Deutschlands größte Industriebranche rutscht immer tiefer in die Krise. Hinter uns liegt eine weitere Woche mit deprimierenden Nachrichten aus den Autounternehmen: In Wolfsburg drohten am Mittwoch die Belegschaftsvertreter von Volkswagen mit einem Arbeitskampf, „den die Republik noch nicht erlebt hat“. Der Betriebsrat wehrt sich gegen geplante Kostensenkungen und die erstmals drohenden Schließungen von VW-Fabriken in Deutschland. In Stuttgart kündigte Mercedes am Donnerstag ein milliardenschweres Sparprogramm an. Am Freitag gab der weltgrößte Autozulieferer Bosch den Abbau von weiteren 5500 Arbeitsplätzen bekannt.
Die Lage ist ernst, so ernst wie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Lange schon wird darüber gesprochen, wie sehr die zwei Megatrends im Automobilbau die Branche verändern werden: der Wechsel vom Verbrennungsmotor zum batterieelektrischen Antrieb und die immer größere Bedeutung von Software und Digitaltechnik in den Autos. Jetzt erreicht der Wandel mit voller Wucht die Zentralen der Autobauer und ihre Fabriken.
Bisherige Geschäftsgrundlage erodiert rapide
Elektrifizierung und Digitalisierung haben die lange Zeit erfolgsverwöhnten deutschen Autobauer in die Defensive gebracht. Deutsche Autos sind teuer, die höheren Preise konnten die Hersteller lange bei den Kunden durchsetzen, weil sie bessere Technik, gute Qualität und viel Markenprestige zu bieten hatten.
Aber die bisherige Geschäftsgrundlage erodiert rapide. Nirgendwo wird das so deutlich wie in China, dem weltgrößten Automarkt. Viele Jahre lang lebten die deutschen Hersteller sehr gut von dem scheinbar ewig weiter wachsenden Hunger chinesischer Kunden nach ihren Autos. Die satten Gewinne aus China machten die Konzerne daheim behäbig und träge. VW konnte sich die hohen Kosten seiner deutschen Fabriken nur leisten, weil die Profite aus China flossen.
Jetzt ist der Markt gekippt, Elektroautos und hybridelektrische Fahrzeuge verdrängen in China immer stärker die traditionellen Verbrennermodelle der deutschen Hersteller. Europa und damit auch die Autonation Deutschland sind keine Technologieführer mehr, bilanziert der frühere EZB-Präsident Mario Draghi in seinem kürzlich vorgelegten Bericht zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit: In fast allen Belangen seien chinesische Autobauer den Europäern eine Modellgeneration voraus, schreibt Draghi.
Auf dem Weg ins Industriemuseum
Die deutschen Autobauer haben keine Wahl, sie müssen sich in dieser neuen Autowelt durchsetzen und sich ihren Platz wieder erkämpfen. Die Pole Position aus den alten Zeiten ist in China bereits weg. Wenn es so weitergeht wie bisher, werden die Chinesen auch den europäischen Markt erobern. Es ist eine Illusion, anzunehmen, dass europäische Kunden auf Dauer eine andere Kaufentscheidung treffen werden als chinesische, wenn Autos aus China besser und billiger sind als die Produkte deutscher Konzerne.
Zwar werden Autos mit Verbrennungsmotor in Europa voraussichtlich nicht so schnell von den Straßen verschwinden wie in China. In Deutschland sind dieses Jahr die Verkaufszahlen von E-Autos stark gesunken. Der Wandel dauert wahrscheinlich länger als noch vor wenigen Jahren angenommen. Das ist ein Vorteil für die europäischen Hersteller, die mit Verbrennermodellen in ihrem Heimatmarkt vorübergehend weiter Geld verdienen können.
Aber das ändert nichts daran, dass das Zeitalter des Verbrennungsmotors im Auto zu Ende gehen wird. Es gibt technische Alternativen zum batterieelektrischen Antrieb, aber deutsche Automanager und Politiker werden die Zukunft der Autofabriken nicht sichern, indem sie versuchen, dem Verbrenner mit synthetischen Treibstoffen ein zweites Leben zu geben, und auf ewige Hoffnungsträger wie die Wasserstoff-Brennstoffzelle setzen. Die im Wettbewerb entscheidende Antriebsform wird das batterieelektrische Auto sein. Auch wenn sie sich in Deutschland derzeit schlecht verkaufen: Ohne konkurrenzfähige E-Autos sind die deutschen Hersteller über kurz oder lang auf dem Weg ins Industriemuseum.