Lager von Seltenen Erden: Der Vormund des Rohstoffschatzes

Wenn sich die schweren Metalltüren schließen, wird es still. „1400 Quadratmeter Tresorqualität“, sagt Mathias Rüth sichtlich stolz und macht eine aus­ladende Armbewegung. Das sei wahrscheinlich mehr, als die Bundesbank aufzubieten habe, die ebenfalls in Frankfurt sitzt und große Goldbestände aufbewahrt. Edelmetalle liegen auch in Rüths umgebautem Bunker im Osten der Stadt, doch der eigentliche Schatz, der hier eingelagert ist, heißt Seltene Erden. Das sind jene Rohstoffe, die aufgrund ih­rer besonderen Eigenschaften für moderne Technologie unerlässlich sind: Flugzeuge, Autos, Panzer, Halbleiter oder Windräder, nichts davon kann ohne Seltene Erden hergestellt werden.

China nimmt in Produktion, Verarbeitung und Vertrieb von Seltenen Erden eine überragende Stellung auf der Welt ein und setzt diese im Handelskrieg mit den USA mittlerweile rigoros ein. Seit dem Frühjahr verschärft Peking die Exportkontrollen als Reaktion auf Donald Trumps Strafzölle. Zuletzt kam es zum Eklat, nachdem das zuständige Ministerium ein Ausfuhrverbot für militärische Zwecke erließ und vollständige Transparenz über die westlichen Kundenketten verlangte.

Ein Sicherheitsstandard wie für Gold

Die Welt befindet sich im Kampf um Rohstoffe – von denen Rüth viele in seinem Bunker lagert. In blauen Fässern, auf Europaletten gestapelt, findet sich hier vieles, was am Markt gerade hochbegehrt ist. Der 61 Jahre alte Unternehmer ist alleiniger Geschäftsführer und Besitzer des Rohstoffhändlers Tradium GmbH. Außerdem hat er mit der Metlock GmbH ein zweites Unternehmen gegründet, das sich um die Aufbewahrung kümmert und mittlerweile von seiner Tochter geführt wird. Nach eigenen Angaben sei der Bunker die größte Lagerstätte für kritische Rohstoffe in Europa. Denn zum Komplex gehören weitere 1100 Quadratmeter Lagerfläche mit etwas niedrigerem Sicherheitsniveau. Zudem gibt es ein weiteres Lager in der Bankenmetropole. Und in einem Vorort will er eine alte Wurstfabrik zu einem zusätzlichen Depot mit 2500 Quadratmetern umbauen.

Gut aufgehoben: Matthias Rüth, Gründer und Geschäftsführer von Tradium, inmitten der mittlerweile hochbegehrten IndustriemetalleFrank Röth

Aber die teuren Seltenen Erden werden ausschließlich im Frankfurter Osten verwahrt, mit einem Sicherheitsaufwand, wie er sonst für Gold betrieben wird. Kein Wunder, die Ware ist heiß begehrt. Die Hilferufe aus der Industrie werden an­gesichts der angespannten Versorgungs­lage immer lauter. Es sei steigende Nervosität bis hin zur Panik zu spüren, sagt Rüth. Als er vor 20 Jahren seinen Handel mit Seltenen Erden begann, „waren wir allein auf weiter Flur“. Heute gibt es immer noch wenige Wettbewerber in ganz Europa, aber das Thema sei in der Gesellschaft angekommen. „Wenn jeder Taxifahrer mitreden kann, dann hat sich etwas verändert“, findet Rüth.

Wenn es um die Gründe für die große Abhängigkeit von den Chinesen geht, sieht Rüth einen großen Teil der Schuld bei der Industrie selbst. Er habe seiner Kundschaft immer empfohlen, sich einen Vorrat von drei bis sechs Monaten hin­zulegen. „Einfach zum Ruhiger-Schlafen.“ Tatsächlich hätte diesen Ratschlag aber nur eine Handvoll Kunden beherzigt. Viele Konzerne seien in den vergangenen Jahrzehnten dagegen sehr kennzahlengetrieben unterwegs gewesen.

