Es sei „wichtig, mit China zu sprechen, statt über China zu sprechen“, sagt Lars Klingbeil. Den Satz wird Deutschlands Vizekanzler und Finanzminister mehrfach wiederholen, als er an diesem Montag im Pekinger Diaoyutai-Staatsgästehaus auf Chinas Vize-Premier He Lifeng trifft. Es ist ein Satz, an dem eine gewisse Vorgeschichte hängt.
Als erstes Kabinettsmitglied der Regierung Friedrich Merz‘ ist Klingbeil derzeit in China zu Gast. Geplant war das eigentlich anders. Ende Oktober wollte Außenminister Johann Wadephul nach Peking reisen, unter anderem, um den Weg zu ebnen für eine erste China-Visite des Bundeskanzlers. Aus beiden Reisen wurde dann erst einmal nichts. Wadephul, so schildern es parteinahe chinesische Politikbeobachter, hatte sich im Vorfeld seines Besuchs unbeliebt gemacht. Man nahm Deutschlands Außenminister krumm, dass er zunächst andere Teile Asiens besuchte – und dort Reden über China schwang, die man in Peking als ungebührlich falkenhaft empfand.
Besonders Wadephuls Äußerungen zu Taiwan erregten Unmut. Die selbstverwaltete Insel gehört aus Sicht der Regierung in Peking zu China. Die Eingliederung von Taiwan in die Volksrepublik ist angestrebt. Zwar bekennt sich auch Deutschland wie die meisten Staaten weltweit zur sogenannten Ein-China-Politik. „Aber über deren Ausgestaltung entscheiden wir selbst“, hatte Wadephul kurz vor der geplanten Chinareise in einer Ansprache vor japanischem Publikum erklärt. Der Satz kam nicht gut an. Wadephul wurde hingehalten, bis kurz vor seiner Abreise bekam er keine Zusage für angefragte Gesprächstermine in Peking. Am Ende sagte der Außenminister die Visite ab. Auch der mögliche Termin eines ersten Chinabesuchs von Friedrich Merz steht seitdem nicht fest.
Parteidialog mit den Kommunisten
Mit China sprechen, statt über China zu sprechen – mit diesem Satz versucht nun also Lars Klingbeil in Peking die Wogen zu glätten. Ein bisschen wirkt es wie ein Seitenhieb gegen Wadephul und den Koalitionspartner CDU, mit dem Klingbeils SPD just in den Tagen des Chinabesuchs in der Rentenpolitik über Kreuz liegt. Tatsächlich aber dürfte es eher der Versuch sein, in Peking Türen zu öffnen, die im Oktober recht laut ins Schloss gefallen sind.
Dem Programm nach ist Klingbeil in Peking, um über Geld zu sprechen: Er vertritt die Bundesrepublik beim regelmäßig stattfindenden chinesisch-deutschen Finanzdialog, ausgetragen wechselweise in China und in Deutschland. In Klingbeils Delegation reist deshalb der halbe deutsche Finanzsektor mit: Vorstandsmitglieder von Bundesbank, Bundesfinanzaufsicht und Deutscher Börse, dazu die großen Privatbanken und Versicherer. Um „faire und transparente Bedingungen“ gehe es, sagt Klingbeil in seinem Eröffnungsstatement, um den „gegenseitigen Zugang zu Märkten, auch zu Finanzmärkten“, um einen „verlässlichen Rechtsrahmen“.
Nebenbei wird Klingbeil am Dienstag, dem zweiten Tag seiner insgesamt dreitägigen Chinareise, den Parteiendialog zwischen Deutschlands Sozialdemokraten und Chinas Kommunisten pflegen: ein 1984 von Willy Brandt und dem chinesischen Staats- und Parteichef Deng Xiaoping initiiertes Gesprächsformat, das nicht erst in diesen angespannten Tagen etwas aus der Zeit gefallen wirkt.