Der frühere SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat im Bundestag die erste Rede nach seinem Rücktritt im Oktober letzten Jahres gehalten. Am Ende der letzten Sitzung des Deutschen Bundestages vor der Wahl am 23. Februar sprach Kühnert über die aus seiner Sicht verschobene Debatte nach dem Antrag der CDU über eine verschärfte Asylpolitik Ende Januar. Kühnert warf Friedrich Merz fehlende Integrität vor, weil die Union mithilfe von Stimmen der AfD einen entsprechenden Antrag in den Bundestag gebracht hatte.
Es war zugleich die letzte Rede Kühnerts im Bundestag, der 35-Jährige wird bei der Wahl nicht erneut für ein Mandat kandidieren.
Er wolle über das sprechen, was ihm als Sozialdemokrat „das Grundsätzlichste ist, die Verantwortung vor unserer Geschichte“. In den vergangenen zwei Wochen sei der Vorstoß der CDU ein großes Thema in der Bundesrepublik gewesen. Er wolle sich dazu äußern, „an welcher Stelle ich unglücklich mit dieser Diskussion bin“.
Kühnert: „Die Opportunität sticht die Integrität“
Ihm sei zunächst wichtig zu betonen, dass Union und FDP „keine Faschisten“ seien, sagte Kühnert. Der richtige Konflikt dürfe nicht mit falschen Argumenten ausgetragen werden. „Aber ausgetragen werden muss er sehr wohl.“
Der ehemalige SPD-Generalsekretär verwies auf den Austritt Michel Friedmans aus der CDU nach dem Antrag vor zwei Wochen. Friedman hatte seiner ehemaligen Partei danach eine „katastrophale Zäsur“ und „unentschuldbares Machtspiel“ attestiert. Laut Kühnert hätte es nach einem solchen Ereignis in der Union weitreichende Reaktionen gegeben. Merz jedoch ignoriere die Kritik Friedmans. Im TV-Duell hatte der CDU-Chef, angesprochen auf den Austritt des wohl prominentesten Vertreters der jüdischen Gemeinde innerhalb der CDU, auf die neuen Eintritte in die Partei im gleichen Zeitraum verwiesen.
Zugleich hatte Merz bedauert, dass es große Demonstrationen gegen Rechts gebe, aber „kaum jemand in unserem Land noch an die Opfer und Familien“ denke. „Als ginge nicht beides gleichzeitig. Als wäre nicht beides richtig“, sagte Kühnert im Bundestag. „Als würde Michel Friedman nicht für beides einstehen.“ Es zeige sich ein Muster anhand dieses Verhaltens, sagte Kühnert weiter: „Die Opportunität sticht die Integrität.“
„Schützen wir unsere Demokratie“
Die staatstragenden Parteien hätten vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte immer eine doppelte Rolle gehabt, sagte Kühnert. Zum einen hätten sie nach dem Willen des Volkes handeln müssen und dürften „auch dann nicht weghören, wenn das Volk anders denkt und spricht“. Zugleich müssten sie den „bundesrepublikanischen Grundkonsens“ aus „gemeinsamer Überzeugung“ verteidigen, manchmal auch „gegen die Mehrheitsmeinung argumentierend“. Bundeskanzler wie Adenauer, Brandt oder Kohl hätten aus einer „inneren Überzeugung“ heraus teils gegen die mehrheitliche Meinung im Volk gearbeitet und ihm etwas zugemutet. Doch die Geschichte habe ihrem Ringen letztendlich recht gegeben.
Er glaube der CDU weiterhin, dass sie gegen rechte Kräfte arbeiten wolle. Aber sie gebe das Ringen zunehmend auf, kritisierte Kühnert und rief am Ende seiner Rede auf: „Schützen wir das, was wir lieben, schützen wir unsere Demokratie. Ich tue das in Zukunft von außen, bitte tun Sie es von hier drinnen.“