Die Bundesregierung tut nach Einschätzung der gemeinnützigen Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch bei Weitem nicht genug, um ihren Zusagen im Kampf gegen den Klimawandel gerecht zu werden. Demnach wird Deutschland in dem jährlich erscheinenden Climate Change Performance Index (CCPI) insgesamt nur noch im Mittelmaß eingestuft. Im internationalen Vergleich rutscht Deutschland um sechs Plätze auf Rang 22 ab. Das ist die schlechteste Bewertung im CCPI seit sechs Jahren.
In fast allen Vergleichskategorien attestieren die Studienautoren Deutschland, „ins Mittelmaß abgerutscht“ zu sein. Das trifft demnach sowohl auf den CO₂-Ausstoß und den Ausbau der erneuerbaren Energien, als auch auf die aktuelle Politik der Bundesregierung zu. Nur im Energieverbrauch pro Kopf beobachten die Experten Fortschritte.
Deutschland setzt aufs Gas
Die Gründe für den Abstieg liegen laut Germanwatch in einer wenig ambitionierten Klimapolitik und einer Rückkehr zum Gas, die den Ausstieg aus fossilen Energieträgern bedrohe. Die Studienautoren kritisieren zudem mangelnde Vorgaben zur Senkung der Emissionen in den „Problemsektoren“ Verkehr und Gebäude. Insbesondere bei der Bahn und bei der Lade-Infrastruktur für elektrisch betriebene Lkw sehen sie Nachbesserungsbedarf. Kritisiert wird außerdem die Streichung von Mitteln für Klimaschutz in der Entwicklungshilfe.
Dazu kämen neue Daten zur Situation der deutschen Wälder, die für eine deutlich schlechtere Bewertung bei den Emissionen sorgen. Im Rahmen der Bundeswaldinventur hatte sich im vergangenen Jahr herausgestellt, dass die Wälder durch Dürren, Schädlingsbefall und frühere Unwetter in schlechterem Zustand sind als gedacht. In der Summe speichern sie demnach kein CO₂ mehr, sondern tragen selbst zu den Emissionen bei.
Um seinen Verpflichtungen gerecht zu werden, müsse Deutschland deutlich mehr in den Klimaschutz investieren, schreiben die Autoren des Klimarankings. Sie fordern unter anderem, aus dem Gas auszusteigen, den Netzausbau voranzutreiben und die Kosten für Netzbetreiber zu senken. Zudem müssten Subventionen für die Nutzung fossiler Energieträger in der Industrie gestrichen werden.
Erfolge in China
Auch in vielen anderen Ländern beobachteten die Experten Rückschritte beim Klimaschutz. So gibt es im diesjährigen Klimaschutzranking wie schon in den vergangenen Jahren kein einziges Land, das die Note „sehr gut“ erhält. Die ersten drei Plätze im Ranking bleiben darum symbolisch frei – danach folgen Dänemark, Großbritannien und Marokko, die jeweils mit einer guten Gesamtnote abschneiden.
Unter den Ländern der G20, die zusammen für mehr als drei Viertel der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich sind, erhalten dagegen 13 von zwanzig Ländern eine schlechte oder sehr schlechte Gesamtbewertung. Insbesondere die USA verschlechtern sich: Sie fallen um acht Plätze ab und belegen nun gemeinsam mit Russland, Iran und Saudi-Arabien die hintersten Plätze im Klimaschutzranking. „Wir haben eine Gruppe der Petrostaaten, die das fossile Zeitalter um jeden Preis fortsetzen will“, teilte Jan Burck, einer der Autoren des Berichts, mit.
Auch China belegt auf Rang 54 weiterhin einen der hintersten Plätze. Allerdings vermerken die Experten einige Erfolge. So habe das Land seine Ziele für den Zubau erneuerbarer Energien bis ins Jahr 2030 schon vergangenes Jahr erreicht. Auch der CO₂-Ausstoß sei zuletzt gesunken. Anders als bei früheren Rückgängen sei das nicht auf eine schwächelnde Wirtschaft zurückzuführen, sondern auf einen strukturellen Wandel in der Energieversorgung.
„Kein gutes Bild für die EU“
In der EU zeige sich ein gemischtes Bild. Die Staatengemeinschaft verschlechtert sich insgesamt um einen Platz im Ranking, wobei die Mitgliedsländer sehr unterschiedlich abschneiden. Immerhin acht Länder wie etwa Dänemark, Luxemburg oder seit diesem Jahr auch Rumänien erhalten von den Klimaschutzexperten eine gute Gesamtnote.
Zehn Länder schneiden dagegen schlecht ab, wobei Bulgarien den letzten Platz innerhalb der EU belegt. Die übrigen Staaten gelten in Sachen Klimaschutz als mittelmäßig. „Das ist kein gutes Bild für die EU, die doch als Zugpferd für die Umsetzung des Pariser Abkommens so dringend gebraucht wird“, sagte Co-Autorin Thea Uhlich.
Der Climate Change Performance Index wird seit mittlerweile 20 Jahren veröffentlicht. Er bildet die Klimaschutzbemühungen von insgesamt 63 Ländern ab, die zusammen für mehr als 90 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich sind. In die Bewertung fließen verschiedene Indikatoren ein. Dazu gehören die nationalen CO₂-Emissionen, die Geschwindigkeit beim Ausbau erneuerbarer Energien, der Energieverbrauch im Land sowie die Klimapolitik.