Lauterbachs Klinikatlas: Wo lasse ich mich am günstigsten erläutern?

Wie viel „Gas gibt“ mein Krankenhaus? Künftig können sich Patienten diese Frage im Internet beantworten lassen. Die Leistungsfähigkeit der Standorte spiegeln Anzeigen, die einem Tachometer im Auto nachempfunden sind. Diese berücksichtigen zum Beispiel, wie viele Fälle eine Klinik behandelt und wie gut sie mit Personal ausgestattet ist. Nachzuschlagen sind diese und andere Daten in einem sogenannten Klinikatlas, der auf dem neuen Krankenhaustransparenzgesetz der Bundesregierung basiert.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat den Dienst am Freitag in Berlin vorgestellt und zugleich online freigeschaltet (www.bundes-klinik-atlas.de). Das Ziel der Informationsbündelung und Aufbereitung besteht aus seiner Sicht darin, Patienten und einweisenden Ärzten aus einer Hand eine schnelle und genaue Übersicht über Parameter zu geben, aus denen sie die Versorgungsgüte eines Hauses ersehen können.

Da es große Widerstände der Bundesländer gegen das Transparenzgesetz gab, geht der Atlas verspätet an den Start. Auch fehlen noch viele der von Lauterbach versprochenen Angaben. Der Minister sicherte am Freitag zu, im Laufe des Jahres würden die Komplikationsraten bei chirurgischen Eingriffen an den Standorten ergänzt. Gleiches gelte für die Einteilung der Krankenhäuser in Versorgungsstufen („Level“) sowie für die Zuordnung der jeweils angebotenen „Leistungsgruppen“. Das Eingangsportal zeigt eine Deutschlandkarte mit den deutschen Hospitälern. Von dort aus sind immer feinere Zugriffe möglich.

„Intransparente Algorithmen“?

Ermitteln lassen sich zum Beispiel für jeden Standort die Menge der Betten, die Fallzahlen je Fachabteilung, die Zahl der Pflegekräfte oder die verfügbaren Notfallstufen. Das Ministerium legt Wert darauf, dass das Angebot nicht nur einen schnell verständlichen Vergleich ermögliche, sondern auch Daten aufbereite, die so bisher nirgendwo zur Verfügung gestanden hätten. Dazu zählten etwa die Pflegepersonalquotienten. Diese gewichten die Anzahl der Pflegekräfte anhand der Schwere der betreuten Fälle. Auch weise man die Zertifikate in den Krankenhäusern aus und bewerte sie. Ähnliches gelte für die Mindestmengen. Durch die vielen Merkmale würden wichtige Qualitätsunterschiede sichtbar. „Schon in einigen Wochen“ kämen die Komplikationsraten hinzu, hieß es weiter: „Auch das hilft Patienten bei der Suche nach guten Kliniken.“ Andere Portale scheuten vor bestimmten Informationen zurück, etwa zur Pflegequalität. Die Level-Einstufung wird für das vierte Quartal 2024 erwartet.

Lauterbach sagte anlässlich der Vorstellung der neuen Instrumente, jeder Bürger könne nun auf einfache Weise nachvollziehen, welche Klinik welche Leistung in welcher Güte anbiete. Daraus lasse sich auch ohne Vorkenntnisse im Gesundheitswesen ableiten, ob das Angebot für den jeweiligen Patienten geeignet sei. Es gehe um einen „übersichtlichen Wegweiser durch den Krankenhaus-Dschungel“. Die stationäre Versorgung werde dadurch auch „sozial gerechter“: Die gute Versorgung sei künftig „für alle zugänglich und nicht mehr nur das Privileg von wenigen“.

Der Minister sieht den Onlineservice auch als Vorarbeit zur noch ausstehenden Krankenhausreform, weil die neue Transparenz Teil der dort angestrebten Qualitätsoffensive sei. Sowohl gegen das schon gültige Transparenzgesetz mit dem Atlas und der Level-Einteilung als auch gegen das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz, das gerade erst durchs Kabinett gegangen ist, gibt es große Widerstände der Bundesländer und auch vieler Kliniken. „Lauterbachs Transparenz ist politischer Aktionismus auf Kosten des Steuerzahlers“, beanstandete am Freitag die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). Der Atlas sei überflüssig, hieß es.

„Kein anderer Bereich unseres Gesundheitswesens ist in Sachen Behandlungsqualität so transparent wie der Krankenhaussektor“, sagte der DKG-Vorsitzende Gerald Gaß. Mehr als eine halbe Million Anwender nutzten jeden Monat das Deutsche Krankenhausverzeichnis der DKG. Dieser seit Jahrzehnten vorhandene Klinikatlas biete schon jetzt „alle Informationen über Behandlungsqualität, Fallzahlen, Personalausstattung, Komplikationsraten und vieles mehr“ in verständlicher Form.

Lauterbachs „ministerielles Ranking“ basiere dagegen auf „intransparenten Algorithmen“ und sei steuerfinanziert. Es ignoriere etwa, dass auch viele kleine Häuser „exzellente Qualität“ anböten. Claus-Dieter Heidecke, Leiter des am Atlas beteiligten Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen, sagte indes, das neue Angebot sei „ein wegweisendes Element der Patienteninformation“.

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