Linke-Tief zusammen mit Europawahl: Fünf Punkte, um zu linker Politik zurückzufinden

Die Linke ist noch da! Ich weiß, es fühlt sich gerade nicht so an, aber ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir die Talsohle jetzt durchschritten haben. Ab jetzt kann es nach vorne gehen. Daran ändern auch die mageren 2,7 Prozent bei der Europawahl und die teils herben Verluste bei den Kommunalwahlen nichts. Diese Ergebnisse überraschen nach all den Jahren des Streits nun wirklich niemanden.

Ja, die Lage ist schwierig. Aber es gibt schon kleine Signale der Hoffnung: Es gab am Sonntag nach den ersten Hochrechnungen keine schnellen Schuldzuweisungen und kein Nachtreten, sondern viele Gespräche, die dem Ernst der Lage angemessen sind. Diese Demut ist ein Zeichen eines neuen Zusammenhalts in der Partei. Allen ist klar: Es wird nur gemeinsam gehen. Die Zeit der Eitelkeiten ist vorbei. Das ist die Basis, auf der die Partei gemeinsam in Ost und West, in Süd und Nord ein Comeback bis zur Bundestagswahl erarbeiten kann.

An der Parteibasis spüre ich an vielen Ecken der Republik große Nachdenklichkeit, manchmal gar Mutlosigkeit. Gleichzeitig beobachte ich aber auch eine große Frische und Energie, die mir wirklich ernsthaft macht. Das gilt für viele erfahrene Parteimitglieder genauso wie für die vielen tausend jungen Menschen, die im letzten halben Jahr in die Linke eingetreten sind. Sie bringen nicht nur Feuer mit, sondern auch die feste Überzeugung, dass wir dieses Land nicht den Rechten überlassen dürfen und dass es sich lohnt, für soziale Gerechtigkeit zu kämpfen.

1. Echt sein, das heißt: Mandate auf Zeit

Die gesellschaftliche Lage lässt einen ja manchmal wirklich verzweifeln: der Durchmarsch offen faschistischer Parolen bis in die Mitte der Gesellschaft, die zunehmende soziale Kälte und ein um sich greifendes Gefühl von Ohnmacht – die oft genug in Wut und Hass auf die Falschen umschlägt. In dieser Situation gibt es aus meiner Sicht fünf Dinge, die helfen könnten, die Linke wieder zu einer starken Kraft zu machen – und das gilt für die Partei wie für gesellschaftliche Linke: echt sein, nützlich sein, zuhören und ein scharfes Profil. Wo andere Hass uns Hetze säen, wollen wir die Herzen erobern.

Echt sein heißt für die Partei vor allem, nicht den Verlockungen des Parlamentarismus zu verfallen. Wir alle machen doch Politik, um für eine bessere, gerechtere Welt zu streiten – und nicht für Diäten und Posten. Das könnte, das müsste die Linke viel stärker ausstrahlen als bisher. Ich bin immer noch ein großer Fan von Mandatszeitbegrenzungen. Niemand sollte mehr als zwei oder drei Legislaturen im Bundestag sitzen. Am Ende macht es einen nämlich doch satt.

Vor allem aber strahlen wir mit Mandatsbegrenzungen aus, dass ein Bundestagsmandat kein Karriereziel ist. Das machen wir nicht aus Eigennutz, sondern als eine vorübergehende Möglichkeit, Dinge zu bewegen. Es wäre ein sehr starkes Signal für viele Menschen, wenn die Linken klipp und klar deutlich machen, dass sie nicht an Posten hängen, sondern für gemeinsame Ziele arbeiten. Der um sich greifenden Politikverdrossenheit setzt das ein konkretes Stück Ehrlichkeit entgegen.

2. Nützlich sein, das heißt: Neue Kita-Plätze schaffen

Nützlich zu sein schließt daran direkt an: Für eine linke Partei misst sich „Nützlichkeit“ nicht nur an praktischen Erfolgen im Parlament und in Regierungen, sondern auch im Alltag der Menschen. Nützlich sein durch alltagsnahe Beratungsangebote, durch Sozialsprechstunden oder Wohngeldberatung. Wenn alle anderen Parteien sich nach der Wahl nie wieder blicken lassen, muss die Linke da sein, um bei konkreten Problemen zu beraten – und um zu organisieren, wenn es um die Schließung eines Krankenhauses oder um mehr Kitaplätze geht.

Der erste Baustein einer organisierenden linken Kraft, die Hoffnung auf ein besseres Morgen machen kann, wird dort gelegt, wo praktische Solidarität und Gemeinschaft entstehen. Die Linke redet nicht nur, sie ist da, wenn gestreikt oder eine Mieter:inneninitiative gegründet wird. An vielen Orten haben das viele engagierte Mitglieder bereits in der Vergangenheit gezeigt. Ich finde, Beispiele wie „Wir fahren zusammen“ sollten Schule machen.

