Klimaschutzverträge: Das nächste umstrittene Subventions-Paket des Wirtschaftsministers – WELT

Der Wirtschaftsminister fördert Firmen, die in klimafreundliche Technologien investieren. Dazu werden Verträge mit dem Staat geschlossen. Kontrollieren soll das ausgerechnet die Behörde, die bei Projekten im Ausland versagt hat.

Unternehmen, die einen Förderbescheid persönlich von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) überreicht bekommen wollen, müssen normalerweise besonders klimafreundlich und innovativ sein. Wenn es dann noch eine gute Fotogelegenheit gibt, kommt Habeck auch selbst gelegentlich mit einem symbolischen Scheck bei den Firmen vorbei.

Der neue Dampfkessel des Tesa-Werks in Hamburg klingt erst einmal nicht so, als hätte er Chancen, eine Ministerübergabe auszulösen. Auch wenn er künftig mit Wasserstoff statt Erdgas betrieben werden soll. Doch am Dienstag unterschrieb Habeck auch den Fördervertrag für den Dampfkessel – zusammen mit 14 weiteren sogenannten Klimaschutzverträgen.

Es handelt sich um ein neues Subventions-Instrument der Ampel-Regierung, mit dem Investitionen von Unternehmen unterstützt werden sollen, die helfen CO₂ einzusparen. Das Prinzip soll so funktionieren: Der Staat und die Firmen schließen Verträge mit einer Laufzeit von 15 Jahren und vereinbaren, dass die Unternehmen einen Teil ihrer Mehrkosten ersetzt bekommen, wenn sie Technologie einsetzen, die zwar klimafreundlicher, aber eben auch teurer als die herkömmliche Technik ist, die die Konkurrenz einsetzt.

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Im Gegenzug sollen die Firmen dann einen Teil ihrer Gewinne wieder an den Staat zurückzahlen, sollte ihre klimafreundliche Technik irgendwann durch steigende Energie- und CO₂-Preise günstiger sein als die der Wettbewerber.

Zum ersten Mal konnten sich nun Unternehmen um diese Verträge bewerben. Dabei mussten sie in einer Art Auktion bieten, wie viel der Staat pro eingesparter Tonne CO₂ zahlen soll, die günstigsten Projekte sollten den Zuschlag bekommen. Soweit zumindest die Theorie.

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In der ersten Runde bekamen nun aber fast alle Bewerber den Zuschlag für einen Klimaschutzvertrag mit dem Staat. Von 17 Kandidaten können nun 15 auf Geld vom Staat hoffen. Besonders günstig ist der so erzeugte Klimaschutz damit nicht: Bis zu 2,8 Milliarden Euro können die Firmen je nach Energie- und CO₂-Preis bekommen, wenn sie im Gegenzug 17 Millionen Tonnen CO₂ einsparen. Damit liegt der Preis für eine Tonne eingespartes CO₂ bei 165 Euro. Zum Vergleich: Der CO₂-Preis für Verbraucher liegt derzeit nur bei 45 Euro pro Tonne.

Dass der Preis so hoch ausfiel, liegt schlicht am bislang überschaubaren Interesse der Industrie an den Verträgen. Dass es nicht mehr Bewerber gegeben habe, zeige, dass derzeit eine große Investitionszurückhaltung vorherrsche, heißt es in Regierungskreisen. Und das trotz der Subventionen.

Klimaschutzprojekte im Ausland gab es gar nicht

Die geförderten Projekte reichen nun von Großkonzernen wie der BASF bis zu mittelständischen Unternehmen. Viele der Unternehmen bekommen dreistellige Millionenbeträge, die höchste potenzielle Förderung bekommt mit 563 Millionen Euro die Papierfabrik Adolf Jass.

Ausgezahlt wird das Geld allerdings erst nachträglich, wenn das CO₂ auch tatsächlich eingespart wurde. Allerdings ist für die Kontrolle ausgerechnet die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) zuständig. Und die ist wiederum eine Unterabteilung des Umweltbundesamtes (UBA), das der grünen Umweltministerin Steffi Lemke unterstellt ist. Die DEHSt machte in den vergangenen Monaten Negativschlagzeilen, weil sie eigentlich auch für die Kontrolle von Klimaschutzprojekten im Ausland zuständig war, mit denen Ölkonzerne ihre CO₂-Emissionen reduzieren konnten.

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Der Großteil dieser sogenannten Upstream-Emission-Reduction-Projekte (UER) erwies sich allerdings inzwischen als mutmaßlicher Betrug, die angeblichen Klimaschutzprojekte in China gab es häufig gar nicht, dem Umweltbundesamt war das aber lange nicht aufgefallen. Auch nachdem erste Hinweise auf die Betrügereien eingegangen waren, dauerte es Monate, bis in der Behörde entschieden gehandelt wurde. Dieselbe Behörde soll nun auch die Einhaltung der Klimaschutzverträge überprüfen.

So wolle man zusätzliche Bürokratie durch die Verträge vermeiden, heißt es in Regierungskreisen. Ob damit dann auch eine wirksame Kontrolle gewährleistet ist, muss sich zeigen. Doch selbst wenn die CO₂-Einspar-Projekte in diesen Fällen tatsächlich wie versprochen umgesetzt werden, sind schon konzeptionelle Schwächen der Verträge erkennbar. So gibt es beispielsweise ausgerechnet dann ein Kündigungsrecht für die Firmen, wenn sie Geld an den Staat zurückzahlen müssten, weil die neuen Technologien profitabel sind.

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An diesem Wendepunkt, wenn es keine Subventionen mehr gibt und stattdessen Geld zurückfließen müsste, dürfen die Unternehmen die Klimaschutzverträge einseitig kündigen, heißt es. Allerdings beträgt die Kündigungsfrist dann drei Jahre, so lange muss mindestens zurückgezahlt werden.

Habeck will die Förderung mithilfe der Klimaschutzverträge noch in dieser Legislaturperiode deutlich ausdehnen. Derzeit laufen bereits die Vorbereitungen für die Ausschreibung der zweiten Runde, diesmal soll ein zweistelliger Milliardenbetrag zur Verfügung stehen.

In der Industrie gibt es durchaus auch kritische Stimmen zu dem neuen Instrument. „Viele klimafreundliche Produktionsverfahren sind international noch nicht konkurrenzfähig. Deshalb kann eine Anschubfinanzierung durch Klimaschutzverträge bei der Transformation helfen“, sagte Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI). „Sie sind aber nur ein sinnvolles Instrument für ausgewählte Produktionsanlagen und Leuchtturmprojekte. Sie sind kein Allheilmittel.“

Wichtiger sei es, die Standortfaktoren in Deutschland für die gesamte Industrie zu verbessern, dazu gehöre vor allem die Energiekosten zu senken, Bürokratie abzubauen und Unternehmenssteuern zu reduzieren. „Die strukturellen Probleme am Standort Deutschland hängen unserer Industrie wie Bleikugeln am Bein“, sagte Große Entrup.

Philipp Vetter ist Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er berichtet über das Bundeswirtschaftsministerium, Wirtschaftspolitik, Energiepolitik, Verkehrspolitik, Mobilität und die Deutsche Bahn. Seinen exklusiven WELTplus-Newsletter können Sie hier abonnieren. Er ist seit 2021 Co-Host des WELT-Podcasts „Alles auf Aktien“.

Source: welt.de

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