KI: Bundesregierung will Datenschätze deutscher Unternehmen Hebung

Wer über den „Markt der digitalen Möglichkeiten“ auf dem Digitalgipfel der Bundesregierung schlendert, kommt auch in diesem Jahr an Künstlicher Intelligenz nicht vorbei. Auf KI basierende spezielle Roboter (Exoskelette), KI in der Produktion, KI in der Forschung, KI fürs Handwerk – all das bekommen die mehr als 1500 Fachteilnehmer aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in Frankfurt zu sehen. Zu hören ist parallel dazu von großen Ambitionen. Deutschland solle die führende KI-Nation Europas werden, sagte Digitalminister Volker Wissing (FDP) in seiner Gipfel-Eröffnungsrede. Dazu wolle die Regierung unter anderem eine wirtschaftsfreundliche Umsetzung der europäischen KI-Verordnung und eine bessere Datenverfügbarkeit für innovative Start-ups beitragen.

Doch im aktuellen Tempo könnten Deutschland und Europa in wichtigen Bereichen wie Künstlicher Intelligenz keine Souveränität erlangen, warnte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), dessen Haus den Digitalgipfel zusammen mit Wissings Ressort veranstaltet. „Wir haben kein Alibaba, kein Google, kein Apple“, stellte er fest – und bemängelte, dass viele kritische Daten auf amerikanischen Servern gespeichert seien. „Wir haben dort möglicherweise ein Sicherheitsproblem. Das muss überwunden werden.“ Aber Habeck betonte auch das Potential Künstlicher Intelligenz für die deutsche Wirtschaft. „Deutsche Unternehmen sitzen auf Schätzen von Daten.“ Dort habe die deutsche Wirtschaft Vorteile im Vergleich zur internationalen Konkurrenz. „Die müssen wir jetzt heben.“

Neues Projekt “DataHub Europe“

Wie das aussehen kann, zeigt ein neuer Vorstoß eines Konglomerats um deutsche IT- und Medienunternehmen, zu denen auch die F.A.Z. gehört. Sie präsentierten ein Projekt namens DataHub Europe. Auf dieser digitalen Plattform sollen Daten von Industrie- und Medienunternehmen zusammengeführt und aufbereitet werden, um sie dann für die Verarbeitung durch Algorithmen beschreiben, beschriften und etikettieren zu können. Mit dem Hub werden nach Angaben der Beteiligten zwei Ziele verfolgt. Man will hiesigen Unternehmen auf einer sicheren Plattform jene Daten bereitstellen, die sie für das Training ihrer Künstliche-Intelligenz-Systeme benötigen. Und man will Europa aus der Abhängigkeit von Anbietern aus Übersee befreien.

Denn bislang sind nicht nur hochwertige Daten in der digitalen Wertschöpfungskette Europas Mangelware. Vielmehr sind europäische Unternehmen im Wettbewerb um eine wichtige Technologie der Zukunft auch weit hinter Amerika und China zurückgefallen. US-Konzerne wie Microsoft, Open AI, Alphabet oder Meta geben den Ton an und grasen nahezu das gesamte Internet nach Daten ab. In China hat der Staat die Hand auf alle digitalen Daten gelegt, um sie heimischen KI-Entwicklern zentral zuzuteilen. Dagegen kümmerte sich Europa mit dem AI Act und dem Data Act in den vergangenen Jahren erst einmal um einen Rechtsrahmen für den Umgang mit KI.

Die nächste Entwicklungsstufe

Jetzt soll in der EU die nächste Entwicklungsstufe gezündet werden. Dabei stehen Anwendungen für die Industrie im Mittelpunkt. Denn die gibt es bislang auch in Übersee allenfalls in Ansätzen. Für ihre Entwicklung stehen in Europa erste KI-fähige Datenzentren bereit. Auch sind erste vielversprechende junge KI-Unternehmen wie die französische Mistral AI oder die deutsche Aleph Alpha am Start.

Nun machen sich die IT- und Digitalsparte der Schwarz Gruppe, Schwarz Digits, und die Deutsche Bahn AG mit Verbündeten daran, eine technisch sichere und juristisch wasserdichte Datenbasis anzulegen. Hier sind als Partner die DvH Medien (Holtzbrinck) und die Frankfurter Allgemeine Zeitung an Bord gegangen. Beide Medienhäuser verfügen über große Archive, die sie seit vielen Jahrzehnten sorgfältig pflegen. Ihre Datenschätze sind faktisch die Basis für den neuen DataHub Europe. Als Plattform- und KI-Partner wurden darüber hinaus der Cloudanbieter Stack IT, Aleph Alpha sowie das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und die TU Darmstadt gewonnen. Beide Wissenschaftseinrichtungen haben in der globalen KI-Szene einen erstklassigen Ruf, beide gelten in der technisch komplizierten Aufarbeitung von Daten, wie etwa deren digitaler Beschriftung, als führend.

Vom Spielzeug zum Werkzeug

Christian Müller, einer der beiden Chefs von Schwarz Digits, sagte: „Wir wollen aus einem Spielzeug, was die KI in vielen Fällen ja noch immer ist, ein valides Werkzeug für die Wirtschaft machen.“ Schon heute optimiert die Schwarz Gruppe mithilfe eigener KI-Systeme beispielsweise die Lieferketten hauseigener Einzelhandelsmarken etwa für die Lidl-Märkte. Das Unternehmen ist längst weit mehr als ein Handelskonzern, es tritt als großer Anbieter digitaler Dienste auf, und es hat eine langfristige Datenstrategie.

Auch die vermeintlich analoge Bahn hat längst die Chancen von KI und Digitalisierung für sich entdeckt. Das spiegelt sich nicht zuletzt in der Tatsache, dass es im Vorstand ein eigenes Ressort für Digitalisierung und Technik gibt, besetzt von Daniela Gerd tom Markotten. „Als kritische Infrastruktur und Staatskonzern haben wir eine besondere gesellschaftliche Verantwortung und sehen es als unsere Aufgabe, die digitale Souveränität Deutschlands und Europas mitzugestalten und voranzutreiben“, sagte die DB-Managerin. „Der DataHub ermöglicht es uns, Daten in einer geschützten europäischen Infrastruktur zu verarbeiten.“ Damit ließen sich KI-Werkzeuge entwickeln, die technisch und juristisch auf der sicheren Seite seien.

Die Arbeiten rund um das Projekt DataHub Europe werden von einer am Montag vorgestellten Umfrage des Digitalverbandes Bitkom unterstützt. Demnach wünschen sich Deutschlands Unternehmen mehr generative Künstliche Intelligenz „made in Germany“. Für 84 Prozent der befragten Unternehmen, die generative KI schon einsetzen oder dies in absehbarer Zeit planen, ist das Herkunftsland des Anbieters wichtig. Eine klare Mehrheit von 86 Prozent würde dabei Deutschland bevorzugen.

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