrolyseure seriell und automatisiert herstellen will. Bis zum kommenden Jahr will das Unternehmen ein Fertigungsvolumen von einem Gigawatt schaffen, bis 2030 sollen dann jedes Jahr fünf Gigawatt vom Band laufen. Quest-One-Chef Robin von Plettenberg sprach vor mehr als 800 Gästen von „einem der weltweit modernsten Standorte für die Erforschung, Entwicklung und Fertigung von Elektrolysetechnologie in Europa“. Die PEM-Elektrolyse gilt als eines der wichtigsten Verfahren für die Gewinnung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien.
Bislang war das Unternehmen als H-Tec Systems bekannt. Der neue Name soll sein Ziel verdeutlichen: „One“ steht für das Ziel, mit der eigenen Technik bis 2050 ein Prozent der globalen CO2-Emissionen vermeiden helfen zu wollen. Das wiederum sei eine „Quest“, sagte von Plettenberg, eine „Mammutaufgabe“ und „ein Riesenansporn“. Die Anfänge gehen zurück auf ein 1997 gestartetes Wissenschaftsprojekt. Mittlerweile hat das Unternehmen 550 Beschäftigte. Davon sind rund 350 Beschäftigte in Augsburg mit der Herstellung von Elektrolyseuren befasst, während in Hamburg rund 200 Mitarbeiter die Stacks herstellen, das Herzstück der Anlagen.
Automatisierung statt Handarbeit
Bis zu 500 Millionen Euro investiert MAN Energy Solutions in die neue Fabrik und den Markthochlauf der nächsten Jahre. Mit dieser Zusage ist Quest One im Jahr 2021 zu einer fast 100-prozentigen Tochtergesellschaft von MAN Energy Solutions geworden und somit auch Teil des VW-Konzerns. Quest One erwartet, von der Nähe zu diesen beiden Konzernen profitieren zu können – sei es mit Blick auf ein globales Vertriebsnetz, Erfahrung in der Schwerindustrie oder die Skalierung der Produktion. Der Hochlauf hängt indes nicht nur von der Nachfrage ab, sondern auch vom Gelingen der Serienfertigung. Bisher werden die Brennstoffzellen in Handarbeit zu Stacks verarbeitet, was mehrere Stunden dauert. Mit der Automatisierung in der neuen Fabrik soll sich dieser Prozess auf 45 Minuten verkürzen.
Die deutsche Industrie ist in den kommenden Jahren dringend auf grünen Wasserstoff angewiesen, um ihre Werke zu dekarbonisieren. Der Bedarf etwa für die Düngemittel- und Stahlproduktion oder die Luft- und Schifffahrt sei enorm und steige massiv, betonte von Plettenberg. Analysten sähen den Markt bis 2050 auf 500 bis 600 Millionen Tonnen je Jahr anwachsen. Der Großteil des deutschen Bedarfs soll in Zukunft importiert, ein kleiner Teil aber auch in Deutschland produziert werden – hier kommen die Stacks aus Hamburg ins Spiel. Wie groß die Hoffnungen sind, die auf dem Werk ruhen, zeigte sich auch an der großen Prominenz, die am Montag in den Norden gereist war. Bundeskanzler Olaf Scholz lobte das Projekt als „echten Meilenstein für den raschen Wasserstoffhochlauf in Deutschland“, Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher sieht seine Stadt auf dem Weg zum „führenden Wasserstoffstandort in Deutschland“.
EU-Regeln gegen China
Dabei droht Europa seine Wettbewerbsvorteile einzubüßen und hinter China und die USA zurückzufallen. Die Strategieberatung BCG beschreibt in einer noch unveröffentlichten Studie, die der F.A.Z. vorliegt, dass die europäische Wasserstoffindustrie aktuell noch von fortschrittlicher Materialwissenschaft, durchgängiger Systemeffizienz und einer höheren Lebensdauer der Anlagen zehrt. Die bessere Qualität der einzelnen Komponenten führe dazu, dass westliche Elektrolyseure grünen Wasserstoff noch um zehn bis 15 Prozent günstiger produzieren könnten als die Konkurrenz aus China. Schon in drei bis fünf Jahren könnten ausländische Anbieter die europäische Industrie aber in Sachen Kosten, Qualität und Leistung übertreffen, warnt BCG. In China seien in den vergangenen Jahren dank gezielter Förderung rund 1000 neue Patentfamilien entstanden – etwa dreimal mehr als in Europa.
Die EU-Kommission wehrt sich auch mit protektionistischen Maßnahmen gegen die zunehmende Konkurrenz und erschwert den Zugang zu Komponenten aus China, wie am Montag bekannt wurde. Projekte, die in der 1,2 Milliarden Euro schweren zweiten Auktion der europäischen Wasserstoffbank Anfang Dezember den Zuschlag für eine Förderung erhalten, dürfen demnach nicht mehr als 25 Prozent ihrer Elektrolyse-Stacks aus China beziehen.