Das größte Kaliber wählte natürlich Markus Söder. „Der Teufel“, sagte der bayerische Ministerpräsident auf einem CSU-Parteitag vergangene Woche über Sahra Wagenknecht, „trägt halt doch manchmal Prada.“
Gleichzeitig verhandelten Söders Unionskollegen von der CDU und Politiker der SPD in Sachsen und Thüringen längst mit den – um im Bild zu bleiben – Abgesandten dieser Teufelin. Nun haben diese Gespräche in beiden Bundesländern die erste Hürde genommen, aus den Vorgesprächen in Sachsen werden ernste Sondierungen, aus den Sondierungen in Thüringen werden Koalitionsverhandlungen. Zum Glück. Denn in Ostdeutschland gibt es durch einen Pakt mit dem BSW unterm Strich mehr zu gewinnen als zu verlieren.
Das BSW ist einerseits Beschleuniger und Nutznießer einer tiefen Vertrauenskrise von Politik. Es arbeitet daran, die Gesellschaft weiter auseinanderzutreiben. Anderseits aber liegt in einer Koalition mit dem BSW eine Chance, die keine der beiden möglichen Alternativen zur Regierungsbildung – eine Zusammenarbeit mit der AfD oder eine Minderheitsregierung – bietet: Ein Bündnis mit dem BSW könnte der politischen Kultur in den ostdeutschen Ländern den bitter nötigen Impuls geben, den die etablierten Parteien selbst nicht mehr hervorbringen können.
Ein gereiztes Land
Wer im Sommer durch den Osten Deutschlands reiste, erlebte ein gereiztes Land. „Je weiter du herauskommst, desto härter wird es“, sagte ein Gewerkschafter Ende August in Thüringen. Er war aus der Universitätsstadt Jena in eine Kleinstadt gezogen. Ein Genosse pflichtete ihm bei: „Entweder man spart Politik aus – oder man geht getrennter Wege.“ Im Dorfsportverein gehe das nur schlecht. Auf der einen Seite die AfD, auf der anderen alle, die sie ablehnen. Und in manchen Familien rettet nur ein eiliges „So, wer will noch ein Stück Torte?“ den Sonntagnachmittag. Lieber schweigen und schmatzen als streiten.
AfD und BSW haben diesen Unmut geschürt und aufgesogen. Bei den drei Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg erreichten sie zusammen jeweils über 40 Prozent der Stimmen. Viele kamen von Menschen, die sich, ob zu Recht oder nicht, nicht gehört fühlen.
Dabei wollen Politiker doch den Dialog. Sorgen ernst nehmen, das Gespräch suchen, miteinander statt übereinander reden? In Sachsen hatten CDU, SPD und Grüne das nicht nur angekündigt, sondern fünf Jahre lange versucht.
Justiz- und Sozialministerium wurden zu Ministerien für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt aufgebaut. Ministerpräsident Michael Kretschmer tourte zum Bürgerdialog nach Dorfhain, Zwochau, Pausa-Mühltroff. Schon im Herbst 2021 rief die Staatsregierung einen Bürgerrat Forum Corona ein. 50 zufällig ausgewählte Bürger beugten sich über die Pandemiepolitik. Schon zu Pegida-Zeiten hatte es staatlich organisierte Bürgerforen zum Dampf ablassen gegeben.
Nichts davon war falsch. Doch gereicht hat es nicht. Die Koalition, die sich obendrein noch zerstritt, verlor die Wählergunst. Selbst eine CDU unter Michael Kretschmer, die sich maximal gegen die Bundesregierung stellte, konnte nur mit vielen Leihstimmen von kleineren Parteien ihren Spitzenplatz vor AfD und BSW verteidigen.
Da hilft kein Dialogformat
Die sächsische Erfahrung beweist, dass die Repräsentationskrise von den Parteien der Mitte nicht mehr zu beheben ist. CDU, SPD, Grüne, FDP und auch die Linke haben allesamt bei einem wachsenden Teil der Wähler ein tief sitzendes Glaubwürdigkeitsproblem, das kein Dialogformat schließen kann. Man kann das beklagen, aber es hilft nichts. Am Ende bleiben die Etablierten als Verantwortungsträger auf der einen Seite unter sich – und die Wütenden und Besorgten auf der anderen Seite.
Auch Wagenknechts nahezu wöchentlichen Talkshowauftritte füllen diese Lücke nicht. Denn unsere Debattenkultur produziert Außenseiterpositionen und presst Meinungen in ein Schwarz-Weiß-Schema: Es scheint, als könne man nur entweder für Waffenlieferungen an die Ukraine sein – oder für mehr diplomatische Initiativen. Als stünde man vor der Alternative, sich gegen Rassismus und Rechtsextremismus zu stellen – oder Migration begrenzen zu wollen. Entweder oder. Dabei belegen Umfragen, dass Menschen in beiden Fragen jeweils beide Positionen vertreten können. Dass ihr Welt- und Meinungsbild komplexer ist als die einfachen Unterscheidungen der Talkshows und der Parteipolitik.
Denn einzelne Positionen werden exklusiv mit bestimmten Parteien identifiziert, und wer Ähnliches sagt oder denkt, wird sofort in Mithaftung genommen. So wird man dann als „linksgrün“, „AfD-Helfer“ oder „Putinversteher“ verteufelt. Auf diese Art schließen sich Räume des gemeinsamen Sprechens.
Von wegen BSW-Hörigkeit
Das mussten gerade Michael Kretschmer, Mario Voigt und Dietmar Woidke erleben. Die drei ostdeutschen CDU- und SPD-Politiker riefen in einem Gastbeitrag für die FAZ nach Verhandlungsinitiativen für die Ukraine. „Woidke, Kretschmer und Voigt übernehmen Wagenknecht-Forderung“, titelte es danach. Sicher, der Beitrag war mit Blick auf die laufenden Gespräche mit dem BSW verfasst worden. Nur hatte das CDU-Trio lediglich aufgeschrieben, wofür es bereits vor den Landtagswahlen eingetreten war, als von BSW-Hörigkeit noch keine Rede sein konnte.
Das größte Kaliber wählte natürlich Markus Söder. „Der Teufel“, sagte der bayerische Ministerpräsident auf einem CSU-Parteitag vergangene Woche über Sahra Wagenknecht, „trägt halt doch manchmal Prada.“
Gleichzeitig verhandelten Söders Unionskollegen von der CDU und Politiker der SPD in Sachsen und Thüringen längst mit den – um im Bild zu bleiben – Abgesandten dieser Teufelin. Nun haben diese Gespräche in beiden Bundesländern die erste Hürde genommen, aus den Vorgesprächen in Sachsen werden ernste Sondierungen, aus den Sondierungen in Thüringen werden Koalitionsverhandlungen. Zum Glück. Denn in Ostdeutschland gibt es durch einen Pakt mit dem BSW unterm Strich mehr zu gewinnen als zu verlieren.