Ein zu teurer Einkauf kann auf der Bilanz lasten

Die Logik ist einfach: Wer Lagerbestand aufbaut, bindet Kapital. Außerdem sind Rohstoffpreise volatil. „Wenn man teuer einkauft, kann das die Bilanz schon mal verhageln“, sagt der Unternehmer. Gerade die Autoindustrie habe deshalb sehr stark auf Just-in-time-Produktion gesetzt, die Lagerhalle war die Autobahn. Zu Hochzeiten der Globalisierung waren Lieferungen aus China quasi über Nacht möglich, die Bestellungen erfolgten oft über das chinesische Whatsapp-Pendant Wechat. „Es konnte sich doch kaum jemand vorstellen, dass es bestimmte Rohstoffe mal nicht mehr gibt.“

Höchste Sicherheit: Panzertür zum Zolllager von TradiumFrank Röth

Nun ist genau dieser Fall jedoch ein­getreten. „Wir können Unternehmen in bestimmten Fällen kein Angebot mehr machen“, sagt Rüth achselzuckend. Für die Technologiemetalle Germanium und Gal­lium, für die China schon im Sommer 2023 eine härtere Gangart eingeschlagen habe, könne er von einer bestimmten Menge an zum Beispiel keine Neukunden mehr an­nehmen. „Für unsere Bestandskunden finden wir schon noch Lösungen, und im schlechtesten Fall wird es halt teurer.“

Rüth schätzt, dass er von einigen Metallen zehnmal so viel verkaufen könne, wie er habe. Mancher Kunde kaufe quasi von der Hand in den Mund. „Jetzt ist es aus­gesprochen kompliziert, sich noch einen Vorrat hinzulegen“, weiß Rüth. Dass es unter diesen Bedingungen zu Produktionsstopps in der westlichen Industrie kommen wird, ist für ihn so sicher wie das Amen in der Kirche.

Die Belieferungen aus China sind so gut wie versiegt

Doch was macht ein Rohstoffhändler, der selbst nicht mehr an die begehrten Rohstoffe kommt? Denn auch Rüths Belieferungen aus dem Reich der Mitte sind so gut wie versiegt. Die Antwort ist einfach: Er handelt mit dem, was vorhanden ist. Im Bunker liegen Rohstoffe im Gegenwert eines dreistelligen Millionenbetrags. Die gehören zum großen Teil seinen Kunden. Das sind entweder Unternehmen, die hier ihre Vorräte einlagern, oder Anleger, die ihr Vermögen durch den Rohstoffboom vermehren wollen. Das habe in den vergangenen Jahren hervorragend hin­gehauen. „Viele Kunden haben den Wert ihrer Rohstoffe bei uns verdoppelt oder verdreifacht innerhalb von drei Jahren“, sagt Rüth. Er warne aber immer, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Wenn die Chinesen morgen wieder die Grenzen öffneten, halbierten sich die Preise innerhalb von einer Woche: „Man muss sich überlegen, wann man mal ein paar Euro in Sicherheit bringt.“

Der Stoff, aus dem Magnete sind: Fässer voller Dysprosiumoxid im Frankfurter Lager von Tradium.Frank Röth

Doch nach Lockerungen seitens Chinas sieht es momentan gar nicht aus nicht aus. Deshalb verschicken Rüth und seine Mannschaft jeden Morgen Mails an die Privatkunden mit aktuellen Tagespreisen und schauen, wer ein Geschäft machen will. „Aber nur die wenigsten gehen raus und kaufen sich davon ein neues Auto“, berichtet Rüth. Wer heute etwa Gallium verkaufe, investiere vielleicht in das vergleichsweise günstige Indium, in der Hoffnung, die nächste Welle zu reiten.

