KI in welcher Baubranche: „Vorerst wird niemand ersetzt“

Wo kann Künstliche Intelligenz (KI) in einem Projekt eingesetzt werden? Müssen Architekten um ihre Arbeit fürchten?

Wenn man mit den Kreativen der Baubranche spricht, wird schnell klar, dass KI hier vorerst niemanden ersetzen wird. Sie ist gut darin, schnell Ideen und Konzepte zu visualisieren. Aber wenn es um Feinheiten geht, braucht es noch immer jemanden mit Vision. Designer und Architekten dürfen Designer und Architekten bleiben. KI kann sie aber entlasten. Oft sind sie nämlich nicht damit beschäftigt, Designentscheidungen zu treffen, sondern zeichnen oder ändern Pläne für Behörden, Regulierer und Kunden. Diese mühsame und monotone Arbeit könnte wegfallen.

Gibt es abseits der generativen KI, wie sie etwa für Bilder und Texte verwendet wird, weitere Anwendungsmöglichkeiten? Kann sie konkret am Bau helfen?

In Deutschland und anderen Industrienationen ist schon viel Bausubstanz vorhanden. Immobilienprojekte fangen also meistens damit an, dass man verstehen muss, was um das Projekt herum schon existiert. Die schon existierende Umwelt hat einen starken Einfluss auf neu entstehende Bauten. Künstliche Intelligenz spielt eine Rolle dabei, die Daten der physischen Welt einzufangen und die entstehenden Datenmengen dann verständlich zu machen.

Wie macht die KI das?

Unsere Kunden bei Trimble nutzen 3-D-Lidar-Erfassungen von Umgebungen und Gebäuden. Lichtstrahlen erfassen den Raum und liefern eine Wolke aus digitalen Punkten. Die Datenmengen aus so einem Verfahren sind riesig. Die KI kann diese Wolke automatisch entziffern und die Daten zuordnen: Wo im Raum befindet sich eine Wand? Wo eine Säule?

Karoliina Torttila ist Leiterin KI nebst Trimble, einem Unternehmen, dies sich mit Datenanalyse befasst.Trimble

Wie unterstützt das Bauarbeiter konkret?

Da gibt es zwei Richtungen, in die sich KI-Anwendungen entwickeln. Einmal wird die automatisierte Aufzeichnung aller Bauphasen durch KI stark erleichtert. Vereinheitlichte Pläne dazu, wo Rohre, Kabel, Elektronik hinter Isolierung und Gipsplatten liegen, helfen später, eine Immobilie leichter zu verwalten. Diese Art der Anwendung wird gerade in Japan sehr stark verfolgt. Aufgrund der Überalterung des Landes müssen Bauherren einen Weg finden, wie Gebäude gut gepflegt werden können, lange nachdem sie gebaut wurden.

Was ist die zweite Richtung?

Wenn Bauarbeiter sich durch Felsen sprengen, etwa im Tunnelbau, dürfen sie nach einer Explosion wegen Einsturzgefahr einige Zeit nicht wieder in den Tunnel. Roboter können früher wieder zurück zur Baustelle und aufzeichnen, wie viel Raum freigesprengt wurde – alles wieder KI-gestützt. Außerdem gibt es Anwendungen für alte Kanalisationssysteme, wie sie zum Beispiel in Großbritannien bestehen. Die Tunnel dort haben alle möglichen Größen und sind teilweise mit Abraum aus Jahrhunderten verstopft. Nun möchte man sie aber nutzen und umrüsten. Einen Menschen will man dort nicht hinunterschicken. Roboter haben damit kein Problem.

Wie nutzen Immobilienverwalter die Technologie?

Dadurch, dass schon viel Substanz besteht und immer mehr dazukommt, gibt es immer mehr zu verwalten. Perspektivisch schrumpft aber die Bevölkerung in den Industrienationen. Gerade im öffentlichen Bereich gibt es viele Infrastrukturen, die regelmäßig inspiziert werden müssen. Da ein Großteil davon bald nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurde, nähern sich viele Objekte ihrem Lebensende. Aber so viele Inspektoren gibt es gar nicht! Einen Beitrag für die Überwachung von Brücken und Straßen kann auch wieder KI leisten, die physische Daten dann sortiert und priorisiert, wann und wo am besten öffentliche Gelder eingesetzt werden sollen. Mit einer Kombination aus 2-D-Bildern und 3-D-Erfassung können wir schnell jeden Riss und jedes Schlagloch in einer Straße entdecken. Die KI kann dann entscheiden, wo es sich am ehesten lohnt, mit Renovierungsarbeiten anzufangen.

Bei der Verarbeitung kann man durch die KI vielleicht sparen, aber das Sammeln der Daten hört sich nach spezialisierter Arbeit an. Ist das nicht eine Einstiegshürde für öffentliche Verwaltungen und kleinere Immobilienverwalter?

Es ist immer noch eine Arbeit für Profis, und es gibt sicherlich eine Lernkurve. Es ist nicht notwendig, von heute auf morgen voll umzustellen. Ich sehe es eher als einen Prozess, in dem verschiedene Unternehmen an unterschiedlichen Stellen im Lernprozess zusammenarbeiten, um ihre Arbeitsweisen umzustellen. Die Idealvorstellung wäre, dass zum Beispiel jeden Monat jemand mit Sensoren den Zustand von Straßen oder einem Gebäude erfasst und dann automatisch Arbeitsanweisungen an Bauarbeiter ausgegeben werden, je nachdem wie schwerwiegend Schäden sind. Aber der Weg dorthin wird lang sein.

Das hört sich nach einem langwierigen Investitionsprozess an. Worin besteht der finanzielle Anreiz?

Ich sehe in der Entwicklung und Verwaltung von Immobilien viele Stellen, an denen die Arbeit durch eine unüberschaubare Menge von Daten erschwert wird. Das Potential der KI besteht darin, diese Knoten zu lösen. Jetzt ist es zunächst die Aufgabe von Unternehmen, diese Knoten bei sich im Prozess zu finden. Die Lösungen werden schrittweise erfolgen und damit immer mehr Ressourcen freigeben. Aber man braucht den langfristigen Blick. Auch das Ökosystem von Partnern, die Lösungen entwickeln, formiert sich gerade noch.

Gerade in Deutschland legen Bürger sehr viel Wert auf ihre Privatsphäre. Als Google für Street View anfing, Straßen mit 3-D-Kameras aufzunehmen, legten so viele Protest ein, dass der Dienst hierzulande lange Zeit nicht weiter bedient wurde. Wie kann sich die Immobilienbranche beim Scannen ihrer Objekte gegen Proteste schützen?

Wenn wir reflexhaft alle neuen Entwicklungen ablehnen, kommen wir als Branche nicht vom Fleck. Da wir mit der Technologie aber Objekte wie Nummernschilder oder Gesichter erkennen können, werden diese sofort anonymisiert. Anstatt alle Daten in den Mülleimer zu werfen, können wir an den Stellen arbeiten, die sensibel sind.

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