Die Ausgangslage ist klar. Zumindest in der Theorie. „Mit mir wird es eine Brandmauer zur AfD geben“, verkündete Friedrich Merz vor seinem Amtsantritt als CDU-Parteichef. Wer aus seiner Partei mit der AfD zusammenarbeite, dem drohte er mit einem Parteiausschlussverfahren. Knapp drei Jahre ist das her.
Seitdem wurde viel diskutiert über die politische Brandmauer, die verhindern soll, dass die AfD behandelt wird wie jede andere Partei. Im Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU ist die klare Kante des Parteivorsitzenden ebenfalls festgehalten: Keine Koalition oder Zusammenarbeit mit der AfD, die vom Verfassungsschutz bundesweit als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft wird.
Bei genauerer Betrachtung jedoch wird klar: Längst nicht alle in der Union sehen sich bedingungslos an diesen Parteitagsbeschluss gebunden. Die Brandmauer – sie hat bereits erste Löcher.
Dazu ein Blick nach Thüringen, an den Rand des Südharzes. Hier in Nordhausen diskutierte der Stadtrat zuletzt, ob Dauerparker in der Parkgarage Bürgerhaus zum Jahreswechsel mehr zahlen – ja, müssen sie. Und ob die Stadt und ihre 44.000 Einwohner bald einen Mountainbikepark bekommen – alle Abgeordneten sind dafür. Im Stadtrat von Nordhausen ringen 23 Stadträte aber auch mit einer Frage, die vielerorts in Deutschland zur politischen Gretchenfrage wird: Wie halten wir es mit der AfD?
Vor allem die CDU muss sich damit auseinandersetzen, ist sie doch in weiten Teilen Ostdeutschlands die einzig verbliebene demokratische Kraft, die der AfD noch ebenbürtig ist. In Nordhausen hat die AfD mit 13 von 36 Sitzen eine klare Mehrheit im Stadtrat. Es folgt die CDU mit acht Sitzen, alle anderen Fraktionen entsenden zusammen 15 Stadträte.
Ein parteiloser Kandidat – für CDU und AfD
Anfang August, in der ersten Sitzung, wählten die Abgeordneten des Stadtrats ihren Vorsitzenden. Politische Brandmauer? In Nordhausen wohl eher eine Ruine. Die Wahl gewann Andreas Leupold von der AfD. Mindestens vier Abgeordnete anderer Parteien stimmten für den AfD-Kandidaten – und nicht für die Gegenkandidatin von der CDU. Die Linken behaupten, die Stimmen kämen wahrscheinlich aus dem Lager der CDU. Die CDU unkt, dass vielleicht Linke für AfD-Mann Leupold votierten. Da die Wahl geheim erfolgte, lassen sich die Aussagen nicht überprüfen.
Zweifelsfrei dokumentiert ist hingegen, wie auf kommunaler Ebene an ganz unterschiedlichen Orten mit der AfD zusammengearbeitet wird. In der Stadtverordnetenversammlung in Cottbus etwa brachten CDU und AfD einen gemeinsamen Antrag ein, in dem sie forderten, dass die Stadt zukünftig weniger Geflüchtete aufnimmt. In Stralsund erhielt die AfD-Fraktion bei mindestens vier ihrer Anträge mehr Stimmen, als sie Sitze in der Bürgerschaft hat. Im Westen Thüringens sitzt der parteilose Kommunalpolitiker Frank Böwe für die CDU im Stadtrat von Ruhla und für die AfD im Kreistag. Die Doppelrolle scheint niemanden zu stören.
Das sind keine Einzelfälle. Das zeigt auch die jüngste Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). Ein Forscherteam untersuchte dabei Kooperationen mit der AfD für alle ostdeutschen Landkreise und kreisfreien Städte in den zurückliegenden fünf Jahren. In 484 Fällen konnten sie nachweisen, dass andere Parteien inhaltlich mit der AfD zusammengearbeitet haben, indem einem AfD-Antrag mindestens ein Abgeordneter einer anderen Partei zustimmte.
Absprachen mit der AfD
Welche Partei mit der AfD zustimmte, war nur in 42 Fällen eindeutig auszumachen. Am häufigsten kooperierte die CDU mit der AfD (62 Prozent), dicht gefolgt von der FDP, die in 50 Prozent der Fälle Anträge der Rechten unterstützte. Noch häufiger waren laut Studienautoren aber fraktionslose Abgeordnete oder Vertreter kleinerer Parteien wie der NPD oder der Freien Wähler an einer Kooperation beteiligt.
In Nordhausen ist politisch besonders brisant, was nach der Wahl im Stadtrat geschah. Statt sich über die Wahl ihres Parteikollegen zu freuen, zeigte sich der AfD-Kreisverband empört. In einer Erklärung auf Facebook behauptete die AfD, man habe sich vor der Wahl mit CDU-Vertretern getroffen, „um über die personelle Aufstellung für die kommunalen Gremien in den nächsten Jahren zu beraten.“ Anschließend habe sich die CDU nicht an alle Vereinbarungen bei der Postenvergabe gehalten. Entgegen der Absprache sei etwa der Kreistagsvorsitz an eine CDU-Vertreterin gegangen.
Die Ausgangslage ist klar. Zumindest in der Theorie. „Mit mir wird es eine Brandmauer zur AfD geben“, verkündete Friedrich Merz vor seinem Amtsantritt als CDU-Parteichef. Wer aus seiner Partei mit der AfD zusammenarbeite, dem drohte er mit einem Parteiausschlussverfahren. Knapp drei Jahre ist das her.
Seitdem wurde viel diskutiert über die politische Brandmauer, die verhindern soll, dass die AfD behandelt wird wie jede andere Partei. Im Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU ist die klare Kante des Parteivorsitzenden ebenfalls festgehalten: Keine Koalition oder Zusammenarbeit mit der AfD, die vom Verfassungsschutz bundesweit als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft wird.