Mehr Rentner, weniger Arbeitskräfte: Kluft zwischen Stadt und Land immer größer

Geht man von einer auch künftig recht hohen Zuwanderung nach Deutschland aus, dann wächst die Bevölkerungszahl hierzulande trotz der Alterung der heutigen Gesellschaft weiter an. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) erwartet auf solcher Grundlage für das Jahr 2045 eine Einwohnerzahl von 85,5 Millionen, 800.000 mehr als im vergangenen Jahr. Das zeigt eine neue Bevölkerungsprognose, die das Institut am Mittwoch veröffentlicht hat. Trotz des erwarteten Wachstums der Ge­samt­be­völ­ke­rung wird auch unter diesen Annahmen mit einer schrumpfenden Ar­beits­kräf­te­ba­sis und deutlich mehr Rentnern gerechnet.

Für die nähere Analyse stützt sich die neue Projektion auf Bevölkerungsdaten des Jahres 2021 als Basis und vergleicht diese mit der erwarteten Entwicklung bis 2045. Die Bevölkerung in der Altersgruppe zwischen 20 und 67 Jahren schrumpft demnach in dieser Zeit von 51,4 Millionen um 2 Prozent, das wären gut eine Million Personen. Hingegen wächst die Grup­pe der über 67-Jährigen von zuvor 16,4 Millionen um 13,6 Prozent oder 2,2 Millionen Personen. Auch für die unter 20-Jährigen weist die Projektion einen Anstieg aus: von zuvor 15,4 Millionen um 7 Prozent.

Stadt und Land entwickeln sich gegenläufig

Im Mittelpunkt der Untersuchung steht für das Bau-, Stadt- und Raumforschungsinstitut, wie sich die Bevölkerung und deren Struktur in den einzelnen Regionen entwickeln, um daraus etwa Anforderungen an die Infrastrukturplanung abzuleiten. Da­tengrundlage ist die Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts von 2022, die wie ihre früheren Fassungen Prognosen für eine Vielzahl von Annahmevarianten enthält.

BBSR Bonn 2024

Abweichend von der zumeist verwendeten mittleren Variante des Statistischen Bundesamts, die für eine jährliche Nettozuwanderung von 250.000 Personen berechnet ist, nimmt das BBSR aber eine höhere Zuwanderung an, wie es darlegt: Mit langfristig gut 300.000 Personen pro Jahr bewege sich seine Annahme zwischen jener mittleren Variante und der Variante mit hoher Zuwanderung, für die das Statistische Bundesamt 350.000 unterstellt. Das Bundesamt wiederum hatte seine Annahme für die moderate Variante zuvor schon von 200.000 auf 250.000 erhöht.

Von bundespolitischer Bedeutung sind solche Prognosewerte unter anderem im Hinblick auf die Rentenpolitik. Denn die Stabilität der gesetzlichen Rentenversicherung hängt stark davon ab, wie sich die Gesamtzahl der Rentner im Verhältnis zu jener der beitragspflichtig Beschäftigten ent­wickelt. Für Fragen der Raum- und Infrastrukturplanung, die das BBSR im Fo­kus hat, ist indes ein differenzierter Blick auf regionale Entwicklungen von besonderem Interesse.

In dieser Hinsicht ist der Hauptbefund seiner Analyse, dass sich städtische und ländliche Regionen noch weiter auseinanderentwickeln werden als bisher: Während für Großstadtregionen nicht nur mit einer insgesamt wachsenden Bevölkerung gerechnet wird, sondern auch mit einer moderaten Zunahme der Erwerbsbevölkerung, erwartet das Institut für weite Regionen der östlichen Länder ein verschärftes Schrumpfen. In der Folge dürfte dort das Durchschnittsalter der Bevölkerung bald über 50 Jahre steigen, während es sich im Bundesdurchschnitt um 45 Jahre bewegt.

Für Kreise wie Mansfeld-Südharz (Sach­sen-Anhalt), Greiz (Thüringen) und Spree-Neiße (Brandenburg) erwartet das BBSR einen drastischen Rückgang der Erwerbsbevölkerung um mehr als 30 Prozent. Dagegen stehe etwa München, Leipzig, Berlin und Potsdam eine Zunahme um mehr als 10 Prozent in Aussicht. Zugleich wird es damit für diese und ähnliche Städte noch schwieriger, das Angebot an Wohnungen, Schul- und Kitaplätzen dem Bedarf anzupassen: Für München, Landshut, Freiburg, Berlin und Leipzig sagt die Prognose einen Anstieg der Zahl der Kinder und Jugendlichen um ein Fünftel oder mehr voraus. In vielen ländlichen Regionen im Osten dürften deren Zahl hingegen um 15 Prozent oder noch stärker sinken.

Ja nach Region gebe es deswegen nun „völlig kon­trä­re Herausforderungen“, fasste BBSR-Abteilungsleiter Peter Jakubowski das Bild zusammen. Für schrumpfende Regionen werde es dabei immer schwieriger, eine gute Daseinsvorsorge sowie attraktive Ar­beits- und Wohnungsmärkte abzusichern, also dem Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse zu entsprechen.

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