Himmelblau, knielang und mit adrettem Kragen versehen ist das Kostümchen, dazu schwarze Lackstiefel, die wohl kaum für wilde Verfolgungsjagden geeignet sind: Dies ist die Uniform von „Las Azules“, der ersten weiblichen Polizeieinheit, die 1971 in Mexiko-Stadt formiert wird, wie die Krimiserie Women in Blue erzählt. Man werde nun Frauen als Heldinnen und nicht mehr als Opfer sehen, verspricht Polizeidirektor Emilio Escobedo (Christian Tappán) bei der Pressekonferenz zum Start der 16-köpfigen Einheit. Und auch die Frauen, die den Dienst antreten, haben große Hoffnungen – vor allem darauf, etwas an der (bis heute) von Frauenfeindlichkeit und Femiziden geprägten mexikanischen Gesellschaft verändern zu können.
Vier dieser Frauen treten in den Vordergrund des Plots: María (Bárbara Mori) ist die elegante Ehefrau eines Architekten, dessen Untreue sie an ihrem bisherigen Werdegang als zweifache Mutter und Hausfrau zweifeln lässt. Ihre jüngere Schwester Valentina (Natalia Téllez) ist da dezidierter: Lauthals protestiert sie auf Demonstrationen gegen die Tatenlosigkeit der Polizei gegenüber einer rätselhaften Mordserie an Frauen in Mexiko-Stadt, die bereits vier Opfer gefordert hat. Gemeinsam treten die ungleichen Schwestern die Polizistinnen-Ausbildung an, bei der sie auf Gabina (Amorita Rasgado) treffen, die gegen den Willen ihres Vaters (selbst stadtbekannter Polizeichef) Polizistin werden will. Die Vierte im Bunde ist die scheue Ángeles (Ximena Sariñana), bislang Fingerabdruck-Analystin, die sich vom Eintritt in den Polizeidienst ein höheres Gehalt erhofft und sich auch nicht von Ausbilder Romandía (Miguel Rodarte) abschrecken lässt, der meint: „Ihr werdet jeden Tag angeschossen werden, für einen beschissenen Lohn.“
Doch von solchen Gefahren ist das Quartett nach der lachhaft kurzen zweiwöchigen Ausbildung weit entfernt: María, Valentina, Gabina und Ángeles erhalten statt Dienstwaffen Trillerpfeifen und Münzen für Telefonzellen, sie müssen mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren und im Stadtpark patrouillieren. Dass sie auf dem Weg dorthin für Stewardessen gehalten werden, ist bezeichnend, schließlich sollen sie im Park vor allem ortsunkundigen Touristen behilflich sein.
Als die vier jedoch bei der Suche nach einem entlaufenen Hund am bewaldeten Parkrand eine Frauenleiche entdecken, ermitteln sie gegen den Willen ihrer männlichen Kollegen auf eigene Faust weiter. Schließlich ist die von den Polizistinnen entdeckte Frau das fünfte Opfer des seit Monaten in Mexiko-Stadt wütenden Serienmörders, den die Presse den „Entkleider“ nennt.
Obgleich die Kriminalgeschichte spannend konstruiert ist, leidet die Serie mitunter an emotionaler Überfrachtung: Den vier Frauen sind tragische Vergangenheiten und schwierige Lebensumstände auf den Leib geschrieben, ebenso schien es wohl obligatorisch, dass jede einen „Love Interest“ zugewiesen bekam. Mit Streichermelodien versehene Rückblenden lassen den Women in Blue zusätzlich etwas Telenovela-Pathos anhaften.
Doch wer darüber hinwegsehen kann, wird von der interessanten Verquickung von Fiktionalem und Realem überrascht. So spielt die Serie auf die realen Umstände der Bildung einer weiblichen Polizeieinheit in Mexiko-Stadt im Jahre 1969 an: Diese diente vor allem dazu, den Anschein von Progressivität zu erwecken, nachdem Sicherheitskräfte und Militär 1968 im „Massaker von Tlatelolco“ äußerst gewaltsam Studentenproteste niedergeschlagen hatten.
Dass ihre Einheit nichts weiter als ein Werbegag ist, um das Image der Polizei aufzupolieren, stellen auch die vier Protagonistinnen von Women in Blue fest. Zudem entdecken sie, dass ihren männlichen Kollegen jedes Mittel recht ist, um der aufgewühlten Öffentlichkeit einen gefassten Täter präsentieren zu können – ob dieser nun der wahre Serienmörder ist oder nicht. Unterdessen wagt sich María ans Profiling und ersucht Hilfe beim (realen) Serienmörder Gregorio Cárdenas Hernández (Bruno Bichir) im Gefängnis. Dass am Ende diesem – 1976 tatsächlich feierlich begnadigten – vierfachen Frauenmörder und nicht etwa der weiblichen Polizeitruppe für die Aufklärung der Verbrechensserie gedankt wird, ist eine gar nicht so weit hergeholte Pointe dieser Serie, die viel Beachtenswertes über den mühsamen Weg Richtung Progressivität in Mexiko zu erzählen hat.