Kinderbetreuung: Entlastung muss man sich leisten können

Neulich kam unser ehemaliges Kindermädchen zum
Abendessen. Jessi war Praktikantin in unserem Kindergarten, als unser erster
Sohn drei Jahre alt war, der zweite knapp zwei und der dritte noch im Bauch. Wir
hatten Jessi sofort als Babysitterin rekrutiert. Sieben Jahre blieb sie bei uns
und hat so einiges miterlebt: Gemeinsam haben Jessi und ich an die 20
Kindergeburtstage ausgerichtet, noch vor den Großeltern wusste Jessi von der
Geburt unseres vierten Sohnes. Es gab Zeiten, da sah ich sie
öfter als meinen Mann.

Wenn Jessi heute zu uns kommt, ist es wie ein
Familienbesuch, nur noch viel besser, weil sich alle auf sie freuen. „Ich wette,
Jessi sagt als Erstes: ‚Seid ihr groß geworden!’“, prophezeit mein Jüngster. Es
klingelt an der Tür, Jessi kommt herein: „Seid ihr groß geworden!“ Und wir liegen uns in den Armen.

Mir ist klar, dass dieses Modell für viele Menschen unerschwinglich ist, selbst wenn beide Elternteile berufstätig sind. Für unsere Familie kann ich aber sagen: Jessi war eine der besten
Investitionen in meinem Leben. Sie hielt mir und meinem Mann den Rücken frei,
während wir unseren Berufen nachgingen. Vom Bringen und Abholen der Kinder in
den Kindergarten, zum Sport oder Musikunterricht über die Organisation der
Geburtstage und Ferien bis hin zu Arztbesuchen. Immer noch erledigen vor allem Frauen diese unbezahlte Familienarbeit. Laut dem Bundesfamilienministerium fallen täglich im Schnitt sieben Stunden Sorgearbeit an, wovon Frauen
aber mit vier Stunden und 13 Minuten gut 50 Prozent mehr übernehmen als Männer (zwei Stunden, 46 Minuten).

Besonders ausgeprägt ist der sogenannte Gender
Care Gap
Mitte 30. Eine 34-jährige Frau leistet mehr
als doppelt so viel (110,6 Prozent) unbezahlte Sorgearbeit wie ein gleichaltriger Mann. Oft
arbeiten Frauen daher nach der Geburt des ersten Kindes in Teilzeit. 66 Prozent
der erwerbstätigen Mütter sind teilzeitbeschäftigt, aber nur sieben Prozent der
Väter. Das hat fatale finanzielle Konsequenzen, vor allem langfristig: Frauen
verdienen im Schnitt 20 Prozent weniger als Männer und bekommen im Alter 53
Prozent weniger Rente. Jetzt mag man mir entgegenhalten, dass ich die Care-Arbeit nur an eine weitere Frau auslagere. Das halte ich in einer arbeitsteiligen Welt aber für konsequent, es gibt Menschen, auch Männer, die diesen Job gerne machen wollen und zu deren Lebenssituation er passt.

Frustrierende Steuerfrage

Kommen wir zur Praxis: Wir hatten mit Jessi meistens feste Betreuungstermine, zum Beispiel drei Nachmittage in der Woche von der Abholung vom Kindergarten bis abends. Zusätzliche Termine haben wir verabredet – gute Planung ist da alles. Nimmt man den heutigen Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde als Untergrenze, lassen sich mit einem Minijob bei einem Gehalt von 520 Euro 43 Stunden pro Monat abdecken. Mehr Aufwand für Arbeitgeber bedeutet der Midijob. Darin dürfte man bis zu 1.600 Euro verdienen, also bis zu 133 Stunden im Monat arbeiten, die Kosten für die Sozialversicherung sind aber höher. Die Berechnungen basieren auf dem Mindestlohn, ich schätze, in Berlin wird man heute eher mit 15 Euro oder mehr pro Stunde rechnen müssen. Gute Helferinnen und Helfer sollte man auch gut bezahlen.

Um die Kosten abzufedern, sollte man
alle steuerlichen Möglichkeiten nutzen. Das ist nicht ganz trivial und ich
hatte in dieser Zeit quasi eine Standleitung zu meiner Steuerberaterin: Kosten
für die Kinderbetreuung, egal ob für den Kindergarten, Hort, ein
professionelles Kindermädchen, Babysitterin oder das Au-pair, gelten als Sonderausgaben
und können von der Steuer abgesetzt werden. Für jedes Kind können Eltern
maximal 6.000 Euro ansetzen, wovon aber nur zwei Drittel (also 4.000 Euro)
berücksichtigt werden. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Das ist kein
Steuerabzug, das zu versteuernde Einkommen verringert sich lediglich um maximal
4.000 Euro.

Wir mussten außerdem ein
für Jessi sinnvolles Modell finden. Das änderte sich je nach Lebensabschnitt:
Anfangs war sie noch in der Ausbildung, später studierte sie, schließlich
hatte sie ihren ersten Job. Sie wollte verständlicherweise über ihre Eltern krankenversichert bleiben. Je nach Ausgangslage mussten wir ihre
Arbeit bei uns als Mini- oder Midijob oder als selbstständige Tätigkeit
deklarieren, damit es für beide Seiten sinnvoll war. Damit man die
Betreuungskosten absetzen kann, muss der Geldfluss nachweisbar sein, offizielle Überweisungen sind also wichtig.

Die Steuerfrage hat mich oft frustriert: Warum kann ich als selbstständige
Autorin jede Rechnung, etwa für eine Büroassistenz, vollständig einreichen und
als Ausgabe absetzen, die Kinderbetreuung aber nur bedingt? Letztendlich sind die Menschen, die uns bei der Betreuung helfen, doch auch eine Art Assistenten, die mir und meinem Mann
das Arbeiten erst ermöglichen. Jungen Eltern würde diese Abwägung leichter fallen, wenn die Betreuungskosten umfangreicher und
einfacher absetzbar wären. Und es könnte insgesamt zu einer
besseren Bezahlung für Kinderbetreuung und Haushaltshilfen führen, was ich
nicht nur persönlich, sondern auch gesamtwirtschaftlich für wichtig
halte.

Wenn man sich all das leisten kann, muss man sich zum Schluss natürlich auch fragen, ob man so viel externe
Kinderbetreuung überhaupt will. Wie viel Zeit man mit seinen Kindern verbringen möchte, sollte jede
Familie für sich selbst entscheiden. Rein ökonomisch halte ich es jedoch für sinnvoll, sich vor allem in der Phase Hilfe zu holen, in der so viel passiert, dass sie mit Recht Rushhour
des Lebens genannt wird. Denn sie ist dann doch recht schnell wieder vorbei. 

ArbeitAusbildungBerlinEinkommenGehaltGeldanlagelebenSport