Nach dem Willen der EU-Gesundheitsminister soll Rauchen künftig auch an wichtigen „schützenswerten“ Orten im Freien verboten werden. Die Minister stimmten auf einem Treffen am Dienstag in Brüssel fast einstimmig für einen entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission vom September. Nur Deutschland und Griechenland enthielten sich. Die deutsche Enthaltung beruhte auf unterschiedlichen Positionen von SPD- und Grünen-geführten Ministerien. Während die SPD-Ministerien und das Bundeskanzleramt gegen den Kommissionsvorschlag stimmen wollten, stellten sich die Grünen hinter ihn. Das Phänomen des „German Vote“ – einer deutschen Enthaltung in Abstimmungen des Ministerrats wegen unterschiedlichen Positionen in der Bundesregierung – setzt sich also auch in der rot-grünen Koalition ohne die FDP fort. Die Mitgliedstaaten sind an die Empfehlung nicht gebunden.
Konkret betroffen sind Spielplätze, die Außengastronomie, Freizeitparks, Schwimmbäder, Strände, Zoos, Haltestellen, Hochschulen und Open-Air-Veranstaltungen. Das Rauchverbot an diesen Orten bedeute einen wirksamen Schutz vor Passivrauchen, heißt es in der Entscheidung der Minister. Neben klassischem Tabakrauch richten sich die Empfehlungen auch gegen Tabakerhitzer und elektronische Zigaretten. Auch vor deren Dämpfen sollen Nichtraucher und Kinder besser geschützt werden.
Der Ministerbeschluss bindet die einzelnen Mitgliedstaaten nicht, da die EU für die Gesundheitspolitik nicht zuständig ist. Der ungarische EU-Ratsvorsitz erklärte, die Empfehlung bedeute kein obligatorisches Verbot. Österreichs Gesundheitsminister Johannes Rauch sagte: „Europa verbietet gar nichts. Das muss einmal festgehalten werden.“ Der deutsche Vertreter, Gesundheitsstaatssekretär Thomas Steffen, erklärte die Enthaltung der Bundesregierung auch damit, dass in Deutschland viele Zuständigkeiten für Gesundheitsfragen bei den Bundesländern lägen. Diese hätten eine „differenziertere Betrachtung“ im Umgang mit Rauchen im Freien gefordert.
Mehrheit des Europaparlaments stimmte gegen Verbot
Mehrere Mitgliedstaaten gaben denn auch zu Protokoll, dass sie die Entscheidung nicht in nationale Vorschriften umsetzen wollten. Der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese sprach deshalb von einem „Pyrrhussieg“ für die Anhänger eines Rauchverbots im Freien. „Entscheidende Mitgliedstaaten“ hielten ein solches Verbot offenbar nicht für richtig. Das gelte auch für eine Mehrheit des Europaparlaments. Die Abgeordneten hatten den Kommissionsvorschlag in der vergangenen Woche mehrheitlich mit der für das Parlament bemerkenswerten Begründung abgelehnt, die EU sei für das Thema nicht zuständig.
Der Vorschlag habe „wenig mit Gesundheitsschutz und viel mit Bevormundung“ zu tun, sagte damals der CDU-Parlamentarier Daniel Caspary. Natürlich sei „jede Zigarette, die nicht geraucht wird, gut für die Gesundheit. Aber die Entscheidung darüber obliegt dem Einzelnen.“ Am Dienstag kritisierte Caspary die Entscheidung der Minister. „Während die europäische Wettbewerbsfähigkeit weiter schwächelt und in unserer Nachbarschaft ein blutiger Krieg tobt, sollten wir uns nicht mit unsinniger Verbotspolitik beschäftigen müssen.“
Deutschland hat laut der Initiative „Smoke Free Partnership“ eine verhältnismäßig schwache Gesetzgebung gegen Tabakkonsum. Nach den Angaben von Ende 2022 seien nur noch die Gesetze in Serbien, der Schweiz und Bosnien-Hercegovina weniger scharf als in Deutschland. Auf den ersten drei Plätzen liegen Irland, das Vereinigte Königreich und Frankreich. Die frühere Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides hatte ihren Vorstoß im September mit dem Schutz vor Passivrauchen und dem Kampf gegen Krebs begründet. Nach Angaben der EU-Kommission fordert Tabakkonsum in der Europäischen Union jedes Jahr 700.000 Menschenleben. Davon entfielen Zehntausende auf Passivrauchen. „Es ist das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in der EU“, sagte Kyriakides’ Nachfolger Oliver Varhelyi am Dienstag.
Es ist offen, welche Durchschlagskraft die neue Empfehlung entfalten wird. Eine gemeinsame Empfehlung des EU-Ministerrats und des Europaparlaments aus dem Jahr 2009, die die Minister jetzt offiziell verschärfen wollen, hatte weitgehend Erfolg. Sie zielte auf ein Rauchverbot in öffentlichen (Innen-)Räumen und wurde in den meisten Mitgliedstaaten mehr oder weniger komplett umgesetzt. In Deutschland ist die Regelung je nach Bundesland unterschiedlich streng; meistens gilt ein Rauchverbot, baulich getrennte Raucherräume sind aber zugelassen.
Seit der Empfehlung von 2009 sei der Anteil der Raucher an der Gesamtbevölkerung gesunken, teilte die Kommission mit. Das habe auch zu einem Rückgang der Krebstoten und der Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Krankheiten geführt.