Die Finanzierung war mühsam

Rüths Geschäften ist die Entwicklung jedenfalls zuträglich. Seit vielen Jahren wachsen seine Unternehmen mit mehr als 20 Prozent im Jahr. Allein der Umsatz der Tradium GmbH überspringt 2025 wohl die Marke von 300 Millionen Euro. Gewachsen sei man immer ohne Fremdkapital, erzählt Rüth. Das sei ihm wichtig. Deshalb habe der Umbau des Bunkers eben auch 14 Jahre gedauert. 2011 erwarb er das Objekt, zwei Jahre später folgte die Eröffnung als Zolllager.

Rüth erinnert sich an die mühsame Finanzierung. „Für solch eine Immobilie gibt dir erst mal keine Bank einen Kredit, da fehlt die Idee zur Zweitverwertung.“ Für Außenstehende sei der Rohstoff­handel eben schwer einzuschätzen, zeigt Rüth Verständnis. Am Ende hat er es aber doch geschafft.

Seine Karriere hatte der gelernte Kaufmann vor allem beim Metallhändler Degussa gemacht. Damals habe er Geschäft mit fünf Prozent Marge abgeschlossen, das sei schon viel gewesen. Doch seinen Vorgesetzten hat es nicht gereicht. Deshalb reifte der Gedanke, das Geschäft auf eigene Rechnung aufzuziehen. Zweifel? Oh ja, winkt Rüth ab, die habe es zuhauf gegeben. Als er beim Notar saß und sich fragte, ob er allein mit den Kunden klarkomme. Auch bei seiner Frau, mit der er mittlerweile seit 40 Jahren verheiratet ist, habe sich die Begeisterung in Grenzen gehalten. Doch er gründete seine Firma buchstäblich in der eigenen Garage. Er habe seinen Kunden sagen müssen: „Sorry, Leute, von 30 Tagen Zahlungsziel gehen wir auf prompt netto – Fälligkeit sofort und ohne Skonto.“ Und für seine Lieferanten galt von sofort an ein 30-Tage-Zahlungsziel. „Zum Glück haben so gut wie alle mitgemacht, und wir konnten rasch Umsätze erzielen.“ Der bodenständige Kaufmann von einst ist Rüth aber auch im aktuellen Boom stets geblieben: „Ich freue mich auch heute noch über fünf Prozent Marge.“

Mehr als 17 Symbole und Ordnungszahlen: Die durch China verursachte Knappheit an Seltenen Erden versetzt die Industrie rund um die Welt in Aufruhr.Frank Röth

Eine schnelle Lösung für die Engpässe sieht Rüth derzeit nicht. Das Erschließen neuer Rohstoffquellen sei bekanntlich ein Prozess über viele Jahre. „Bei uns dauern Genehmigungen ewig, was sind da fünf bis zehn Jahre?“, fragt Rüth. In China werde dagegen in vier Wochen eine ganze Stadt umgesiedelt, dann rollten die Bagger an, und in fünf Wochen stehe die Baugrube. Er finde das auch nicht gut, sagt Rüth, aber so sei es eben. Außerdem habe sich in der Vergangenheit gezeigt, dass China möglichen Alternativproduktionen mit Kampfpreisen erfolgreich den Garaus zu machen verstehe. Sobald sich ein zartes Pflänzchen entwickle, würden mal ein paar Tonnen exportiert und die Preise ins Rutschen gebracht, damit das Unterfangen unrentabel werde. Beispiele gebe es reichlich.

Am wahrscheinlichsten sei es, dass China von sich aus die Liefermengen wieder erhöhe, sagt er. Zuletzt musste Peking wohl schon Produzenten stützen, die unter dem Embargo litten. Nun läge dort eine Weltjahresproduktion herum von mindestens 160 Tonnen. „Ich bin fest davon überzeugt, dass die Tür irgendwann wieder aufgeht. Zumindest ein Stück.“ Nur wann, das wisse halt niemand.

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