3. Keine 10.000 Euro für Abgeordnete, stattdessen: Sozialsprechstunden

Wir müssen aber auch über Geld sprechen: Wer sich aus tiefster Überzeugung für die Schwächeren in der Gesellschaft einsetzt, kann nicht ernsthaft mit 10.000 Euro im Monat nach Hause gehen. Andere linke Parteien in Europa haben es vorgemacht: Deren Abgeordnete bekommen das Durchschnittsgehalt einer Facharbeiter:in. Den Rest geben sie weiter an Menschen in Notlagen. Stellt euch vor: Wir könnten einen echten Unterschied im Leben einer alleinerziehenden Mutter machen, indem wir einmal ihre Stromkosten übernehmen, wenn es drauf ankommt.

Ich finde, dass alle, die 2025 für die Linke zum Bundestag kandidieren wollen, sich auf eine solche Begrenzung der eigenen Einnahmen und zur Durchführung von regelmäßigen Sozialsprechstunden verpflichten sollten. Das würde sehr deutlich machen, dass die Linke es wirklich ernst meint und keine Partei wie alle anderen ist. Und die Wahl der Linken würden einen echten Unterschied machen für diejenigen, die ansonsten keine Lobby haben.

4. Zuhören, das heißt: Lokale Mitbestimmung der Politik

Der dritte Punkt, den wir für eine starke linke Partei brauchen, heißt zuhören. Das klingt so einfach – findet aber jenseits der kommunalen Ebene im politischen Alltag viel zu selten statt. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es der großen Mehrheit der Menschen hier in Deutschland sehr wichtig ist, füreinander da zu sein, nachbarschaftlich zu helfen, das Gemeinschaftliche über den Eigennutz zu stellen. Kurz: solidarisch zu sein.

Mit all diesen Menschen, den Heldinnen und Helden des Alltags, wollen wir langfristig Politik machen, deshalb sollten wir uns die Zeit nehmen, ihnen zuzuhören und ihre Sicht auf das Leben kennenzulernen. Womit fühlen sie sich alleingelassen, wo könnte die Linke lokal ansetzen, damit sie in ihr wieder einen wichtigen Ansprechpartner sehen (und ja, ihr auch wieder die Stimme geben)? Eine Partei mit dem Anspruch, Arbeiter:innen in den eigenen Reihen zu organisieren, sollte die Antworten auf diese Fragen kennen.

Viele in der Partei tun das bereits, sie sind vor Ort und hören zu. Das Ziel muss sein, all diese Kräfte zu bündeln. Die Partei bereitet gerade eine Gesprächsoffensive in die Gesellschaft im großen Stil vor, um mithilfe vieler Zehntausend Gespräche eine strategische Themenfokussierung vornehmen, die dringend benötigt wird. Es ist ein ernstgemeintes Angebot der Partei an die Bevölkerung, mitzubestimmen, mit welcher zentralen Forderung die Linke in den nächsten Bundestagswahlkampf zieht – aus meiner Sicht eine zentral wichtige Etappe bei der Erneuerung der Partei.

5. Konkret werden: Der Mindestlohn macht den Unterschied

Damit sind wir beim letzten Punkt, dem scharfen Profil. Ich glaube, anstatt eines bunten Blumenstraußes an Themen braucht es eine Konzentration auf einige wenige Themen und darin eine oder zwei zentrale Forderungen. Die Linke hat es den Menschen in den letzten Jahren nicht leicht gemacht, meistens war sie gleichzeitig dafür und dagegen, ob nun Klima, Europa oder Migration. Das inhaltliche Profil der Partei war völlig unklar. Als alter Campaigner weiß ich eines: Nur wer einen wirklich klaren Fokus hat, kann gewinnen. Mit zehn Schwerpunkten und zwanzig Unterpunkten ist man weder erkennbar, noch setzt man in der realen Welt irgendetwas durch. Alle Kraft auf einige wenige Punkte – und die Linke wird hier etwas in Bewegung setzen.

Welche Schwerpunkte sind das? Dieses Profil herauszuarbeiten, muss unsere gemeinsame Aufgabe für die nächsten Monate sein. Beim Mindestlohn hat die Linke gezeigt, wie sie ein Thema setzen kann und es am Ende durchgesetzt wird – heute profitieren Millionen Menschen davon. Lasst uns an solche Sternstunden anknüpfen, denn nichts ist so attraktiv wie der Erfolg! Wir konnten es mal und wir können es wieder. Ich bin wirklich tief in meinem Herzen davon überzeugt: Die Linke hat eine Chance. Wir haben eine Chance. Nutzen wir sie! Ich bin dabei.

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