Giorgia Meloni ist auf Koalitionspartner wie die Lega von Matteo Salvini und die Partei Forza Italia angewiesen. Beide stehen einer Militarisierung der EU skeptisch bis ablehnend gegenüber
Die Aufrüstungspläne der EU bereiten Giorgia Meloni Kopfzebrechen
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Fast drei Monate nach Donald Trumps Amtseinführung im Januar ist Giorgia Meloni um eine Illusion ärmer: Als erklärte Anhängerin des US-Präsidenten und persönliche Freundin von Elon Musk wollte sie die Rolle einer transatlantischen Brückenbauerin spielen. Italien sollte im geopolitischen Ranking aufsteigen und an Einfluss gewinnen. Nun muss sie sich eingestehen, dass selbst innerhalb der EU andere die Regeln vorgeben.
Die von der EU-Kommission unter Ursula von der Leyen beschlossene massive Aufrüstung – 800 Milliarden Euro für Rearm Europe – bereitet Meloni daheim einige Sorgen, auch innerhalb ihrer Regierungskoalition. Während ihre eigene Partei der Fratelli d’Italia hinter ihr steht, betreibt Matteo Salvini von der Lega seine eigene Außenpolitik, auch durch direkten Kontakt zu US-Vizepräsident J. D. Vance. Außenminister Antonio Tajani (Forza Italia) steht der EU-Militärpolitik ebenfalls distanziert gegenüber, hält sich aber im Unterschied zu Salvini meist an eine diplomatische Sprache.
Schwerer als die regierungsinternen Konflikte wiegen die Belastungen, die durch die Aufrüstungspolitik auf Italiens Staatsfinanzen zukommen. Noch höhere Ausgaben für Waffen steigern die ohnehin gigantische Staatsverschuldung, mindern die Kreditwürdigkeit und erhöhen die Zinsen für künftige Anleihen. Dagegen steht die vage Aussicht, Investitionen in Kriegsgerät würden auch in Italien zu einer allgemeinen Belebung der Konjunktur führen. Das zumindest verspricht Ursula von der Leyen, die Ende März in einem langen Interview mit der Mailänder Zeitung Corriere della Sera die „starke und renommierte“ italienische Rüstungsindustrie lobte und das Joint Venture von Rheinmetall und dem römischen Rüstungskonzern Leonardo zum Modell erklärte. Melonis Vizepremier Salvini sieht das deutlich skeptischer, profitieren von solchen Kooperationen würde allein Deutschland, monierte er.
In einem nicht ganz unwichtigen Punkt immerhin konnte Meloni einen Erfolg verbuchen. Nicht zuletzt durch ihre Intervention (und jene Spaniens) wurde die europäische Militarisierungsagenda umbenannt: Aus „ReArm“ (Wiederbewaffnung) wurde „Readiness“ (Bereitschaft). Zwar bleibt das Ziel – „Kriegstüchtigkeit“ – das gleiche, der neue Name klingt indes weniger martialisch und militaristisch, er verschafft Meloni die Möglichkeit, ihre zusehends misstrauische Gefolgschaft bei der Stange zu halten. Verteidigung sei „viel mehr als Auffüllung der Arsenale“; „Sicherheit“ ist für sie ohnehin ein Synonym für ein Abschotten der Staatsgrenzen gegen unkontrollierte Einwanderung.
Pazifist ist Salvini keiner
Dafür noch mehr Geld auszugeben als bisher ist ganz nach dem Geschmack der Lega. Auf ihrem Kongress am vergangenen Wochenende in Florenz war das Thema Außen- und Militärpolitik dann auch nur am Rande von Belang. Dialog mit allen, besonders den USA, forderte der per Akklamation bis 2029 im Amt bestätigte Matteo Salvini. Der Hauptfeind sitze in Brüssel, weil der Green Deal und ähnliche „ideologische Hirngespinste“ der heimischen Wirtschaft schaden würden. Die wahren „Megazölle“ kämen aus der EU-Zentrale, dort müsse man die Motorsäge des Argentiniers Javier Milei „in die Hand nehmen und roden“.
In der Sache ähnlich äußerte sich Giorgia Meloni in ihrer Videobotschaft an den Lega-Kongress. Freilich war ihr Ton moderater. Wenn es nicht gerade gegen die linke Opposition geht, ist sie ohnehin meist in der Lage, ihre Botschaften in Watte zu packen – bis hin zur dreisten Lüge. So versicherte sie der US-Regierung Ende Februar, Italien „prosperiere“. Wenige Tage später sah sie sich wegen gestiegener Energiepreise gezwungen, acht Millionen armen Familien – knapp einem Drittel der Bevölkerung – eine Soforthilfe von 200 Euro zu gewähren. Im eigenen Land lässt sich die wachsende Bedürftigkeit herunterspielen, aber nicht dauerhaft verbergen. Entsprechend ablehnend stehen viele Italiener den europäischen Aufrüstungsplänen gegenüber. Dem muss auch die rechte Regierung Tribut zollen, wenn sie ihre Mehrheit verteidigen will. Mit Pazifismus hat das nichts zu tun.