Klimaschutz in der Industrie: Wann sich Wasserstoff lohnt

Wasserstoff gilt als ein Mittel auf dem Weg zur klimaneutralen Wirtschaft. Darüber lässt sich etwa Energie aus der Windkraft oder von Photovoltaikanlagen als Energieträger speichern und transportieren. Aber bis zum Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft mit geringeren Treibhausgasemissionen wird es nach einer neuen Untersuchung noch dauern. In einer Simulationsrechnung des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe kommen die Forscher zu dem Ergebnis, dass die Nachfrage auch bei höheren Preise in der Stahlbranche, in der Grundchemie und weiteren Industriebereichen hoch sein wird. Hingegen dürfte sich der Einsatz von Wasserstoff zum Heizen oder Autofahren erst mit niedrigen Wasserstoffpreisen lohnen.

Jan Hauser

Redakteur in der Wirtschaft.

Für das Jahr 2030 berechnen die Studienautoren einen Wasserstoffbedarf in Deutschland von etwas mehr als 40 Terawattstunden. Das ist etwas mehr als 1 Prozent des derzeitigen Energieverbrauchs Deutschlands. Damit wäre der Markt auch in den nächsten Jahren noch gering. Die Nachfrage richtet sich meist nach dem Preis für Wasserstoff und ist damit noch stark variabel.

Die Preisfrage

Die Fraunhofer-Studie „Preiselastische Wasserstoffnachfrage in Deutschland“, die am Donnerstag veröffentlicht werden soll, sieht in der Industrie den höchsten Bedarf für Wasserstoff. Demnach steigt die Nachfrage auf etwa 250 Terawattstunden im Jahr 2045, was rund ein Zehntel des heutigen Endenergiebedarfs in Deutschland darstellt. Niedrige Großhandelspreise seien jedoch eher nicht zu erwarten und dürften damit kaum die Nachfrage steigern.

Ein wichtiger Treiber für die Wasserstoffnachfrage seien Anwendungen, die weitgehend ohne Technologiealternativen auskommen, um die deutschen Klimaziele zu erreichen. Darin sieht Studienautor Martin Wietschel eines der Kernergebnisse ihrer Untersuchung. Durch den Mangel an Optionen könnte der Preis hier relativ hoch bleiben, ohne dass die Nachfrage stark sinkt. „Dies gilt insbesondere für die stoffliche und energetische Nutzung in bestimmten Industrieanwendungen wie dem Stahl- oder dem Grundstoffchemiesektor“, sagte der Leiter des Competence Centers Energietechnologien und Energiesysteme am Fraunhofer-Institut ISI. Er hat die Wasserstoffnachfrage zusammen mit Bastian Weißenburger, Matthias Rehfeldt, Benjamin Lux, Lin Zheng vom Fraunhofer ISI sowie Jonas Meier vom Unternehmen ESA2 untersucht. Die Studie gehört zum Projekt „HyPat – Globaler H2-Potenzialatlas“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird.

Der Bedarf sollte vor allem in der energieintensiven Industrie deutlich ansteigen. Allerdings müssten sich dafür auch die Erzeugungsmöglichkeiten vervielfachen. Da die Kosten dafür hoch sind, diskutiert die Politik gerade hohe Milliardenzuschüsse, damit Industriebetriebe investieren und ihre Anlagen umstellen. Zahlreiche Ökonomen haben sich jüngst gegen eine Hilfe für die Industrie mit Klimaschutzverträgen gestellt.

Nur geringer Einsatz im Auto

Im internationalen Flug- und Schiffsverkehr ist die Nachfrage etwas geringer und hängt ähnlich wie in der Industrie wenig vom Preis ab. In anderen Bereich treibt der Preis für Wasserstoff jedoch stark die Nachfrage. Daher sei der Einsatz im Auto, Lastwagen, Bussen oder Bahnen wahrscheinlich gering, weil hier direkte Elektrifizierung möglich ist. Konkret nennen die Studienautoren eine Schwelle im Großhandel von 90 Euro je Megawattstunde im Jahr 2045: Ist der Preis geringer oder liegt nur noch bei 50 Euro je Megawattstunde, steigt die Nachfrage deutlich und erfasst mehrere Bereiche.

Allerdings halten die Autoren solche Preise aufgrund einer Vielzahl von Kosten für Herstellung, Transport oder Vertrieb eher für unwahrscheinlich. Realistischer seien Marktpreise von deutlich mehr als 90 Euro im Jahr 2045. „Es erscheint deshalb nicht sinnvoll eine größer angelegte Förderung des Wasserstoffeinsatzes in den Bereichen der Gebäudewärme, des landgebundenen Verkehrs und der energetischen Nutzung in der Industrie weiter zu verfolgen“, heißt es in der Studie. In bestimmten Nischenanwendungen könne es Ausnahmen geben, wenn etwa in der Gebäudewärmeversorgung eine nahegelegene Wasserstoffnachfrage an einem Industriestandort vorliege.

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