Kim Kardashians Schauspieldebüt ist so tief schürfend wie ein Instagram-Post

Kim Kardashian gönnt sich ihre eigene TV-Serie. Darin „spielt“ sie eine superreich gewordene Scheidungsanwältin, die ausschließlich superreiche Klientinnen vertritt. Es ist die Hölle. Ertragen können „All’s Fair“ nur die, denen die Promi-Maklerserie „Selling Sunset“ zu authentisch ist.

Es fehlte eigentlich nur noch, dass die durch Ozempic zuletzt quasi halbierte Oprah Winfrey in einem ihrer farbsatt-monochromen Ensembles mit opulent gefönten Locken um die Ecke kommt, Küsschen rechts, Küsschen links, und die tapferen Milliardärsgattinen zu ihrer neu gewonnenen Freiheit interviewt. Eine Freiheit, die diese tapferen Frauen einzig zwei Vorkämpferinnen eines „Female Empowerments“ zu verdanken haben, wie es sich so auch nur Hollywood ausdenken kann.

Es sind Kim Kardashian und Naomi Watts, die – wenn man das so nennen will – die beiden Kämpferinnen für eine geldwert-gute Sache „verkörpern“. Sie spielen in einer neuen TV-Serie zwei Anwältinnen, die selbst sehr reich wurden, in dem sie ihren ausschließlich weiblichen und superreich verheirateten Klientinnen auf dem Scheidungsvertrag eine Zahl mit möglichst vielen Nullen dahinter verschaffen. Aber dass mit dem Auftritt von Oprah kann ja noch kommen.

Es sind in Deutschland schließlich erst die ersten drei Folgen von „All‘ s Fair“ beim Streamingdienst Disney+ zu sehen – jeden Dienstag kommt eine weitere dazu (die Serie hat zehn und ist eigentlich für Hulu produziert). Der Titel leitet sich von dem Sprichwort „All is fair in love and war“ ab – alles ist erlaubt in Liebe und Krieg. Verantwortet wird sie von Ryan Murphy, der bereits seit der Schönheitschirurgenserie „Nip/Tuck“ als Kenner Hollywoods gilt und zuletzt mit der Mörder-Fictionserie „Monster“ u.a. über die Menendez-Brüder große Erfolge hatte. Inspiriert sein soll die Serie von Laura Wasser, der berühmtesten realen Scheidungsanwältin in Hollywood. Kardashian kennt sie persönlich – Laura Wasser hatte sie bei der Scheidung von Kanye West vertreten. Falls Wasser tatsächlich das Vorbild gewesen sein soll, dann hat sie einen deutlich unkomplizierteren Job als gedacht.

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Denn nach Ansicht der ersten Folgen muss man tatsächlich sagen: Die Kollegin vom britischen „Guardian“ liegt nicht so falsch liegt mit ihrer Einschätzung, dass „All’s Fair“ die Serie mit der „miserabelsten Handlung, den ahnungslosen Charakteren – und den schlechtesten Kuss-Szenen aller Zeiten“ sei. Zumindest ist es die hohlste und uninspirierteste seit langem.

Dabei ist sie doch so aufwendig ausgestattet, perfekt ausgeleuchtet, in jedem Detail durchgestylt. Sie ähnelt darin den Fotos, Werbekampagne und Galaauftritten, die Kardashian auf ihrem Insta-Account teilt. Alles sehr teuer, sehr schön – sehr leblos. Den vielleicht zu Kardashian passendsten Moment gibt es gleich zu Beginn in Folge 1, als Kardashian in einem Bentley die absurd breite Auffahrt zu einer Villa hochfährt, vorbei an Car-Boy, Butler, Koch ins Haus weht, die alle wie koreanische Männermodels aussehen, schließlich in einem Ballsaal-großen Ankleidezimmer landet, mit Glasvitrinen voller Kleider darin. Sie greift nach einer weißen Robe –und Schnitt – sitzt an einem prächtig gedeckten Dinner-Tisch, tiefes Dekolleté, tief sitzendes Diamanthalsband. Ein Look, der sehr an Kardashians spektakulären Auftritt bei der LACMA-Gala in Los Angeles vor einem Jahr erinnert. Ihr Mann in der Serie, ein deutlich jüngerer Football-Star, kommt „zu spät“, tut so, als habe er ihren gemeinsamen „Jahrestag“ vergessen – um sie dann mit einem Taubenei-großen Diamantring zu überraschen, der angeblich Elisabeth Taylor gehörte. So Kim-Klischee, so prächtig, so durchaus neugierig machend. Doch dann kommt der erste Fall, dann wird geredet – und das Elend beginnt.

Mit der Schauspielerin Niecy Nash gibt es übrigens zumindest optisch tatsächlich ein Oprah-Double. Nash spielt die „Researcherin“ Emerald in der Nur-Frauen-für-Promi-Kundinnen-Kanzlei, zuständig für das Auffinden der dreckigen Details im Milliardärsmännerleben. Nash ist laut und lustig dabei – wie alle – modisch extravagant unterwegs und mit Chauffeur, selbst wenn es zur Observation eines gegnerischen Ehemannes geht. Nichts in dieser stets perfekt ausgestatteten und ausgeleuchteten Welt ist ein Grund dafür, nicht exquisit gekleidet, geschminkt und frisiert zu erscheinen. Das wäre überhaupt kein Kritikpunkt, hätte es auch nur irgendetwas zu bedeuten. IRGENDETWAS.

