Hat die BBC ihre Unparteilichkeit verletzt oder führen rechte Medien einen Feldzug gegen die britische Rundfunkanstalt? Generaldirektor Tim Davie und Nachrichtenchefin Deborah geben in einem dramatischen Schritt ihre Ämter ab
BBC steht im Regen
Foto: Henry Nicholls/AFP via Getty Images
BBC-Generaldirektor Tim Davie sowie Nachrichtenchefin Deborah Turness sind am Sonntagabend in einem dramatischen Schritt zurückgetreten. Es war eine Reaktion auf die Vorwürfe gegen den britischen Sender, seine Pflicht der Unparteilichkeit zu verletzen.
Samir Shah, der Vorstandsvorsitzende des Senders, hat sich am Montag offiziell dafür entschuldigt, wie eine Rede von US-Präsident Donald Trump in einer Ausgabe der Sendung Panorama geschnitten wurde. Die Sendung ist eines von mehreren Beispielen, die Michael Prescott, ehemaliger externer Berater des Redaktionsstandardsausschusses der BBC, in einem vom Telegraph veröffentlichten Memo angeführt hat, in dem er seine Bedenken hinsichtlich der Unparteilichkeit des Senders darlegte.
Worum geht es in der Auseinandersetzung?
Im Laufe der vergangenen Woche wurden Einzelheiten des von Prescott zusammengestellten „Dossiers“ im Telegraph veröffentlicht. Die Hauptkritik bezog sich auf eine Folge der Sendung Panorama, die eine Woche vor den US-Wahlen ausgestrahlt worden war. Prescott warf der BBC vor, eine Rede von Trump selektiv geschnitten zu haben.
Prescott äußert auch Bedenken hinsichtlich BBCs Arabischem Dienst. Er behauptet, eine Untersuchung des BBC-Journalisten David Grossman habe „systemische Probleme innerhalb von BBCs Arabischem Dienst“ ergeben in Form antiisraelischer Voreingenommenheit.
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Das 19-seitige Dossier soll auch die Berichterstattung der BBC über Transgender-Themen kritisiert haben. Darin heißt es, der Sender sei „von einer kleinen Gruppe von Mitarbeitern vereinnahmt worden, die die Sichtweise von Stonewall“ (einer der bedeutendsten Organisationen im Einsatz für LGBT-Rechte in Großbritannien, Anm. d. Red.) zu Fragen der Geschlechtsidentität vertreten. Zudem behauptete er, dass BBCs LGBT-Redaktion „sich weigere, über Themen zu berichten, die schwierige Fragen aufwerfen“.
Wer ist Michael Prescott?
Prescott ist ein früherer Journalist und heute Unternehmensberater. Er war zehn Jahre lang als Chefkorrespondent für Politik und anschließend als Politikredakteur bei der konservativen britischen Sonntagszeitung Sunday Times tätig und arbeitete acht Jahre lang als Direktor für Unternehmensangelegenheiten beim Kommunikationsunternehmen BT. Derzeit arbeitet er bei Hanover Communications und war früher Berater des BBC-Ausschusses, der die redaktionellen Richtlinien und Standards überwacht.
Quellen des Guardian zufolge war Robbie Gibb, der zwischen 2017 und 2019 als Kommunikationsdirektor für Theresa May in Downing Street tätig war, maßgeblich an der Ernennung von Prescott zum Berater des BBC-Ausschusses beteiligt. Berichten zufolge sind die beiden befreundet. Es gab in der Vergangenheit Bedenken hinsichtlich der Rolle von Gibb, der BBC-Vorstandsmitglied wurde, als Boris Johnson britischer Premierminister war.
Um was geht es bei der kritisierten Bearbeitung der Trump-Rede?
Prescotts Bedenken beziehen sich auf Ausschnitte aus der Rede des US-Präsidenten vom 6. Januar 2021, die für die Doku Trump: A Second Chance? zusammengeschnitten wurden. Die BBC strahlte sie in der Woche vor den US-Wahlen im vergangenen Jahr aus.
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Die zusammengeschnittene Passage suggerierte, dass Trump zu seinen versammelten Anhängern gesagt habe: „Wir werden zum Kapitol gehen und ich werde bei euch sein; und wir kämpfen. Wir werden wie die Teufel kämpfen.“ Aber die Worte stammten aus zwei verschiedenen Teilen seiner Rede, die fast eine Stunde auseinanderlagen. Zudem ließ die Doku jenen Teil von Trumps Rede aus, in dem er sagte, er wolle, dass seine Anhänger „ihren Stimmen auf friedliche und patriotische Weise Gehör verschaffen“.
Welche Reaktionen auf Prescotts Memo gab es?
Prescotts Memo führte zu Kritik an der BBC seitens führender Konservativer. Boris Johnson forderte gegenüber dem Telegraph, BBCs Generaldirektor Tim Davie „muss das entweder erklären oder zurücktreten“. Die BBC sei „bei mehreren Fällen linker Voreingenommenheit auf frischer Tat ertappt worden“, sagte er weiter.
Die Vorsitzende der Konservativen Partei, Kemi Badenoch, äußerte: „Köpfe müssen rollen“. Und Johnson schrieb vergangene Woche in den sozialen Medien: „Wird jemand bei der BBC die Verantwortung übernehmen – und zurücktreten?“
Unterdessen bezeichnete Trumps Pressesprecherin Karoline Leavitt nach Bekanntwerden der Vorwürfe die BBC als „100 Prozent Fake News“ und „Propagandamaschine“.
Für andere ist die Auseinandersetzung auf eine ideologische Versessenheit der rechten Medien zurückzuführen, die BBC zu untergraben. BBC-Moderator Nick Robinson räumte in der Sendung Today ein, es gebe „echte“ Bedenken hinsichtlich der redaktionellen Standards und möglicher Fehler des Senders, vermutete aber eine „politische Kampagne von Leuten, die den Sender zerstören wollen“.
Der BBC-Veteran und Chefredakteur für Auslandspolitik bei BBC News, John Simpson, gab Robinson „absolut Recht“.
Und der britische Journalist Adam Boulton, der früher Politik-Redakteur bei Sky News war, kommentierte auf X, er halte die Vorwürfe der Voreingenommenheit im Fall von Trumps Rede für „BS [Bullshit]“. Es sei „Fake News so zu tun, als habe Donald Trump die Ereignisse vom 6. Januar nicht angeheizt“.
Am Sonntagabend teilte BBC-Generaldirektor Tim Davie seinen Rücktritt mit, gefolgt von BBC-Nachrichtenchefin Deborah Turness.