Künstliche Intelligenz und Lernen zu Händen Berufseinsteiger

Wenn es um Künstliche Intelligenz geht, gibt es nicht viele alte Sätze – dieser aber gehört dazu: Wer sie bei der Arbeit verwendet, soll sie einsetzen wie einen Praktikanten. Das stimmt, kann aber auf Dauer zu Problemen führen.

Erst mal steckt in dem Satz viel Wahrheit. ChatGPT, Claude und all ihre Kollegen können zwar erste Entwürfe für viele berufliche Aufträge produzieren, aber sie sind meistens eben noch nicht so gut wie Profis. Zudem machen sie aus heiterem Himmel plötzlich Fehler, ohne dass man klar beschreiben könnte, welcher Teil der Arbeit besonders fehleranfällig ist. Trotzdem ist die generative Künstliche Intelligenz hilfreich.

In den vergangenen Monaten haben viele Experimente gezeigt: Profis können mit der neuen Technik durchaus Zeit sparen. Programmierer werden zum Beispiel im Extremfall doppelt so schnell, Callcenter-Agenten rund 15 Prozent schneller, Autoren gewinnen auch ein kleines bisschen Zeit. Besser werden Profis allerdings kaum noch – Anfänger dagegen steigern nicht nur ihre Geschwindigkeit, sondern auch ihre Qualität.

Was soll aus den Anfängern werden?

So gesehen, ist der Rat erst mal sehr hilfreich. Aber was soll dann aus den Anfängern werden? In den meisten Berufen lernen die ihre Arbeit, indem sie mit den erfahreneren Kollegen zusammenarbeiten – oder indem sie erst mal einfache Aufgaben übernehmen, die dann von den Älteren überarbeitet werden. Das gilt sogar für Uni-Absolventen, die zunächst lernen müssen, wie die Arbeit in der Praxis funktioniert. Doch so funktioniert das nicht mehr, wenn der erste Entwurf nicht mehr vom Neuling gemacht wird, sondern von der Künstlichen Intelligenz.

„In jüngeren Gesprächen sehe ich schon Zeichen dafür, dass die Talent-Pipeline zusammenbricht“, bemerkt Ethan Mollick, der an der Wharton Business School der Universität von Pennsylvania sowohl Bildung als auch die Anwendung Künstlicher Intelligenz erforscht.

An der Universität im kalifornischen Santa Barbara stellt der Management-Forscher Matt Beane schon seit einiger Zeit fest, dass neue Techniken in mehreren Berufen das Lernen behindern. Er beschreibt zum Beispiel oft Chirurgen, die jetzt mehr und mehr mit Roboter-Unterstützung operieren – dabei gibt es allerdings weniger Gelegenheiten für junge Ärzte zu assistieren. In anderen Betrieben hat das Homeoffice der Ausbildung von Anfängern geschadet, weil sie den erfahrenen Kollegen jetzt seltener über den Weg laufen und weniger davon hören, woran diese arbeiten und wie diese ihre Probleme lösen.

Der Fortschritt der KI reicht noch nicht aus

Nun ist es nicht ungewöhnlich, dass neue Werkzeuge eingeführt werden und die Arbeit erleichtern. Oft müssen die meisten Leute dann gar nicht mehr lernen, wie die Arbeit ohne dieses Werkzeug geht. Auch so funktioniert technischer Fortschritt. Doch so ist es mit der Künstlichen Intelligenz auf absehbare Zeit nicht. Am Schluss muss ja immer noch ein Profi stehen, der die Ergebnisse kontrolliert. Und der muss ja irgendwo gelernt haben.

Ob sich das bald ändert, ist höchst unsicher. In den vergangenen Monaten haben die Fortschritte der Künstlichen Intelligenz mit dem Hype eher nicht mitgehalten. Die neuen Modelle werden zwar immer größer und komplizierter, doch ihre Fähigkeiten wachsen nicht im gleichen Maß – vor allem wenn es um textbasiertes Arbeiten geht, was in beruflichen Fragen oft der Fall ist.

Neue Versionen der Künstlichen Intelligenz können oft nicht fundamental mehr – nur das, was sie sowieso schon konnten, wird leichter zugänglich. Im vergangenen Jahr war Open AI noch alleine ganz vorne, doch weil der Fortschritt nicht mehr so schnell geht, haben inzwischen einige andere Unternehmen aufgeholt. Gerade erst hat Open­ AI eine neue Künstliche Intelligenz vorgestellt, die ihre Aufgaben selbst plant. Das war technisch gesehen ein nennenswerter Durchbruch – doch vieles, was daraus jetzt entsteht, hätte die Künstliche Intelligenz schon früher hinbekommen. Sie hätte dafür nur mehr Anweisungen gebraucht.

Ob die grundlegenden Fähigkeiten der Künstlichen Intelligenz in nächster Zeit viel besser werden, ist nicht sicher. Der Leistungszuwachs neuer Modelle wird geringer. Öffentliche Texte, an denen sich die KI trainieren lässt, sind weitgehend abgegrast; Entwickler ­denken jetzt darüber nach, die bestehenden Texte mehrfach durchlaufen zu ­lassen oder die Künstliche Intelligenz ihre Trainingsdaten selbst generieren zu lassen.

Wie lernen Anfänger in Zukunft?

Insofern muss man also damit rechnen, dass die Profis noch eine ganze Weile gebraucht werden. Die Frage ist also: Wie lernen Anfänger ihre Aufgaben in Zukunft?

Ein Ansatz ist: Sie setzen die Künstliche Intelligenz selbst ein. Das kann in einigen Berufen funktionieren. Der Betriebswirt Erik Brynjolfsson hat das zum Beispiel in einem Callcenter geschafft. Dort haben die Agenten Unterstützung von Künstlicher Intelligenz bekommen. Mit ihrer Hilfe wurden die Anfänger schnell besser, und auch als die Technik einmal ausfiel, sackte ihre Leistung nicht dramatisch ab.

Doch so läuft das nicht überall. Je komplizierter ein Beruf ist, umso eher muss man an den ersten Schritten auch mal scheitern, um wirklich zum Profi zu werden. Santa-Barabara-Professor Beane hat drei Disziplinen herausgearbeitet, die Berufsanfänger brauchen, wenn sie zum Profi werden sollen: Kompetenz, Komplexität und Kontakt.

Anfänger müssen in ihrem Feld kompetenter werden, indem sie immer schwierigere Aufgaben bekommen, die sie gerade ein bisschen überfordern. Sie müssen die Komplexität ihres Feldes kennenlernen, indem sie sich nicht nur mit ihrer eigenen Arbeit befassen, sondern auch einen Eindruck von den benachbarten Aufgaben bekommen. Und sie brauchen Kontakt mit anderen Menschen, idealerweise erfahreneren.

Wenn all das bei der Arbeit nicht mehr so oft von selbst passiert, müssen diese Aspekte der Ausbildung im Zweifel künstlich ersetzt werden. Das ist nicht unmöglich, aber es braucht Aufmerksamkeit, Zeit und Geld. Solche Initiativen werden ein bisschen von der Produktivität kosten, die Künstliche Intelligenz zunächst bringt. Die Kosten für die Ausbildung von Berufsanfängern werden transparenter, aber Unternehmen können sie nicht vernachlässigen.

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