Für einen Zaun um den Görlitzer Park hat der Berliner Senat Geld, für seine wichtigsten Kulturhäuser nicht. Diese verantwortungslose Kulturpolitik könnte in der Bundesrepublik Schule machen
Was da gerade in Berlin passiert, da sollte man sich nicht täuschen lassen, wird Auswirkungen auf ganz Deutschland haben. Sie werden davon gelesen haben, der CDU-SPD-Senat plant große Einsparungen. Bei der Kultur sind es etwa 12 Prozent des aktuellen Budgets, die gestrichen werden. Und deswegen lässt fast jeden Tag eine weitere Berliner Kulturinstitution wissen, dass sie das kaum überleben wird. Der Schinkel-Pavillon stellt sein Aus in Aussicht. Nun auch das KW Institute for Contemporary Art. Es schreibt in einem Statement: „Die für die kommenden Jahre angekündigten, voraussichtlich noch höheren Kürzungen würden bei gleichbleibenden oder steigenden Fixkosten das Ende unserer Programmarbeit zur Folge haben.“
Auch Holly Herndon und Henrike Naumann bangen um ihre Stipendien
Der Museumssonntag, der einmal im Monat kostenlosen Eintritt für alle ermöglichte, ist schon eingestellt, Künstlerinnen wie Holly Herndon und Henrike Naumann, die aus Berlin heraus in die Welt strahlen, bangen als Fellows des Berliner Förderprogramms Künstlerische Forschung um ihre Geld. Herndon arbeitet zur künstlichen Intelligenz, Naumann zu Rechtsextremismus. Unbekanntere Namen, die ihr Atelier über die Kulturraum Berlin GmbH anmieten, das sind um die 3.000 Menschen in Berlin, wissen nicht, ob sie, jetzt da die GmbH abgewickelt werden soll, demnächst noch ein Atelier haben werden.
„Dies löst einen Dominoeffekt aus, der langfristig zu einer deutlichen Verarmung des kulturellen Angebots in der Stadt führen wird und eine einkommensunabhängige Teilhabe an den kulturellen Angeboten stärker als jemals zuvor einschränkt“, so steht es im KW-Statement, das außerdem davor warnt, dadurch Demokratie zu schwächen, da Kunst aktive Aufklärung sei und sozialen Zusammenhalt stärke. Für Berlin bedeuteten die Kürzungen „weniger Vielfalt, weniger Inklusion, weniger Innovation“.
Kunst sei Wirtschaftsfaktor, das müsste Joe Chialo eher gefallen
Doch vermutlich ist das genau das, was der Senat möchte. Denn Geld für eine Olympia-Bewerbung oder einen Zaunbau um den Görlitzer Park, der Dealer vertreiben soll, ist ja da. Man kann hier einen politischen Willen erkennen, den Gegner zu schwächen. Schon länger ist es ein neokonservativer Talking Point, das der linksversiffte Extremismus in der Kultur schlummert, politische Scharfmacher wettern gegen eine angebliche kulturelle Elite, und dass die Pro-Gaza-Proteste vor allem in der Kunstszene zu finden sind, ist eine Behauptung, in der sich AfD-Politiker und konservatives Feuilleton umarmen, die aber nicht belegt ist und bei genauerer Betrachtung auch etwas merkwürdig scheint.
Kunst sei nachweislich ein treibender Wirtschaftsfaktor, heißt es im Statement der KW weiter. Und damit dürfte man wohl eher einen Nerv bei Kultursenator Joe Chialo treffen, doch ließ der kürzlich gegenüber Deutschlandfunk Kultur durchblicken, dass er sich nicht so sehr sorge um eine Ausdünnung der Berliner Kultur. Er regte an, Theaterintendanten und Institutionsleiter sollten sich mal mit dem privatwirtschaftlichen Berghain vernetzen. Dass so ein Club nicht nur bei Vernissagen und in der Pause Getränke verkaufen kann, sondern mehrere Tage am Stück, das hielt den Musikmanager nicht davon ab, diesen irren Vergleich aufzustellen. Das ist also die gewollte Kultur für den Drift nach rechts, den wir derzeit erleben: Raven, bis der Arzt kommt.
Vor nicht allzu langer Zeit saß im Vorstand des Kunst-Werke Berlin e. V. noch Chialos Freund Axel Wallrabenstein, der auf Twitter gerne Beiträge teilt, in denen nahegelegt wird, dass Kulturinstitutionen keine Förderung bekommen sollten, da sich dort angeblich „Juden-Hasser“ sammeln. Beiträge, die Chialo als neuen Bundeskulturminister sehen, teilt er auch. Jetzt wurde bekannt, dass er sich in Zukunft auf die Politikberatung konzentriert.