Der Regisseur Rob Minkoff war
einer der ersten, der sich nach Bekanntwerden des Todes von James Earl Jones
mit einer Abschiedsbotschaft meldete. Der Macher des Disney-Films König der Löwen
schrieb, Jones habe einer „einer ganzen Generation gezeigt, was Vaterschaft
bedeutet“. Stimmt. Stimmt aber wiederum auch nicht. Denn er zeigte es nicht nur
einer Generation. Sondern allen.
Wer vom Leben und Wirken des
Schauspielers James Earl Jones erzählen will, muss sich den Vätern widmen.
Echten und fiktiven. Da war die Sache mit seinem eigenen Dad. Robert Earl Jones, ein Chauffeur aus Mississippi, der Anfang der 1930er-Jahre abhaute, als
sein Sohn James gerade geboren war. Der Weg führte den Vater von einem Kaff mit
wenigen Hundert Einwohnern nach New York, wo er sich als Boxer und Schauspieler
durchschlagen wollte. Sein Sohn war fünf, als
seine Mutter ein zweites Mal heiratete. Sie wagte den Neustart, gab das Kind zu
ihren Eltern, die eine Farm in Michigan führten. Der Junge war traumatisiert.
Litt unter der Großmutter, die ihn schlecht behandelte. Er begann, stark zu stottern. Wurde
verlacht. Schämte sich. Sprach nicht. Bis ein Lehrer ihn dazu brachte,
täglich ein selbst verfasstes Gedicht aufzusagen. Öffentlich. Auf diese Art fand
Robert Earl Jones seine Stimme wieder. Entwickelte über das Stimmbewusstsein
ein Selbstbewusstsein. Später sagte er in Interviews, wie großartig es sich angefühlt
habe, wieder kommunizieren zu können.
Jones schrieb sich zunächst an der Uni
Michigan ein, um Medizin zu studieren, erhielt ein Stipendium, interessierte
sich aber mehr für die drama class als für die menschliche Anatomie. Dann rief
ihn die Armee. Seine Befürchtung, in den Koreakrieg ziehen zu müssen,
erledigte sich, als der Konflikt zu seinem Dienstbeginn 1953 endete.
Stationiert in den USA, arbeitete er sich zum First Lieutenant hoch, dann
endlich war er frei, um sich der Schauspielerei zu widmen. Er ging nach New York, wo er seinen Vater wiedertraf, später sogar mit ihm auf der Bühne stand.
Lebte in billigen Absteigen ohne warmes Wasser, bildete sich als Schauspieler
fort, jobbte in Restaurants und überall dort, wo es ein paar Dollar zu
verdienen gab. Robert Earl Jones war einer dieser Tellerwäscher, von denen der
amerikanische Traum erzählt. Nach einigen kleinen Rollen dockte er an eine
Company an, die in New York Shakespeare auf die Bühne brachte. Er spielte in
Dutzenden Dramen, verkörperte die moralischen Dilemmata, in denen Hamlet,
Othello, King Lear steckten. Er hatte die Gefühle von
Verlust, Paranoia und Angst ja alle selbst erlebt. Und ob bewusst oder unbewusst: Von nun an
begab er sich auf den langen Weg, um die Sache mit seinem Vater aufzuarbeiten.
Mit den Kinoleinwänden und Theaterbühnen als reichweitenstarken Therapieräumen.
Seine erste Filmrolle hatte er 1964
in Stanley Kubricks Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben. Die
dunkle Stimme des von ihm gespielten Bomberpiloten Lieutenant Lothar Zogg wirkt
in der aufgedrehten Kriegssatire befremdlich, wirkt auch deshalb so sehr nach.
Sein endgültiger Durchbruch als Schauspieler gelang ihm am Theater: Im Drama Die große, weiße Hoffnung spielte er den Boxer James Jefferson. Die Geschichte ist
angelehnt an die Biografie von Jack Johnson, der 1908 als erster Schwarzer die Weltmeisterschaft
errang. Jones spielt einen oft genug verzweifelten Kämpfer – gegen die Gegner
im Ring. Gegen den Rassismus. Jones‘ Bühnenpräsenz war unvergleichlich, körperlich wie stimmlich. Und weil er sich beim
Schauspiel selbst nicht anstrengen musste, konnte er die ganze Energie in die
Gefühle der Figuren legen. Er litt mit ihnen.
Die große, weiße Hoffnung führte
Jones auch an den Broadway, 1969 erhielt er seinen ersten Tony-Award. Die Verfilmung
kam 1970 ins Kino, Jones wurde für als bester Schauspieler für den Oscar
nominiert, nach Sidney Poitier als zweiter Schwarzer Darsteller in dieser Kategorie. Er
war bereits ein großer Schauspieler, als er mit seiner Stimme eine der
ikonischsten Figuren Hollywoods prägte. George Lucas drehte den ersten Teil von Star Wars, die zentrale Rolle des Darth Vader besetzte er mit dem Briten David
Prowse. Dieser brachte mit knapp zwei Meter Körperlänge die passende Statur
mit. Die Stimme jedoch, die funktionierte nicht. Zu hell, zu britisch. Man
findet bei YouTube Clips mit ihm als Sprecher des düsteren Schurken: Jede
Wette, es hätte nie so einen Darth-Vader-Kult gegeben, hätte Lucas nicht die Idee
gehabt, James Earl Jones zu fragen, ob er nicht diese Figur sprechen möchte. Als
jemand mit einer passenden Stimme. Und: als jemand, der sich mit traumatischen
Vater-Sohn-Geschichten auskannte.