Lindner will EZB-Geldpolitik unterstützen

Bundesfinanzminister Christian Lindner will die Zinswende nicht durch ein Ankurbeln der Nachfrage konterkarieren. Die Bundesregierung stehe vor der schwierigen Ausgabe, Unternehmen stützen zu müssen, gleichzeitig aber nicht die Preise weiter zu treiben. „Wir müssen die Inflation bekämpfen“, sagte Lindner am Donnerstag auf dem Versicherungstag in Berlin.

Philipp Krohn

Redakteur in der Wirtschaft, zuständig für „Menschen und Wirtschaft“.

Die Europäische Zentralbank habe eine weitere Reise in der Zinspolitik angekündigt, dieser dürfe der deutsche Staat nicht mit zusätzlichen Ausgaben entgegenwirken. Darin unterscheide sich die jetzige Situation von der Corona-Pandemie. „Wir müssen auf der Angebotsseite und nicht auf der Nachfrageseite ansetzen“, sagte er.

Unternehmen und Politik hätten lang darauf gewartet, dass sich das Zinsniveau erhöht und normalisiert. Niemand aber hätte sich gewünscht, dass die geldpolitischen Maßnahmen in so einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld wie nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine geschehen müssen. Der Krieg habe Leid über Menschen in der Ukraine gebracht und erschüttere die Friedensordnung.

Trotzdem will Lindner Unternehmen unterstützen

Seine Ankündigung sei aber nicht so zu verstehen, dass der Staat Unternehmen ihrem Schicksal überlasse. Die stark steigenden Preise für Energieimporte bildeten über ihre Wirkung auf dem Gas- und Strommarkt „eine reale Gefahr für eigentlich gesunde Betriebe“, sagte der Finanzminister: „Es droht ein wirtschaftlicher Strukturbruch.“ Diese neue Situation erfordere die volle Konzentration der Politik. Banken müssten etwa durch Haftungsfreistellungen in die Lage versetzt werden, Kredite zu vergeben. Überdies werde es auch Maßnahmen des Staats geben müssen.

Im Zentrum stehe die Knappheit an Gas durch die Rationierungen Russlands. Der Staat habe schon schnell gehandelt. Vier LNG-Terminals gingen schon im nächsten Jahr in Betrieb. Mit Blick auf den Berliner Flughafen BER, dessen Bau sich über Jahre hinzog, sagte Lindner, dies solle Vorbild für künftige Infrastrukturprojekte wie Wasserstoffladesäulen sowie Bahn- und Autobahnbrücken sein. „Nicht mit dem Tempo BER, sondern mit dem Tempo LNG. Dann gewinnt unser Land über die Krise hinaus“, sagte Lindner.

Durch die rasche Zinswende der EZB ist aus einem Zinsüberschuss von 4 Milliarden Euro im vergangenen Jahr jetzt ein Schuldendienst von 29 Milliarden Euro geworden. „Das ist eine Steilwand, die sich da auftut“, sagte Lindner. Zinsgewinne des vergangenen Jahrzehnts seien bedauerlicherweise nicht zur Schuldentilgung genutzt worden. Stattdessen seien zusätzliche staatliche Leistungen vereinbart worden, für die nun nach Finanzierungsmöglichkeiten gesucht werden müsse.

Lindner kündigte an, noch in diesem Jahr werde die Gesetzgebung zum neuen kapitalgedeckten Anteil in der gesetzlichen Rentenversicherung (Aktienrente) starten. Noch etwas mehr Arbeit sei eine Reform der betrieblichen Altersversorgung, weil es hier um komplizierte Fragen gehe – zum Beispiel, wie Ansprüche eines Pensionsanwärters auf einen neuen Arbeitgeber bequem übertragen werden können.

Auch sein Vorhaben, die Mitarbeiterkapitalbeteiligung steuerlich besser zu stellen, werde noch etwas dauern, sagte Lindner. Die Reform der privaten Altersvorsorge werde mit einer Vorsorgepflicht für Selbstständige begonnen. Hier stimme das Verhältnis von Freiheit und Verantwortung nicht mehr überein. Selbstständige sollten aber nicht auf Angebote der gesetzlichen Rentenversicherung angewiesen sein. „Das ist spannend für Sie“, flüsterte Lindner den Versicherungsvorständen hörbar zu.

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