Kampf gegen Overtourism: Florenz verbietet Schlüsselboxen

Kampf gegen Overtourism: Florenz verbietet Schlüsselboxen

Die italienische Wirtschaft braucht den Tourismus, dem Übertourismus hat die Toskana-Metropole Florenz kürzlich den Kampf angesagt. Sogenannte Keyboxen, die sich in ganz Europa durchgesetzt haben, sind verboten. Was bringt das?


Alle wollen den Botticelli sehen. Overtourism lässt Städte wie Florenz ächzen

Foto: David Silverman / Getty Images News


Linke Politik gerät schnell zum Ärgernis, wenn klar wird, dass nicht zu Ende gedacht wurde, wenn sie mit Verboten daherkommt, deren Durchsetzung glasklar Folgeprobleme nach sich zieht, weshalb die Wirkung am Ende des Sommers symbolisch bleibt. Ein aktuelles Beispiel ist das Keybox-Verbot in der italienischen Stadt Florenz zur Bekämpfung des grassierenden Übertourismus, englisch: „Overtourism“.

Die Schlüsselboxen mit den Zahlenrädern gelten als das Symbol für Overtourism

Die Bürgermeisterin der Stadt, Sara Funaro, eine Sozialdemokratin, hatte sich letzten Sommer gegen ihren rechten Gegenkandidaten, den ehemaligen Uffizien-Direktor, den Deutschen Eike Schmidt durchgesetzt und angekündigt, die Stadt gerechter und inklusiver zu gestalten sowie die Touristenströme besser zu steuern. Florenz empfängt jährlich mehr als 4,5 Millionen Gäste. Und weil die private Kurzzeitvermietung an Touristen viel lukrativer ist, ist normaler Wohnraum in der 360.000-Einwohner-Stadt kaum noch zu kriegen.

Touristenmetropolen in ganz Europa stehen vor diesem Problem. In Florenz hat Bürgermeisterin Funaro gehandelt, seit Kurzem sind in der Stadt die – optisch eigentlich sympathisch familiär wirkenden – Schlüsselkästchen, die seit ein paar Jahren immer mehr die persönlichen Schlüsselübergaben ersetzen, verboten. Sie gelten als das Symbol für Overtourism. Zudem ist in Italien Pflicht, dass Vermieter ihre Mieter persönlich anmelden. 400 Euro sind bei Zuwiderhandlung fällig.

Man erinnert sich gut. Bevor sich die Kästchen etablierten, war die Schlüsselübergabe umständlich. Was hatte man nicht schon alles erlebt, bevor die Ferienhütte überhaupt betreten worden war! Vielleicht waren mit dem netten, wahlweise unverschämten, Vermieter Worte gewechselt worden, mitunter in dessen Landessprache. Die Box hat das Individuum danach weiter vom Reiseerlebnis entfremdet.

So funktioniert sie: Man bucht die Wohnung übers Internet, erhält vor Anreise einen Code für das Zahlenschloss, und steht man davor, empfehlen sich Lesebrille und Handy-Taschenlampe. In der Box liegt meist ein rostfarbener Schlüssel, der immerhin noch haptisch von all dem erzählen könnte, was untergegangen ist – natürlich nur denen, die dafür die Fantasie noch aufbringen. Und in der Box, pardon, Wohnung hängt erfahrungsgemäß ein Screen mit Netflixanschluss.

Ist das Gesetz nicht eine Einladung für Diebe und Plattformkapitalisten?

Auch in Rom oder in französischen Städten wie Paris und Marseille wurden die Schlüsselkästen zuletzt verboten und Gesetze zur Reglementierung von Privatvermietung erlassen. Allein 25.000 Wohnungen sollen in Paris illegal untervermietet sein. Es ist wirklich allerhöchste Zeit, dass linke Politik solche Auswüchse eindämmt, also was ist die Kritik?

Erstens: Betroffen sind auch alte, kranke Menschen, die auf einen einfachen Zugang zu ihrer Wohnung durch Pflegedienste angewiesen sind. Wie will man böse von guten Kästchen unterscheiden? Und sind sie nicht eine Einladung für Diebe, wenn erkenntlich ist, dass sich hinter dieser und jener Tür ein hilfsbedürftiger Mensch befindet? Zweitens: Vom Geschäft profitieren zwar böse Plattformkapitalisten wie Airbnb, aber eben auch Privatleute.

Gut möglich, dass die Wohnung geerbt wurde und der Altersvorsorge dient. Drittens, weil juristische Fragen gern vernachlässigt werden: Ist es überhaupt rechtlich erlaubt, Eigentümern zu verbieten, Schlüsselkästchen anzubringen? Viertens, dies nur am Rande: Viele Vermieter werden auf digitale Log-in-Apps umsteigen, womit wiederum jene exkludiert werden, für die ein Trip, der fast nur digital funktioniert, ein sehr großes Abenteuer darstellt.

Neulich erst, in einer deutschen Kleinstadt. Dank der für alles Digitale aufgeschlossenen Begleitung lief alles reibungslos, die Wohnungstür öffnete sich, schloss sich. Am Tag der Abreise hatte uns die App jedoch frühzeitig ausgecheckt, einfach so, und wir konnten von Glück sagen, dass wir unser Gepäck schon im Kofferraum hatten, denn die Tür war ins Schloss gefallen. Der Vermieter? So ein Typ aus dem Internet.

Sowieso: Seit Jahren verzeichnen Italien oder andere Mittelmeerländer stetig wachsende Besucherzahlen. In Italien macht der Tourismus circa elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Die italienische Wirtschaft ist abhängig vom Tourismus, vom Übertourismus. Was also tun? Als Reisende ist man Teil des Problems. Man will ja eben nicht Venedig sehen und sterben, sondern auch noch hierhin, dahin, dorthin.

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