Koalitionsvertrag: Ökonomen sehen in Koalitionsvertrag Potenzial zu Gunsten von Wirtschaftswachstum

Koalitionsvertrag: Ökonomen sehen in Koalitionsvertrag Potenzial zu Gunsten von Wirtschaftswachstum

Ökonomen bewerten den Koalitionsvertrag von Union und SPD grundsätzlich positiv. „Wenn die Regierung die Investitionspläne so umsetzt wie angekündigt, könnte das Bruttoinlandsprodukt ein gutes Prozent höher ausfallen als ohne die Pläne“, erklärte Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK).

Wachstumsfördernd dürften „die höheren Abschreibesätze für die kommenden drei Jahre sein“, führte Dullien aus. Sie würden „private Investitionen ankurbeln“. Auch die Maßnahmen zur Stabilisierung der Stromkosten seien
zu begrüßen.

Weitere Ökonomen schlossen sich dem Lob an den beschleunigten Abschreibungen an. „Das ist ein wichtiges Signal“, sagte Jens Südekum, Professor für internationale Volkswirtschaft in Düsseldorf. „Eventuell kann die neue Regierung hierfür auf Finanzierungsoptionen außerhalb des Kernhaushalts zurückgreifen.“ Denkbar sei, dass die Bundesregierung auf den Klima- und
Transformationsfonds zurückgreift. Denn bei den Abschreiberegelungen handele es sich um die Förderung privater Investitionen.

Auch Andreas Peichl, Leiter des Zentrums für Makroökonomik und Befragungen am Ifo-Institut in München, sagte ZEIT ONLINE: „Zunächst beschleunigte Abschreibungen einzuführen und dann ab 2028 die Körperschaftsteuer schrittweise um fünf Prozentpunkte zu senken, ist der richtige Weg.“ Außerdem das Wachstum in Deutschland fördern dürften die Innovations-
und Forschungsförderung und der Ausbau der Infrastruktur. „Die politische Entscheidung, Wachstum zu priorisieren, ist in der aktuellen Lage angesichts der Stagnation und der Schwäche der privaten Investitionen richtig.“

Zuletzt sehen Pleichl und Monika Schnitzer, Chefin der Wirtschaftsweisen, auch im Bürokratieabbau eine Chance für die Wirtschaft. „Mit der Abschaffung des nationalen Lieferkettengesetzes wird ein Signal für Bürokratieabbau gesetzt“, sagte Schnitzer. Dies sei allerdings nur ein erster Schritt.

Ökonomen bemängeln Ausgaben für Mütterrente, Gastronomie und Agrardiesel

Bemängelt wird von vielen Ökonomen die Finanzierung, die an einigen Stellen ungeklärt ist. Vor allem einige Ausgaben werden kritisiert. Südekum von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf sagte: „Bedauerlich ist, dass es diverse neue Ausgaben in den Koalitionsvertrag geschafft haben, die rein konsumtiv ausgerichtet sind.“ Dazu zählten die Ausweitung der Mütterrente, die Subventionierung des Agrardiesels oder die Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie. Diese laut Koalitionsvertrag kurzfristigen Projekte würden etwa acht Milliarden Euro im Kernhaushalt kosten. „Hätte die Koalition hierauf verzichtet, wäre Raum für sofortige Entlastungen bei der Einkommensteuer und der Unternehmenssteuer entstanden“, sagte Südekum. Diese würden stärker zur Wettbewerbsfähigkeit und dem Wachstum in Deutschland beitragen. 

Ähnlich äußern sich Peichl vom Ifo-Institut München und Dullien vom IMK. Die geplanten Ausgaben würden „die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben“ vergrößern, sagte Dullien. Mit den ebenfalls angekündigten Einsparungen ließen sich die Maßnahmen
nicht finanzieren. In weiten Teilen sei der Koalitionsvertrag daher eher
eine „Absichtserklärung“. „Das wird viel auf die Details im Gesetzgebungsprozess ankommen“, sagte Peichl ZEIT ONLINE.

Die arbeitgebernahen Forscher des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln kritisierten ebenfalls eine fehlende „klare Priorisierung auf der
Ausgabenseite“. Anstatt Sparpotenziale zu nennen, seien neue
Ausgabenposten wie die Mütterrente oder die Wiedereinführung der
Dieselsubvention für Landwirte hinzugekommen.

Schnitzer von den Wirtschaftsweisen teilte zudem mit, dass „die dringend erforderliche Rentenreform, um das Rentensystem finanzierbar zu halten“ fehle. Die Aktivrente sowie Steuerfreiheit von Überstundenzuschlägen zur
Lösung des Arbeitskräfteproblems seien teure Maßnahmen, für die es günstigere
Alternativen gäbe. Sie nannte eine Erhöhung des Renteneintrittsalters und die Abschaffung des
Ehegattensplittings.

Ökonomen halten schnelle Einigung für wichtiger als klar geklärte Finanzierung

Neben den Kritikpunkten loben die Ökonomen jedoch das schnelle Ende der Koalitionsverhandlungen. IMK-Forscher Dullien ergänzte, dass vor dem Hintergrund des sich zuspitzenden Handelskonflikts mit den USA das Vorgehen der Koalitionäre „möglicherweise“ von Vorteil sei. Im Fall einer Rezession sei es „wichtiger, eine handlungsfähige Regierung zu haben, die möglicherweise erneut die Schuldenbremse aussetzt und kurzfristig konkrete Stützungsmaßnahmen für die deutsche Wirtschaft beschließt, als einen durchgerechneten Koalitionsvertrag“. Wirtschaftsweise Schnitzer schloss sich dem an. Eine schnelle Einigung sei „angesichts der weltwirtschaftlichen Entwicklungen richtig und wichtig.“

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