Sie sind der Krisen und Kriege müde? Willkommen im Club. Ich bin es auch, wir alle sind es. Wegzuschauen ist in diesen Zeiten sehr verlockend. Es ist im Fall des Sudan nur leider keine Option. Auch, wenn es um ein Land geht, das vermeintlich weit entfernt ist.
Mehr als zehn Millionen Vertriebene. Bis zu 150.000 Todesopfer. Die Hauptstadt in Trümmern, die Infrastruktur weitgehend zerstört oder geplündert. Das ist im Telegrammstil die Lage im Sudan nach vierzehn Monaten Krieg zwischen den nationalen Streitkräften und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF). Früher Säulen einer jahrzehntelangen Diktatur, heute Todfeinde im Kampf um die Macht und Totengräber einer Zivilgesellschaft, die 2019 die Welt mit einer demokratischen Revolution überrascht hatte.
Im Schatten der Konflikte in der Ukraine und in Gaza wurde der Krieg im Sudan im diplomatischen Energiesparmodus behandelt – mit verheerenden Folgen für die Sudanesen. Weil beide Seiten humanitäre Hilfe blockieren, drohen bis zum Herbst mehr als zwei Millionen Menschen an den Folgen einer Hungersnot zu sterben. Richtig gelesen: zwei Millionen.
Manche Fußballvereine machen Werbung für einen der Kriegstreiber
Weil beide Seiten, vor allem die Paramilitärs, Massaker an Zivilisten verüben, droht außerdem in der sudanesischen Region Darfur ein Völkermord. Wem das bekannt vorkommt: Die RSF sind aus jenen arabischstämmigen Reitermilizen hervorgegangen, die vor rund 20 Jahren schon einmal einen Genozid an schwarzafrikanischen Bevölkerungsgruppen begangen haben.
Eigentlich sollte das reichen, damit die internationale Staatengemeinschaft – oder was immer von ihr übrig geblieben ist – eingreift. Aber es reicht bislang nicht.
Falls Sie jetzt erschrecken: Dies ist kein Plädoyer für einen humanitären Einsatz der Bundeswehr oder einer anderen Kavallerie zur Rettung der Sudanesen. Dies ist ein Plädoyer, die Hungersnot zumindest zu lindern (verhindern kann man sie nicht mehr). Weil für den Sudan nicht annähernd genügend Hilfsgeld fließt, reichen die Mittel nicht einmal, um die Flüchtlinge in den Nachbarländern zu versorgen. Dort machen sich immer mehr Menschen auf den Weg Richtung Mittelmeer. Europa also, wo Regierungen bei den Wörtern „Flucht“ und „Migration“ in Panik geraten. Aber die derzeit größte Flüchtlingskrise der Welt nehmen sie nicht ernst.
Jetzt braucht es alles, was verfügbar ist: Endlich ein landesweites Waffenembargo. Massiven Druck auf die Kriegsparteien, um humanitäre Korridore zu erlauben. Luftbrücken. All das wird teuer. Sehr teuer. Wie immer, wenn man bei der Prävention geschlafen hat. Nur wird Geld allein nicht reichen.
Es ist nicht so, dass niemand im Sudan intervenieren würde. Gut ein halbes Dutzend Staaten mischen als Kriegstreiber mit. Die meisten sind alte Bekannte, die schon die Konflikte im Jemen und in Syrien befeuert haben: Saudi-Arabien, der Iran, Ägypten aufseiten der sudanesischen Armee. Russland natürlich, wenn auch momentan abwartend. Vor allem aber die Vereinigten Arabischen Emirate, wichtigster Geschäftspartner der RSF und laut UN-Berichten großzügiger Waffenlieferant.
In Deutschland und Europa ist der kleine Golfstaat für seine Skyline, sein Flüssiggas und seine Fluggesellschaft bekannt, mit deren Namen auf der Brust die Spieler von Real Madrid und Arsenal London auflaufen. Die Herrscher in Abu Dhabi hätten gern, dass das so bleibt.
Ihre Waffenlieferungen mit Sanktionen zu belegen und ihr Image als stabile Luxusoase in einer chaotischen Welt zu zerlegen, ist das Mindeste, was Europa tun kann. Denn weder Armee noch Paramilitärs im Sudan werden sich auf Verhandlungen einlassen, solange der Nachschub mit Geld und Waffen anhält.
Nicht nur die EU und die Regierungen ihrer Mitgliedsstaaten stehen in der Pflicht, sondern auch ihre Bürger. Öffentlicher Druck beeinflusst politisches Handeln. Mit wem wir Empathie und Solidarität zeigen, für wen und was wir auf die Straße gehen, ist unsere freie Entscheidung. Und wessen Fußballtrikots wir kaufen.
Sie wolle ein „grelles Licht auf die schrecklichen Verbrechen“ der Kriegsparteien im Sudan werfen, hatte Außenministerin Annalena Baerbock gesagt. Bislang ist kaum ein Lichtlein draus geworden. Bei aller Krisenmüdigkeit: Wir alle wissen, wo der Schalter für die Scheinwerfer ist.
Sie sind der Krisen und Kriege müde? Willkommen im Club. Ich bin es auch, wir alle sind es. Wegzuschauen ist in diesen Zeiten sehr verlockend. Es ist im Fall des Sudan nur leider keine Option. Auch, wenn es um ein Land geht, das vermeintlich weit entfernt ist.
Mehr als zehn Millionen Vertriebene. Bis zu 150.000 Todesopfer. Die Hauptstadt in Trümmern, die Infrastruktur weitgehend zerstört oder geplündert. Das ist im Telegrammstil die Lage im Sudan nach vierzehn Monaten Krieg zwischen den nationalen Streitkräften und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF). Früher Säulen einer jahrzehntelangen Diktatur, heute Todfeinde im Kampf um die Macht und Totengräber einer Zivilgesellschaft, die 2019 die Welt mit einer demokratischen Revolution überrascht hatte.