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Denn das ist das eigentlich Verwerfliche: Es ist nicht das Problem, dass von einer Luxus-Märchenwelt erzählt wird, in der es selbst nur halb smarten Fraue sehr leicht fällt, sehr reiche Männer sehr leicht zu verführen, zu überführen und dann auszunehmen. Sondern, dass nie klar wird, was damit erzählt werden soll. Und warum. Und wie.

Sollte es eine Comedy werden, eine Gesellschaftssatire, eine Karikatur – oder zumindest großer Popcorn-Spaß? So bunt und over the top wie alles daherkommt. Ein Fest für alle, denen die Beverly Hills-Makler-Serie „Selling Sunset zu realistisch geworden ist? Doch selbst für einen Mädels-Abend mit sehr niedriger Erwartungshaltung dürfte das nicht reichen.

Wie sagt Liberty (Watts) zu ihrer Kollegin Allura (Kardashian), als diese sie nach einem lukrativen Kurzeinsatz in Manhattan am Kanzlei-eigenen Privatjet abholt: „Warum sind reiche Männer immer so berechenbar?“ – Allegra: „Immer!“ Großes Johlen beider. Darauf einen „Victory Sprizz“. Es ist wirklich deprimierend.

Wer kein Die-Hard-Kim-Kardashian-Fan ist, für den ist die Serie tatsächlich kaum zu ertragen. Alle drei Folgen am Stück sich anzuschauen könnte man durchaus als eine besonders perfide Form der TV-Folter ansehen. Noch schwerer wird es übrigens, wenn man sich die deutsche Synchronfassung antut.

Die Serie steckt aber auch schon im Original voller Dialoge aus der Drehbuchschreiberhölle: hölzern, platt, leblos werden die Sätze ins inhaltliche Vakuum gesprochen. Selbst bei erwiesenermaßen guten Schauspielerinnen wie Naomi Watts und Glen Close wirken sie so (was wurden ihnen nur versprochen, damit sie da mitzumachen), als hätten die Sätze nichts mit ihnen und ihren Figuren zu tun. Und sie werden nicht lebendiger, wenn sie der aufwendig geschminkten Kim Kardashian aus dem reglosen Gesicht fallen.

Sätze wie „Was wir hier haben, ist Wissen. Und Wissen ist der Schlüssel im Schloss.“ Oder, um einen typischen Dialog zwischen „Researcherin“ Emerald und einer Klientin wiederzugeben, die ihren Tech-Milliardär loswerden will. Klientin: „Er ist besitzergreifend wie ein Wolf.“ – Emerald: „Und wir sind die Grizzly-Mamas. Wir kümmern uns um den Wolf, während sie über eine Geldsumme nachdenken, die genau widerspiegelt, was er ihnen schuldet, nachdem sie ihr Leben einfach seinen Träumen unterwarfen. Und ich schlage vor, dass sie jedesmal, wenn sie an ein Taschentuch denken, eine Null dranhängen.“

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Wenn man es gut meint und beide Augen zudrückt und die Ohren dazu, dann kann man diese Serie als eine „Studie“ über selbstbewusste Frauen sehen, die sich Männer nur noch als willige oder brauchbare Trottel (für Lust oder Geld) halten. Und die dabei selbst ihre größten Feinde sind. Denn die große Gegenspielerin von Kardashian und Watts ist kein Mann, sondern natürlich eine (frustrierte) Frau. Die ebenfalls eigentlich gute Sarah Paulson spielt sie, karikiert sie besser gesagt als eine Furie, die nie verkraftete, dass sie, einst in der gleichen Alte-Weiße-Männer-Kanzlei wie die beiden anderen – bei deren Auszug nicht mit in die neue Kanzlei genommen wurde. Zehn Jahre ist das her – seit zehn Jahren arbeitet sich also „Carr“ an den beiden ab – etwa, in dem sie Kardashians Football-Spieler Mann bei der anstehenden Scheidung als Mandanten annimmt.

Dass die Fälle sich in dieser Serie gewöhnlich schneller erledigen als „Queen Kim“ sich gewöhnlich ihren Lidstrich nachziehen kann, gehört zu den weiteren Ärgernissen. Dabei müsste Kardashian es doch besser wissen. Schließlich steht sie selbst vor ihrer Prüfung zur Anwältin.

Vor kurzem hat sie in Kalifornien nach sechs Jahren ihre Ausbildung erfolgreich beendet – und kann nun zur (schweren) Abschlussprüfung antreten. Sie hat dabei eine besondere, nur in wenigen US-Bundesstaaten mögliche Form der Ausbildung in einer Anwaltskanzlei absolviert, die ohne Universitätsstudium möglich ist. Dass sie an einigen Prüfungen in der Zeit zwischenzeitlich gescheitert ist, schob sie kurz vor der Premiere von „All‘s Fair“ auf den Umstand, dass sie sich bei Antworten allzu sehr auf ChatGPT verlassen habe. Man wir beim Anschauen der Serie den Verdacht nicht los, dass sich auch Ryan Murphy bei den Drehbüchern allzu oft auf eine KI verlassen hat. So banal, so null überraschend und tatsächlich charakterlos wie die Figuren und der Plot in „All’s Fair“ daher kommt.

Die ersten drei Folgen von Staffel 1 sind zu sehen auf Disney+. Insgesamt sind es zehn Folgen, jeweils dienstags wird eine neue veröffentlicht.

Source: welt.de

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