Katarina Barley: Der Kanzler denn stiller Beifahrer

Katarina Barley gibt es in
diesem Europawahlkampf meist im Doppelpack. Auf den Plakaten ist die
sozialdemokratische Spitzenkandidatin entweder neben den regionalen Bewerbern in
einer Fotomontage zu sehen. Oder neben dem Kanzler. Einträchtig und
deutschlandweit werben Barley und Olaf Scholz für die SPD. Sie sind laut
Selbstbeschreibung „Deutschlands stärkste Stimmen für Europa“.

Weil die SPD aber in den Umfragen nie recht vom Fleck
kam, drängen sich die Fragen auf, ob das eine gute Idee war, auf diese Kampagne
zu setzen. Wäre die Spitzenkandidatin der SPD für das Europaparlament nicht
Persönlichkeit genug, um allein plakatiert zu werden? So wie beispielsweise die
streitlustige Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP oder die viel
unbekanntere Terry Reintke von den Grünen? Deren Konterfeis hängen jeweils ohne
Nebenmann oder -frau in Deutschlands Straßen.

Frank Stauss jedenfalls wundert sich über diese
Kampagne. Der Politikberater hat schon viele Wahlkämpfe für die SPD
organisiert. „Barley wäre ausbaufähig gewesen als Sympathieträgerin“, sagt er
im Gespräch mit ZEIT ONLINE. Es sei ja nicht so, „dass es in der Politik vor
Sympathieträgern nur so wimmelt“. Barley werde allgemein als freundlich und
kompetent wahrgenommen. Dieses Image hätte man besser nutzen können, findet
Stauss.

So aber, mit Scholz, dem mäßig beliebten Kanzler, als
permanentem Beifahrer, lade sie sich die „Ampelprobleme“ auf, sagt Stauss.
Besser hätte er es gefunden, sie mit zwei bis drei konkreten, originär
europäischen Forderungen in den Wahlkampf ziehen zu lassen. „Eine echte
Europakampagne eben.“ Stattdessen werde sie nun für die bundespolitischen
Positionen des Kanzlers in Mithaftung genommen.

Kritik auch innerhalb der SPD

Katarina Barley selbst sieht das anders. Im Gespräch
mit ZEIT ONLINE geht sie ausführlich auf die Vorwürfe ein und verteidigt die
Ausrichtung ihres Wahlkampfs. Zitieren lassen will sie sich, vor dem Wahltag,
nur mit den knappen Sätzen: „Wir sind Kanzlerpartei, und der Kanzler hat eine gewichtige
Stimme in Europa. Er wird als Staatsmann in der Welt sehr geschätzt. Wir ziehen
an einem Strang.“

Aber auch innerhalb der SPD sind viele von Barley als
Spitzenkandidatin nicht gerade begeistert. Ihr Wahlkampf wird in vertraulichen
Gesprächen als wenig markant beschrieben, als blass und ein bisschen fade. Kaum
einer hat wirklich etwas gegen sie, aber sie löst halt auch keine Euphorie oder
Begeisterung aus. „Insgesamt spielt Barley keine große Rolle“, sagt ein führender
Politiker aus der Bundestagsfraktion. Im Wahlkampf gehe es um den Kanzler, um
die Ukraine, um die Ampel. Von Barley kämen wenig eigene Impulse.

„Shame on you!“, brüllen sie in Leipzig

Was er meint, ist am Wochenende vor der
Europawahl in Leipzig zu beobachten. Die SPD hat zur Großkundgebung auf den Burgplatz in der Innenstadt
geladen, nahe der Universität. Unter das Publikum haben sich junge Menschen mit
rot bemalten Händen gemischt, sie protestieren gegen Israels Krieg im
Gazastreifen. Außerdem sind da Querdenker, Klimaaktivisten und einige
Rechtspopulisten, insgesamt viel Wut auf dem Platz. Als Scholz später spricht,
ist es so laut, dass der Kanzler kaum zu verstehen ist. „Shame on you!“,
brüllen die einen. Die anderen: „Wer hat uns verraten, Sozialdemokraten!“  

Für Barley hingegen interessieren sich
die Protestierenden nicht. Derselbe Platz, der bei Scholz brodelt, wirkt bei
Barley leicht sediert.  

Dabei ist der Kanzler
beileibe kein aufputschender Redner, aber im Vergleich zu Barleys Auftritt wirkt
selbst sein ruhiger Vortrag eindringlicher und relevanter. Barley hält ihr
kleines Standardreferat zum Thema „Was habe ich von Europa?“ Es geht um die
Kapitalmarktunion und das Tariftreuegesetz. Sie spricht sachlich und
unaufgeregt, trotzdem verhaspelt sie sich mehrfach. 

Gar nicht wenige in der SPD, die sich
in diesen Tagen mit einer gewissen Wehmut an Barleys Vorgänger, den früheren
Europa-Spitzenkandidaten Martin Schulz, erinnern. An Schulz hatten sie
irgendwann auch viel auszusetzen, aber immerhin war er thesenstark und
versprühte eine gewisse Begeisterung. Schulz habe Räume und Schlagzeilen
gefüllt. Den kannte halb Europa. „Im Vergleich
mit Martin hat Katarina ein ganz anderes Auftreten, sie ist eher
zurückhaltend“, formuliert es einer aus der SPD-Spitze höflich.  

Katarina Barley gibt es in
diesem Europawahlkampf meist im Doppelpack. Auf den Plakaten ist die
sozialdemokratische Spitzenkandidatin entweder neben den regionalen Bewerbern in
einer Fotomontage zu sehen. Oder neben dem Kanzler. Einträchtig und
deutschlandweit werben Barley und Olaf Scholz für die SPD. Sie sind laut
Selbstbeschreibung „Deutschlands stärkste Stimmen für Europa“.

Weil die SPD aber in den Umfragen nie recht vom Fleck
kam, drängen sich die Fragen auf, ob das eine gute Idee war, auf diese Kampagne
zu setzen. Wäre die Spitzenkandidatin der SPD für das Europaparlament nicht
Persönlichkeit genug, um allein plakatiert zu werden? So wie beispielsweise die
streitlustige Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP oder die viel
unbekanntere Terry Reintke von den Grünen? Deren Konterfeis hängen jeweils ohne
Nebenmann oder -frau in Deutschlands Straßen.

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