Leihgaben an Museen: Teure Enttäuschung

Die kommende Woche wird für gleich mehrere deutsche Museen sehr unerfreulich werden: Sie verlieren Gemälde, die sie lange hatten ausstellen dürfen. Es waren Leihgaben privater Sammler, jetzt aber werden diese Werke der klassischen Moderne meistbietend versteigert: in München eine leuchtende Staffelsee-Landschaft von Gabriele Münter, die seit 2002 im Franz-Marc-Museum in Kochel zu sehen war. In Köln ein Nolde-Blumenstillleben, bislang im Brücke-Museum in Berlin zu bewundern. Und ebenfalls im Auktionshaus Lempertz kommen am 4. Juni zwei Werke von Pierre Bonnard und Henri de Toulouse-Lautrec unter den Hammer, die sich lange im Kölner Wallraf-Richartz-Museum befanden – als private Leihgaben der Stifterfamilie Corboud.

Leihgaben seien häufig Mogelpackungen, kommentiert ein betroffener Museumsdirektor, der seinen Namen nicht genannt wissen möchte: „Die Eigentümer können die Werke jederzeit wieder abziehen und verkaufen, ohne dass wir etwas dagegen tun können.“ Viele Häuser sind trotzdem darauf angewiesen: Den Kauf von Werken der klassischen Moderne können sie sich schon lange nicht mehr leisten.

Das Datum der Kölner Auktion ist besonders pikant. Denn bereits in dieser Woche hat sich Marisol Corboud als Ehrengast in der Stadt angekündigt, sie soll beim ersten Spatenstich für den Anbau des Wallraf-Richartz-Museums dabei sein. Ihr und ihrem Ehemann war dieser Anbau schon 2001 bei der Übergabe von 170 Gemälden an die Stadt Köln versprochen worden. Die damals so genannte „ewige Leihgabe“ war nämlich an Bedingungen geknüpft: Die Bilder bleiben nur so lange in Köln, wie Deutschland eine freiheitlich-demokratische Grundordnung hat. Das Wallraf-Richartz-Museum, eines der ältesten bürgerlichen Kunsthäuser in Deutschland, trägt seither den Namenszusatz Fondation Corboud. Vor allem aber muss zwingend ein Drittel der Sammlung ständig im Museum gezeigt werden, das hatten sich die Sammler zusichern lassen. Damit bei diesem enormen Raumbedarf die bedeutende eigene Sammlung des Museums nicht zu kurz kommt, gehörte ein Erweiterungsbau mit zum Paket.

Schon bei der ersten Präsentation der Sammlung Corboud war aber die Ernüchterung groß. Zwar hingen Schilder mit großen Namen an den Wänden. Die Werke daneben belegten jedoch, dass auch starke Meister oft schwache Momente haben, von denen auch protzige neobarocke Rahmen nicht ablenken können. Der Munch: eine kleine Ölskizze auf Holz. Der Van Gogh: eine frühe Bauernkate aus der Anfangszeit in Holland. Der Toulouse-Lautrec: eine konventionelle Strandszene, auch künstlerisch weit entfernt von den berühmten späten Bildern aus den Pariser Cafés, Cabarets und Bordellen.

Eingefädelt hatte das Danaergeschenk der damalige Museumsdirektor Rainer Budde, der über gute Kontakte zum Kunsthandel verfügte. Er habe das Ehepaar Corboud seit Langem bei dessen Ankäufen beraten und mit zwei Galeristen zusammengebracht, erzählte er 2001. Einer der beiden Verkäufer durfte im Sammlungskatalog seine Ware als „Schätze“ loben. Von Budde stammte auch ein Gutachten, das den Rat der Stadt überzeugte, der „ewigen Leihgabe“ mit den großen Namen bedenkenlos und stolz zuzustimmen und den Anbau zu versprechen.

Was Neubauprojekte angeht, ist man in Köln Kummer gewohnt, vor allem im Kulturbereich. Die Fertigstellung des seit 2012 sanierten Opernhauses kostet statt geplanter 253 Millionen inzwischen über eine Milliarde Euro; einen Termin für die Wiedereröffnung nennt die Stadt nicht mehr. Beim ebenfalls dringend sanierungsbedürftigen Touristenmagneten Römisch-Germanisches Museum lässt sich der Zeitplan ebenfalls nicht einhalten. Auch das Ehepaar Corboud musste lange warten. Immer wieder verzögerten sich Planungs- und Baubeginn für den Anbau – bis die beiden Stifter mit dem Abzug ihrer Bilder drohten. Schließlich ließen sie sogar einen bedeutenden Van Gogh aus ihrem Privatbesitz in der Schweiz versteigern, statt ihn auch weiterhin – wie in Köln erhofft – dem Museum zu überlassen. Weitere Verkäufe folgten und zeigten schließlich Wirkung. Zum Spatenstich in dieser Woche musste Marisol Corboud allerdings allein anreisen, ihr Mann verstarb bereits 2017.

Mit der jetzt für 2028 geplanten Eröffnung des Anbaus – geschätzte Kosten: rund 95 Millionen Euro – werden tausend Quadratmeter zusätzliche Ausstellungsfläche zur Verfügung stehen, obwohl die Sammlung nun längst nicht mehr die Sammlung ist, die Köln einst zugesagt worden war. Immerhin werden dann endlich viele museumseigene Werke wieder zu sehen sein, derzeit von der Sammlung Corboud verdrängt. Umso deutlicher wird zugleich die insgesamt dürftige Qualität einer von Händlern konzipierten Privatsammlung sichtbar werden, für die die Stadt Köln viel zu geben bereit war. Und erneut wird dann die Frage diskutiert werden, wie es so weit kommen konnte. Und ob deutsche Museen eigentlich noch unabhängige Orte der Bildung und Wissenschaft sind.

Die kommende Woche wird für gleich mehrere deutsche Museen sehr unerfreulich werden: Sie verlieren Gemälde, die sie lange hatten ausstellen dürfen. Es waren Leihgaben privater Sammler, jetzt aber werden diese Werke der klassischen Moderne meistbietend versteigert: in München eine leuchtende Staffelsee-Landschaft von Gabriele Münter, die seit 2002 im Franz-Marc-Museum in Kochel zu sehen war. In Köln ein Nolde-Blumenstillleben, bislang im Brücke-Museum in Berlin zu bewundern. Und ebenfalls im Auktionshaus Lempertz kommen am 4. Juni zwei Werke von Pierre Bonnard und Henri de Toulouse-Lautrec unter den Hammer, die sich lange im Kölner Wallraf-Richartz-Museum befanden – als private Leihgaben der Stifterfamilie Corboud.

BerlinBildungDeutschlandEuroFranzGutachtenHenriHolzKölnKunstKunsthandelLangeMANMannMarcMünchenMuseenRainerSchweizStädteWissenWissenschaft