An Gutachten zur Energiewende mangelt es nicht. Trotzdem hört die Politik genau hin, wenn die prominent besetzte Expertenkommission zum Monitoring der Energiewende ihr alljährliches Gutachten an das Bundeswirtschaftsministerium übergibt. Am Dienstag war es wieder so weit. Die Kurzfassung lautet: Das Gremium ist nicht zufrieden mit der Politik.
Ob es um die Stromerzeugung, das Heizen oder den Hochlauf von Wasserstoff geht: In allen Bereichen der Energiewende beklagten Andreas Löschel (Ruhr-Universität Bochum), Veronika Grimm (Technische Universität Nürnberg), Felix Matthes (Öko-Institut) und Anke Weidlich (Universität Freiburg) einen „Dschungel“ von Regelungen und Förderinstrumenten, den es zu lichten gelte.
Als ein Beispiel nannten sie die Gasspeicherumlage, die nach einem Beschluss der schwarz-roten Koalition nun aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert wird – obwohl doch das Ziel der Energiewende ist, die Elektrifizierung zu fördern, sowohl beim Heizen als auch im Verkehr und in der Industrie.
„Ohne Wasserstoff gibt es keine Klimaneutralität“
Sowohl der Bedarf an Gas als auch der an Mineralöl würden in den kommenden Jahren stark schrumpfen, konstatierten die Kommissionsmitglieder. Es gebe aber bisher keinen Plan, wie mit den Kosten für die Stilllegung von Gasnetzen und Raffineriekapazitäten umgegangen werden solle. „Je früher die Gasnetze abgeschrieben werden, desto geringer sind die Kostenbelastungen für die Kunden“, sagte Matthes. Im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung müsse die Politik dazu schnell Klarheit schaffen. „Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Netznutzungsentgelte explodieren“, warnte Matthes und sprach von einer drohenden „Todesspirale“.
Auch in anderen Bereichen drängen die Experten auf mehr Klarheit. Mit Blick auf den Strombereich sprach sich Veronika Grimm, die zugleich als „Wirtschaftsweise“ die Bundesregierung berät, für den Bau von Freileitungen statt der teuren Erdkabel aus, ebenso wie für die Einführung unterschiedlicher Strompreiszonen in Deutschland. Die Politik will diesen Weg wegen drohenden Widerstands von Ministerpräsidenten und Bürgern aber bislang nicht gehen. Große Sorgen bereitet der Expertenkommission der Hochlauf von (grünem) Wasserstoff. Die Gutachter stellen ein „ausgeprägtes Regulierungsversagen“ fest. Die Ziele würden deutlich verfehlt, es brauche eine neue Strategie für diesen Bereich. „Ohne Wasserstoff gibt es keine Klimaneutralität“, betonte Matthes.
Windräder auf See finden keine Investoren
Einigermaßen gut läuft es dem Bericht zufolge nur in wenigen Bereichen. Zu ihnen gehören der Ausbau der Batteriespeicher und die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Das Statistische Bundesamt meldete jüngst, dass im dritten Quartal 64 Prozent des Stroms in Deutschland aus Erneuerbaren erzeugt wurden. Das Ziel 80 Prozent bis 2030 gilt als ambitioniert, aber erreichbar. Vor allem die Stromerzeugung mit Solaranlagen hat in den vergangenen Jahren zugelegt. Ende vergangenen Jahres waren bereits Anlagen mit einer Leistung von knapp 100 Gigawatt installiert, knapp zwölf Gigawatt mehr als im Zielpfad des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vorgesehen. Auch Windkraftanlagen an Land sind unter Investoren beliebt. Deutlich schlechter sieht es bei Windrädern auf See aus. Bei bestimmten Ausschreibungen meldet sich kein einziger Bieter.
Der Kohleausstieg verläuft nach Ansicht der Kommission bislang entlang des gesetzlich vorgesehenen Stilllegungspfades, welcher einen Ausstieg bis spätestens 2038 vorsieht. Der geplante Zubau von Gaskraftwerken, der die Lücke schließen soll, stockt jedoch. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) verhandelt seit Monaten mit der EU-Kommission in Brüssel darüber, wie viele dieser Gaskraftwerke entstehen dürfen und inwieweit diese für den Betrieb mit Wasserstoff geeignet sein müssen. Alarm schlagen die Gutachter zum Ausbau der Übertragungsnetze. Trotz schnellerer Genehmigungsverfahren komme es weiterhin zu Verzögerungen, die auch im Monitoring der Bundesnetzagentur nur unzureichend sichtbar würden.
Im Koalitionsausschuss von Union und SPD am Mittwoch wird das Thema Gebäudeenergiegesetz (GEG) auf der Agenda stehen. Während die Union die Vorgabe abschaffen möchte, dass neue Heizungen nach dem Abschluss der kommunalen Wärmeplanung zu 65 Prozent mit Erneuerbaren laufen müssen, will die SPD an der Vorgabe aus Ampelzeiten festhalten. Die Expertenkommission bezog dazu nicht konkret Stellung, kritisierte aber allgemein: Auch das GEG mit seinen vielen Paragraphen, Detailvorgaben und Ausnahmen gleiche einem Dschungel, dem mehr Klarheit guttäte.