„Das Trinken setzt sich fort, Tag und Nacht, Nacht und Tag. Wenn die Vorräte in einem Dorf aufgebraucht sind, möglich sein sie zum nächsten. Während dieser Wochen sind manche Individuen in einem permanenten Zustand dieser Halb-Betrunkenheit, es kommt vielfach zu Ehebrüchen. Männer und Frauen vergessen die elementaren Anstandsregeln. Sie kümmern sich um die Bedürfnisse dieser Natur an denselben Orten, welches unter normalen Umständen tabu ist.“
Waren die Verfasser dieser Zeilen wirklich zusammen mit den Tonga in Mosambik, um „Betrunkenes Betragen“ zu studieren? Oder waren sie zusammen mit den edlen Wilden, die in den diesen Tagen zu erleben sind, ob beim Karneval in Köln, beim Fasching in Franken oder dieser Fasnet in Baden?
Die fünfte Jahreszeit ist Brauchtum, weil sie gleichfalls Alkoholkonsum ist. Denn Alkohol ermöglicht dieser Gesellschaft eine Auszeit von den normalen Umständen, und Auszeiten erlauben es Menschen, ihre gewohnte soziale Stellung und Ordnung befristet zu verlassen. Pro ihre Auszeit-These, die übrigens von keiner Spirituosenmarke finanziert wurde, nach sich ziehen die amerikanischen Ethnologen Robert B. Edgerton und Craig MacAndrew die ganze Welt studiert. Ihr Buch ist eine Attributionsstudie, dies heißt, es trägt unterschiedlichste Befunde von diversen Einzelstudien zusammen.
„Betrunkenes Betragen“ von Edgerton/MacAndrew
Die Schrift mit dem Titel „Drunken Comportment“, im Original 1969 erschienen, ist relativ spritzig geschrieben und die wohl originellste anthropologische Studie, die je erstellt worden ist. Sie bezeugt, dass Alkohol mit Menschen höchst Unterschiedliches anstellt. Wo die physiologische Wirkung von Alkohol unstrittig ist (er beeinträchtigt die Reaktionszeit, Trinken und Autofahren folglich schlecht), lässt sich zu seiner kulturellen Wirkung (er hemmungslos) höchst unterschiedliches feststellen. Trinken und Feiern folglich kompliziert. Es gibt Menschen, die sich unter Alkohol so wie immer verhalten, und andere, die richtig austicken. Das Sich-Danebenbenehmen, so die Schlussfolgerung von Edgerton und MacAndrew, lernten viele Stämme und Gesellschaften erst von Kolonisatoren.
Ethnologie war wegen ihrer Vorurteile nie ein unproblematisches Fach. Der Charme dieser Studie von Edgerton und MacAndrew besteht darin, dass sie mit dem wohl wichtigsten Vorurteil darüber hinaus Alkohol in die Welt fuhren und feststellten: Enthemmung ist kulturell gelernt. Edgerton und MacAndrew räumten gleichfalls mit Potpourri biologistischen Klischees ihres Fachs aufwärts, etwa dem, dass Schwarze oder Indianer vor allem „wild“ aufwärts Alkohol reagieren würden. Auf Deutsch erscheint „Betrunkenes Betragen“ dieser Tage zum ersten Mal gar, übersetzt von Jakob Hein, einem Schriftsteller und Psychiater an dieser Berliner Charité, dieser berufsbedingt oft mit den Ursachen und Folgen von Alkoholkonsum zu tun hat.
Wo immer Sie Weiberfasnacht, Mardi Gras, Schmotzigen Donnerstag oder wie gleichfalls immer es in Ihrer Region heißt, begehen: Studieren Sie in einem stillen Moment dieser teilnehmenden Beobachtung Ihre Umgebung. Was tut dieser Mensch denn Trunkenbold, welches er sonst nicht tut?
Source: welt.de